Die Regierung ist so zerstritten, dass Merz die AfD als Mehrheitsbeschaffer ins Gespräch bringt

vor etwa 2 Stunden

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Zuerst rieben sie sich an der Unionsbasis nur die Augen. Inzwischen wächst die Angst. Was treibt diese Bundesregierung da in Berlin? Was treibt der Kanzler? Wer sich allein die markanten Zitate des zurückliegenden Wochenendes vor Augen führt, für den werden die Ahnungen von der brennenden Koalitions-Hütte rasch zur Gewissheit.

„Wir können uns dieses System, das wir heute so haben, einfach nicht mehr leisten“, ruft Kanzler Friedrich Merz (CDU) in den applaudierenden Saal des Landesparteitags der NRW-CDU. „Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse. So wie es jetzt ist, insbesondere im sogenannten Bürgergeld, kann es nicht bleiben und wird es auch nicht bleiben.“ Da hat er recht, doch wenn man weiß, wie sensibel der eigene Koalitionspartner bei diesem Thema ist, geht man vielleicht nicht auf offener Bühne in den Nahkampf.

Die Antwort kam postwendend von Sozialministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas, und sie kam heftig: „Diese Debatte gerade, dass wir uns diese Sozialversicherungssysteme und diesen Sozialstaat finanziell nicht mehr leisten können, ist – und da entschuldige ich mich jetzt schon für den Ausdruck – Bullshit!“

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Und Co-SPD-Chef, Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil lässt seinen Regierungschef beim Thema Steuererhöhungen in der ARD vor laufender Kamera eiskalt auflaufen: „Ich bin gespannt, welche Ideen der Bundeskanzler und andere dann noch haben, um eine 30-Milliarden-Lücke zu schließen.“ Botschaft: Bin gespannt, was der Herr Bundeskanzler vorschlägt! Soll nur kommen. Viel respektloser kann man mit einem Kanzler als Minister nicht umgehen.

Das Dramatische an diesen Szenen einer nach 120 Tagen bereits zerrütteten Ehe ist noch nicht einmal der Streit an sich, den man nach dem Ampel-Desaster eigentlich hatte vermeiden wollen, es ist das völlig kopf- und konzeptlose Vorgehen von Merz, der in den Spitzen von CDU, CSU und der gemeinsamen Unionsfraktion inzwischen nur noch Ratlosigkeit hinterlässt. „Warum schraubt Merz öffentlich die Erwartungen an die Sozialreformen in eine Höhe, die wir mit der SPD nie und nimmer erreichen können“, sagt ein CDU-Mann zu NIUS. „Gerade fliegen uns die Grenzen-dicht- und Abschiebe-Sprüche aus dem Wahlkampf um die Ohren, demnächst werden die Ansagen zum Bürgergeld in Dauerschleife laufen und der Union die nächste Bettvorleger-Landung bescheren.“

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil lässt seinen Regierungschef beim Thema Steuererhöhungen in der ARD vor laufender Kamera eiskalt auflaufen: „Ich bin gespannt, welche Ideen der Bundeskanzler und andere dann noch haben, um eine 30-Milliarden-Lücke zu schließen.“

Im ZDF-Sommerinterview begegnet man dann auch einem sichtlich genervten, dünnhäutigen, ja beleidigten Kanzler. „Frau Zimmermann, ganz offen gestanden: Ich bin mit der Beschreibung nicht einverstanden“, geht er die Journalistin an. „Es clasht nicht. Ich weiß auch nicht, warum sie jetzt das dritte Mal danach fragen …“ Dann erklärt er die Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, Diana Zimmermann, beim Thema „Aktivrente“ für dumm: „Ich vermute mal, Sie – genauso wie viele Zuschauer – wissen gar nicht, was das ist“, zweifelt ihre Kompetenz an („Ich weiß nicht, welche Welt Sie in Berlin wahrnehmen“) und beschwert sich schließlich über Fragen, die ihm nicht passen: „Ich wundere mich offen gestanden darüber, dass wir jetzt schon minutenlang über dieses Thema sprechen, obwohl wir so viele andere Themen in der Welt haben, die uns eigentlich mehr beschäftigen müssten.“

Vielleicht kam Merz sein Sommerinterview von 2023 wieder in den Sinn, als er davon sprach, dass die Union selbstverständlich auf der kommunalen Ebene mit der AfD kooperiere, wenn es sinnvoll sei. Einen Tag später musste er die Aussage unter massivem Gegenwind aus den eigenen Reihen bei dpa wieder einsammeln.

Diesmal geht es nicht mehr um Ortsumgehungen oder Zebrastreifen im Stadtrat, sondern um Stimmen von der AfD, auf die er im Deutschen Bundestag angewiesen ist. Gleich zweimal erwähnt Merz, dass etwa bei der Wahl der Verfassungsrichter Stimmen „von der AfD oder der Linkspartei“ gebraucht werden. Bei der geplanten Reform der Schuldenbremse bringt er die AfD sogar selbst ins Spiel, obwohl Zimmermann lediglich nach der Linken gefragt hatte. Es sei doch ganz normal, dass man etwa im Ältestenrat mit AfD und Linkspartei die Tagesordnung abstimme, so Merz. Die Zusammenarbeit ist also normal? Leider keine Nachfrage der Moderatorin.

Und auch Merz’ Kommentierung der Lage am Montag lässt wenig Raum für Hoffnung: „Meine Feststellung bleibt richtig“, sagt er trotzig beim sogenannten Antrittsbesuch in Düsseldorf. Den Konter von Bas nimmt er ganz offensichtlich nicht besonders ernst: „Ich lege solche Worte nicht auf die Goldwaage. (…) Insbesondere wenn man bei den Jusos spricht …“  Dass es sich tatsächlich um Überzeugungen handeln könnte, erscheint ihm offenbar wenig wahrscheinlich.

Lesen Sie auch von Ralf Schuler:Zehn Jahre „Wir schaffen das“: Warum der berühmteste Merkel-Satz schon immer Unsinn war

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