
Der Iran schließt die Straße von Hormus, die entscheidende Verkehrsader für den Ölexport aus dem persischen Golf. Diese Schlagzeile ging am Montag durch die Medien – am Ende war es zunächst nur ein Resolution des Mullah-hörigen Parlaments, keine Entscheidung des iranischen Regimes selbst.
Dennoch gingen Schockwellen durch die Finanzwelt. Man fürchtete massive Auswirkungen auf die globale Ölversorgung. Auch wenn Irans konventionelle Marine wohl ein leichtes Ziel für US-Luftschläge wäre, so hätte das Regime in Teheran dennoch viele Optionen, um die Durchfahrt durch die Meerenge für Öltanker zu riskant zu machen.
Etwa das Kapern von Tankern durch die hunderten kleinen Schnellbooten des Marine-Flügels der iranischen Revolutionsgarden, Raketenangriffe vom Land aus ebenso wie Drohnenangriffe wären möglich.
Eine ähnlich gefährliche Lage – aber auf einer weiteren Meerenge – herrscht jetzt schon im Roten Meer. Dabei hat man es da mit der Steinzeit-artigen Terrormiliz der Huthis zu tun, die nur einige halbwegs moderne Raketen haben. Wie wäre all das, wenn sich ein ganzer Staat, Irans islamischer Gottesstaat, hinter eine solche Guerilla-Blockade stellt?
Bisher blieb nun so eine Blockade aus. Europa hätte man damit viel Schaden zufügen können – aber dem engen Partner China ebenso. Denn eine Blockade dürfte Irans Öl-Exporte selbst quasi unmöglich machen. Und würde dann das Reich der Mitte treffen, das viel seines Öls aus dem Iran bezieht. Für die USA sieht es dabei in der Öl-Frage anders aus. Und zwar ganz anders als noch vor 10 oder 20 Jahren.
Entscheidend ist nämlich vor allem ein Wendepunkt, der unter Trumps Präsidentschaft 2020 stattfand: Die USA sind unabhängig von ausländischem Öl geworden. Dass Amerika Kriege im Nahen Osten, etwa im Irak, wegen Öl führt, ist ein gern erhobener Vorwurf. Und sicherlich spielte die Ölversorgung der USA auch bei all solchen Entscheidungen eine Rolle. Jetzt ist aber die Situation ganz anders.
Vor 20 Jahren, 2005, erreichte die Menge des in die USA importierten Rohöls einen Rekord von 13,7 Millionen Barrel pro Tag – und deckte damit fast zwei Drittel des US-Verbrauchs ab. Fast 60 Prozent des Imports kamen dabei aus OPEC-Ländern oder anderen Ländern am Persischen Golf.
Seitdem hat sich einiges getan. Die Schieferöl-Produktion in den USA – bekannt unter dem Schreckbegriff „Fracking“ – ist in die Höhe geschossen. Und so überstiegen 2020 erstmals die US-Exporte die Öl-Importe des Landes. Inzwischen hat sich der Trend nur verstärkt. 2022 exportierten die USA bereits mehr als eine Million Barrel Rohöl mehr, als sie importierten.
Und was sie importieren, kommt dazu noch primär aus dem Nachbarstaat Kanada, inzwischen mehr als die Hälfte der US-Ölimporte. OPEC und Persischer Golf machen nur noch etwa ein Viertel der Importe aus. Und selbst importieren müssten die USA rein aus Mengengründen gar nicht mehr.
„Energy independent“ – zu Deutsch „energieunabhängig“ – sind die USA so unter Trump geworden, wie der alte und neue US-Präsident immer wieder betont. In Deutschland wird das Thema mitunter nur als Teil von Trumps abgedrehten Sprüchen wie etwa „Drill, Baby, Drill“ („Bohr, Baby, Bohr“) wahrgenommen. Dabei hat diese durch das verteufelte Fracking gebrachte Veränderung auch die geopolitischen Karten für die USA neu gemischt.
Mit völlig neuem Selbstbewusstsein kann seine Regierung so auf die Lage im Nahen Osten schauen. Iranische Drohungen, die für den Öltransport wichtige Straße von Hormus zu schließen, haben auf einmal – zumindest für die USA – deutlich weniger Gewicht. Klar ist, Öl ist immer noch ein Faktor, aber wenn man als Nation selbst genügend für den eigenen Verbrauch fördert, wird es immer mehr zum Nebenschauplatz.
Nur noch die ganz großen Fragen, wie eben etwa ein potenzieller iranischer Erwerb von Atomwaffen, werden dann wirklich für die USA kritisch. Auf lange oder kurze Sicht ist damit geostrategisch auch der Grundstein gelegt für weniger direkte US-Involvierung in den Konflikten der Region.
Man kann dort entscheidend zuschlagen, das zeigte Trump jetzt auch mit seinem Angriff auf iranische Atomanlagen – muss es aber eben nicht des Öls wegen. Und selbst die B-2-Bomber bei jenen Angriffen setzen dafür nie Fuß in einem anderen Land als Amerika mit einem über 30-stündigen Dauerflug vom US-Bundesstaat Missouri aus.
Europa hingegen – und auch das warnte Trump bereits vor dem Ukrainekrieg – hat es ganz anders. War und ist massiv energieabhängig vom Ausland. Lange Zeit eben sogar noch von Gas aus Moskau, obwohl man da schon auf Konfrontationskurs stand.
Auch in Europa ist Schieferöl-Förderung möglich, wenn auch nicht in US-Ausmaßen. Denkbar wäre es aber, an anderen Stellen mehr Energie heimisch zu gewinnen, statt zu importieren: Etwa die Energienutzung von importiertem Gas (jetzt per LNG) durch Atomstrom zu ersetzen – was durchaus möglich wäre.
Im Vergleich wird vor allem deutlich: Der Unterschied ist zum großen Teil auch der amerikanische Wille, die eigenen Abhängigkeiten in der Energieversorgung massiv herunterzufahren und zu eliminieren. Den scheint es in Europa kaum zu geben oder wenn, dann subventioniert man unter diesem Banner massiv in Erneuerbare, die dennoch zu teuren Strom liefern.