Die Kirche von morgen – eine pfingstliche Zukunftsvision

vor 8 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Einen Glauben, der in Gottesdiensten den Kult der politischen Theologie feiert, brauchen wir nicht. So eine Politkirche wird von selbst untergehen. Desgleichen ist der Pfarrer überflüssig, der sich als spiritueller Sozialpädagoge oder als prophetischer Weltretter aufspielt. Aber der Christ, der von Gott her mit seinen Mitmenschen lebt in ihrer Angst, in ihrer Freude, in ihrer Ohnmacht, in ihrer Trauer, in ihrem Hoffen und in ihrem Suchen, der wird auch weiterhin nötig sein.

In Europa stecken wir mittendrin in der Krise der Kirche. Man muss mit weiteren erheblichen Erschütterungen rechnen. Aus der Krise von heute wird morgen eine Kirche hervorgehen, die viel verloren hat. Sie wird klein werden, mithin ganz von vorne anfangen müssen. Sie wird die Bauten nicht mehr füllen oder finanzieren können, die in vermeintlich besseren Zeiten errichtet wurden. Aber sie wird urgemeindlich in Wohnzimmern, Hauskirchen und Chaträumen Herberge finden.

Die Kirche der Zukunft wird mit der Zahl ihrer Anhänger ihre Privilegien verlieren. Sie wird Gott sei Dank nie mehr die gesellschaftsbeherrschende Kraft haben, wie es bis vor kurzem war. Sie wird eine Freiwilligkeitsgemeinschaft werden, die sich nicht mehr durch gesellschaftliche Konformität von selber versteht. Sie wird als kleine Gemeinschaft sehr viel stärker aus der Initiative einzelner Christen leben. Sie wird neue Formen des Amtes kennen. Bewährte Christen, die im Beruf stehen, werden zu nebenerwerbstätigen Pfarrern ordiniert; lebensnahe Pfarrer für lebensnahe Christen.

Der Glaube wird sein Wesentliches in dem finden, was immer seine Mitte war: Der dreieinige Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden ist und der den Beistand seines Heiligen Geistes schenkt, der bis zum Ende reicht. Die Kirche der Zukunft wird in Glaube und Gebet wieder ihre eigentliche Mitte finden und Wort und Sakramente werden wieder als Gottes Dienst, Stärkung und Freude erfahren.

Es wird ein verinnerlichter Glaube sein, der nicht auf ein politisches Mandat pocht, der es aber ohne religiösen Wahrheitsanspruch zulässt, dass Christen je nach Überzeugung mit den Linken oder mit den Rechten flirten, ohne spirituell verschmolzen mit ihnen ins politische Bett zu steigen.

Der Weg zur Kirche der Zukunft wird steinig und schwer. Der Vorgang der Kristallisation und der Klärung wird der Kirche manche guten Kräfte kosten. Dies alles wird Zeit brauchen. Aber im Prozess der Reinigung wird in einer verinnerlichten und vereinfachten Christenheit eine neue Zeigefinger-Kraft hin zum gnädigen Gott erwachsen. Die Menschen in einer ganz und gar technisierten und politisch verplanten Welt werden im tiefsten Seelengrund einsam sein. Sie werden, wenn ihnen Gott entschwunden ist, ihre volle, schreckliche Bodenlosigkeit erfahren. In diese Verlorenheit hinein dürfen Christen auf den hinweisen, der die Antwort ist, nach der die Menschen im Verborgenen immer gefragt haben.

Darum bin ich zuversichtlich, dass die Kirche bleibt. Nicht die Kirche des politischen Kultes, nicht die Kirche der Moralapostel und nicht die Kirche des äußeren Reichtums. Bleiben wird die Kirche Jesu Christi. Ich vertraue auf den Heiligen Geist, der seine Gnade in fehlerhaften Christen und in befleckten christliche Gemeinschaften von neuem blühen lassen wird. Gott wird als Heimat und Quellgrund aufleuchten, der den Menschen Geborgenheit und Leben gibt und Hoffnung über den Tod hinaus.

PS. Diese evangelische Kirchenvision ist vom Katholiken Joseph Ratzinger, „Glaube und Zukunft“ (1971), inspiriert.

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