Die historische Lücke in der Krankenversicherung – es droht eine beispiellose Belastung der Bürger

vor 3 Monaten

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Amtsübergabe im Bundesgesundheitsministerium. Am 6. Mai trat Nina Warken die Nachfolge von Karl Lauterbach (SPD) im Gesundheitsressort an. Auf die CDU-Politikerin wartet ein belastetes Erbe mit einem Milliardenloch, Folge jahrelang verschleppter Reformpolitik. Auf 6,2 Milliarden Euro summierte sich das Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im vergangenen Jahr – ein Rekordwert, der seit Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurde. Und die bestehende Entwicklung lässt für die kommenden Jahre nichts Gutes ahnen.

Zeitgleich schrumpften die Finanzreserven der Kassen auf ein gefährliches Niveau, das den Bund bereits im Mai 2025 zwang, mit einer Finanzspritze von 800 Millionen Euro einzuspringen, um die Liquiditätsreserve des vorgeschalteten Gesundheitsfonds aufzufüllen. Der Patient GKV ist chronisch krank, gar keine Frage. Die ungünstige Kostenentwicklung, zunehmende Alterung und steigende Beitragslasten der Erwerbstätigen setzen das System zunehmend unter Spannung.

Das Hauptproblem ist bekannt, wurde aber von der Politik konsequent ausgeblendet: Deutschland altert. Immer weniger Erwerbstätige tragen wachsende Versorgungslasten. Inzwischen kommen zwei Nicht-Erwerbstätige über 65 auf einen Berufstätigen – dass diese Relation sozialen Sprengstoff birgt, müsste eigentlich auch den Verantwortlichen in Berlin einleuchten. Und die Lage wird sich auf absehbare Zeit weiter verschärfen. Mit zunehmender Vergreisung der Bevölkerung werden auch die Gesundheitsausgaben weiter steigen: Mehr Operationen, mehr Medikamente, mehr Pflege – der Kostenapparat wächst, die Einnahmebasis schrumpft – der Reformdruck wächst.

Neben der demografischen Dynamik tritt ein ungebremster Anstieg der Gesundheitskosten. Krankenhausleistungen und Arzneimittelpreise stiegen in den vergangenen Jahren regelmäßig um bis zu zehn Prozent. Preistreiber sind teure Leistungen aus dem Bereich der Biotechnologie, individualisierte Therapien oder auch neue Krebsmedikamente – medizinischer Fortschritt ist ein Segen, aber er ist eben nicht zum Nulltarif zu haben.

Eine Debatte über die Priorisierung von Therapien, höheren Eigenbeiträgen zur Behandlung wird es wohl ebenso wenig geben, wie die Wiedereinführung der Praxisgebühr, um die Zahl unnötiger Arztbesuche tendenziell zu reduzieren. Das GKV-System setzt vielfach falsche Anreize, es entwickelt sich zu einem offenen Selbstbedienungsladen: Jede Neuerung wird übernommen, Therapieangebote werden ausgeweitet, die finanziellen Folgen werden auf den Beitragszahler abgewälzt – ein Teufelskreis.

In den vergangenen zehn Jahren ist der allgemeine Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung mit 14,6 Prozent zwar konstant geblieben. Doch hat man mit der Einführung des kassenindividuellen Zusatzbeitrags im Januar 2015 eine zweite Ebene der Kassenfinanzierung eingeführt. Dieser Beitragssatz stieg in den vergangenen Jahren im Durchschnitt von 0,9 auf derzeit etwa 2,5 Prozent – eine Verdreifachung der Zusatzlast, die Hinweise auf den Kostendruck bei den Kassen gibt. Gesetzliche Versicherte zahlen also heute effektiv rund 17,1 Prozent ihres Einkommens in die Krankenversicherung. Eine erhebliche Mehrbelastung ist entstanden, die medial oft hinter dem vermeintlich stabilen Grundbeitrag im Verborgenen bleibt.

Ein weiterer Kostenschock kam zu Jahresbeginn: Fast sämtliche Krankenkassen hoben ihre Beitragssätze zum Jahreswechsel 2025 deutlich an, was die Belastung für die Versicherten erheblich steigert. So zahlen Versicherte bei der Techniker Krankenkasse mit 3.000 Euro Gehalt seit Jahresbeginn rund 225 Euro mehr für ihre Versicherung pro Jahr. Die Gesamtausgaben der GKV steigen in diesem Jahr aller Voraussicht nach auf über 340 Milliarden Euro, während die Einnahmen deutlich hinter diesem Wert zurückbleiben.

Der Anstieg der Krankenkassenbeiträge im Jahr 2025 ist tatsächlich der höchste der letzten 50 Jahre. Konkret wurde der durchschnittliche Zusatzbeitrag von 1,7 Prozent im Jahr 2024 auf 2,5 Prozent im Jahr 2025 erhöht – ein Plus von 0,8 Prozentpunkten, was einer Steigerung von fast 47 Prozent entspricht. Diese Beitragserhöhung übertrifft sämtliche Beitragssteigerungen der vergangenen Jahrzehnte um Längen. Im Einzelnen können die Zusatzbeiträge zwischen 1,84 und 4,4 Prozent, je nach Krankenversicherung, variieren.

Diese außergewöhnlich starke Beitragserhöhung ist vor allem Folge eines milliardenschweren Defizits, das durch steigende Ausgaben für Krankenhausbehandlungen, Arzneimittel und eine sinkende Zahl von Beitragszahlern beschleunigt wird. So stiegen die Kosten für Medikamente in den letzten fünf Jahren um 40 Prozent, während die Krankenhauskosten im gleichen Zeitraum um 29 Prozent gestiegen sind. Auch die geplante Klinikreform und der zu diesem Zweck aufgesetzte „Transformationsfonds“ in Höhe von 50 Milliarden Euro werden den Beitragszahlern über die Verrechnung der Kassen aufgebürdet.

Auf die Beitragszahler kommt in den kommenden Jahren eine wahre Kostenlawine zu, die sich aus unterschiedlichen Quellen speist. So führte die jüngste Pflegereform zu deutlichen Mehrkosten für die Pflegeversicherung, da Pflegeleistungen grundsätzlich ausgeweitet wurden, während demografiebedingt die Zahl der Leistungsberechtigten weiter wächst. Zur Deckung der Mehrausgaben wurde der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung auf 3,4 Prozent angehoben, bei Kinderlosen sogar auf 4,2 Prozent. Gleichzeitig treiben Fachkräftemangel und steigende Personalkosten die Kosten in der Pflegebranche weiter nach oben. Trotz der Reform bleiben Versorgungslücken bestehen, sodass viele Pflegebedürftige weiterhin auf private Zusatzversicherungen angewiesen sind.

Neben der generellen Ausweitung des Leistungskatalogs der Kassen lastet mit der wachsenden Bürokratie ein zusätzlicher, aber durchaus vermeidbarer Faktor auf den Beitragszahlern. Allein im Krankenhaussektor führt die Überbürokratisierung zu einem Mehraufwand, der laut Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) durch eine Stunde weniger Bürokratieaufwand pro Vollzeitkraft und Tag rund 120.000 Stellen freisetzen könnte.

Die Ursache ist in der zunehmenden Komplexität und Detailtiefe gesetzlicher Vorschriften zu suchen. Allein in der letzten Legislaturperiode traten 30 neue Gesetze mit unmittelbarer Relevanz und zusätzlichem Bürokratieaufwand für die Krankenhäuser in Kraft. In vielen Fällen bringen diese Nachbesserungen des Gesetzgebers neue, zeitaufwändige Dokumentationspflichten, was in bestimmten Fällen zu redundanter Dokumentation und widersprüchlichen Regelungen führt. Zusätzlich erhöhen komplexe Prüfverfahren wie das MD-Prüfwesen und neue gesetzliche Verpflichtungen, etwa die Einführung der elektronischen Patientenakte, den bürokratischen Aufwand. Auch die Verwaltung des Sozialausgleichs bei gestiegenen Zusatzbeiträgen verursacht weitere Kosten. Insgesamt führen diese bürokratischen Belastungen zu erheblichen Mehrkosten in Milliardenhöhe.

Die Alterung unserer Gesellschaft ist ein Faktum, das sich nicht zuletzt in der Kostenstruktur des weit aufgefächerten Sozial- und Gesundheitswesens spiegelt. Die konsequente Bekämpfung unnötiger Bürokratie wäre ein kostendämpfender Faktor, der jetzt absolute Priorität haben sollte, auch wenn dies schmerzhafte Personaleinschnitte bei den Kassen und ihrer Verwaltungsstruktur bedeutet. Knappe personelle Ressourcen sollten dem Patientenwohl dienen und sich nicht zeitlich in redundanter Dokumentation verheddern.

Doch selbst der erfolgreiche Umbau der Verwaltungsstrukturen bei gleichzeitiger technologischer Erneuerung wird den wachsenden Kostendruck wohl nur dämpfen und nicht umkehren. Deutschland steht vor einem Jahrzehnt des demografischen Wandels, das man sich als eine Art Flaschenhals vorstellen muss. Weniger Erwerbstätige werden eine wachsende Zahl von Leistungsempfängern finanzieren. Erst in zehn Jahren wird dieser Prozess zum Halten kommen. Dass die Politik den Schritt wagt, stärker auf Eigenvorsorge, Kapitaldeckung und Marktlösungen zu setzen, indem sie gleichzeitig den Staatsapparat abbaut, ist derweil nicht zu erwarten.

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