Die lebloseste Regierung aller Zeiten

vor 16 Tagen

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Bildquelle: Apollo News

„Die SPD macht immer Inhalte zuerst, dann Personal“, sagt Lars Klingbeil bei Paul Ronzheimer, ohne rot zu werden. Über die Frage, ob er Finanzminister wird, habe er sich noch keine Gedanken gemacht. Es sind Sätze wie diese, die einen ins Grübeln bringen. Denn niemand kann wirklich der Meinung sein, dass das jemand glaubt. Sie sagen es trotzdem. Klingbeil ist jetzt der mächtigste Politiker dieses Landes – und so farblos, dass er sogar Olaf Scholz unterstrahlt. Auch das ist eine politische Botschaft: Selten war Charisma offenbar so egal wie heute.

Der Durchmarsch von Lars Klingbeil in einer zunehmend sinkenden Partei über Jahre an die Spitze der Macht ist auch ein Triumph des Parteisoldatentums und zeigt, was man als primäres Bollwerk gegen den Populismus in Stellung bringt: den Polit-Bürokraten. Klingbeil ist ein Meister der Gremien und Kommissionen, er ist virtuos im Balancieren aller Interessen und im Verhandeln – Arbeitskreise statt Arbeiterklasse. Politisch hat er nicht viel zu sagen. Auch diese Stilentwicklung ist symptomatisch. Während allseits das Brennen der Welt in einer vermeintlich prä-apokalyptischen Krise beschworen wird, richtet sich der Blick des politischen Berlins so sehr auf sich selbst wie noch nie.

Es wird egaler, was die Menschen wählen, schließlich sind sowieso fast alle Lager am Ende in einer Koalition. Wie stark eine Partei ist, hat innerhalb der Koalitionsverhandlungen nicht wirklich eine Bedeutung. Die SPD ist wesentlich schwächer als bei ihren letzten GroKo-Eintritten, trotzdem kriegt sie mehr Ministerposten – weil sie in jenem festgefahrenen Koalitionspoker hinter der Brandmauer schlichtweg alle Karten in der Hand hat. Es ist eine interessante Neuverteilung der Macht in dieser Kompromissbürokratie. Und in aller Hektik wird es irgendwie ruhiger, berechenbarer – und der Lars ist der Divisor.

Am Ende muss man sich sowieso an einen Tisch setzen, man kann nicht ohneeinander, und dann macht man eben das, was man immer macht. Und nichts anderes ist dieser Koalitionsvertrag: ein paar Rentengeschenke an SPD und CSU, ein paar halbe Migrationsgassenhauer für die Union, Mindestlohn und Subventionen und ein paar nette Sätze zu Europa.

Im Spiegel berichten SPD-Verhandler hämisch, Merz hätte in den Verhandlungen manchmal wie „ein Opa“ gesessen, mit seinen Gedanken ganz weit weg – bei Macron und der internationalen Politik. Man sagt in Berlin, Merz habe vor allem schnell machen wollen in den Verhandlungen und dafür lieber ein bisschen mehr in Kauf genommen. Man kann das als staatstragend verstehen: die Ukraine, die Neuordnung des Westens, Kriegsgefahr, Eskalation in der Auseinandersetzung mit China. Aber man kann das Entschweben des Friedrich Merz von der harten Realität einer in manchen Teilen aussichtslosen Verhandlungssituation auch als Tagtraum verstehen – man entflieht in die gewichtige Welt der internationalen Politik, aus der man allerdings bis dato vor allem die Legitimation für die eigene Machtpolitik ableitet.

Man hat vorgeblich für die Ukraine bis dato viel getan: Rekord-Schulden für Infrastruktur, beschleunigte Regierungsbildung, Abweichen von Wahlversprechen wegen einer veränderten Lage. Nur eines fehlt in diesem Koalitionsvertrag: ernsthafte politische Maßnahmen in den ja so wichtigen internationalen Fragen. Beispielsweise ist dort eben keine erhebliche und konkrete Aufrüstung der Bundeswehr festgeschrieben. Es wirkt mehr und mehr, als wäre die Ukraine nicht der Grund für die neue Einheitsrhetorik dieser Koalition, sondern ihr Vorwand.

Nimmt man alles weg, so bleiben vor allem viele Erklärungsversuche für eine Koalition, die so machtpolitisch und parteitaktisch durchdrungen ist wie seit Jahren nicht mehr – dekoriert mit den gekünstelt radikalen Ausläufern von Juso-Chef Türmer und den verhallenden Mahnungen von JU-Chef Winkel. Doch die Zahnräder zweier Machtparteien laufen fast schon geräuschlos. Ihre größte Sorge ist, ob etwas aus den Verhandlungen nach außen dringt – es gelingt sogar, das abzuschalten. In aller Ruhe schneidet man den Kuchen auf. Der Atem dieser neuen Regierung ist kalt und ruhig – man will die AfD offenbar nicht mehr jagen, sondern sie voll der Langeweile einschläfern.

Die Ampel verkaufte eine Vision, die scheiterte. Diese Regierung ist von Tag eins dabei, ihre Zeit abzusitzen.

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