Die Scharia bezeichnen sie als „Way of life“: So tief stecken die neuen Zensoren im Islamismus-Sumpf

vor 6 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Seit Oktober ist die Meldestelle „REspect“ von der Bundesnetzagentur als Trusted Flagger zugelassen. Das bedeutet, dass Meldungen von „Hass und Hetze“, die über die Meldestelle getätigt werden, prioritär von den digitalen Plattformen bearbeitet werden müssen. NIUS hatte aufgedeckt, dass der Leiter von „REspect“, Ahmed Gaafar, auf seinem Profilbild mit einem Hamas-Unterstützer posierte. Studiert hatte Gaafar an der Universität Al-Azhar in Kairo, die Kritikern als Brutstätte des Islamismus gilt. Bevor Gaafar die Meldestelle leitete, war er für die Fachstelle „PREvention“ zuständig und verfasste ein Glossar über islamische Begriffe.

Recherchen von NIUS zeigen nun, dass die Fachstelle „PREvention“, die wie „REspect“ zur Jugendstiftung Baden-Württemberg gehört, seit Jahren Inhalte publiziert, die Islamismus verharmlosen.

So erschien 2016 eine Broschüre zum Thema „Begriffe und Konzepte aus dem Spannungsfeld Islam“ – offenbar ein Vorläufer jener Broschüre, die Ahmed Gaafar 2021 verfasste. Die Ausgabe von 2016 geht auf Jens Ostwaldt zurück, wie die Jugendstiftung Baden-Württemberg auf NIUS-Anfrage mitteilt. Ostwaldt baute damals die Fachstelle „PREvention“ auf. Gefördert wurde die Broschüre über das Sozialministerium Baden-Württemberg und das Programm „Demokratie leben“ des Bundesfamilienministeriums.

Das Glossar der Jugendstiftung Baden-Württemberg.

Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Glossars – dem 2. September 2016 – war der islamistische Terror in Europa omnipräsent. In Frankreich waren im November 2015 an einem Tag 130 Menschen von Islamisten getötet, über 350 verletzt worden. In Deutschland hatten Islamisten im Jahr 2016 im Februar in Hannover, im Juli in Würzburg und Ansbach insgesamt zwanzig Menschen teils schwer verletzt. Islamismus war zu dieser Zeit also kein unbekanntes, sondern ein verbreitetes Phänomen. Und dennoch erscheint es im Glossar der Jugendstiftung, als wollte der Autor die Islamisten geradezu verteidigen.

Die Broschüre liest sich wie eine Fibel des legalistischen Islamismus, jener Strömung des Islamismus also, die nicht durch Gewalt, sondern auf legalem Wege Einfluss auf Politik und Gesellschaft nehmen will. So wird die Scharia wie folgt erklärt: „Scharia bedeutet im Arabischen ‚Weg zur Wasserstelle‘, ‚deutlicher, gebahnter Weg‘ oder ‚der richtige Weg‘ und wird im religiösen Kontext als göttliche Rechtleitung verstanden. Das Konzept findet im Sprachgebrauch eine sehr unterschiedliche Verwendung, was oft zu Missverständnissen führt.“

Glossar-Autor Jens Ostwaldt.

Zwar würde die islamische Gesetzgebung im Namen der Scharia, etwa beim Ehe-, Scheidungs-, Erb- und Strafrecht, teilweise Menschen- und Grundrechten widersprechen. Dass der Begriff Scharia in Deutschland allerdings mit Körperstrafen, wie sie im Iran oder in Saudi-Arabien praktiziert werden, in Verbindung gebracht werde, sei eine Fehlinterpretation – die Scharia sei für die meisten Muslime vielmehr eine religiöse Richtschnur:

„Scharia in diesem weiten Sinne dient Muslimen als eine Art ‚Way of life‘ und wird dementsprechend auch in die religiöse Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen übernommen. Die in der deutschen Öffentlichkeit vielfach vorgenommene Verkürzung der Scharia auf Bestrafungsaspekte bietet insbesondere der islamistischen Szene vielfache Ansatzpunkte, da sie den Begriff hauptsächlich als Reduzierung auf ein islamisches Gesetzbuch verstanden haben will.“

Die Scharia als „Way of life“, die man nicht kritisieren darf, weil man dadurch Islamisten stärkt – eine solche Verdrehung der Tatsachen verleugnet die Gewalt des Islamismus: Denn im Namen der Scharia werden in islamischen Ländern bis heute Steinigungen, Auspeitschungen oder Hinrichtungen durchgeführt, Dieben wird die Hand angehackt, Frauen werden unter das Kopftuch oder die Burka gezwungen.

Eine Fatwa wiederum ist laut dem Glossar ein „‚Rechtsgutachten‘ eines islamischen Rechtsgelehrten“, der versucht, „Lösungen für Probleme und Antworten auf Fragen zu finden, die eine sich ständig wandelnde Gesellschaft mit sich bringt.“ Dass der Schriftsteller Salman Rushdie oder der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Glossars seit Jahren unter Polizeischutz lebten, weil eine Fatwa zu ihrer Ermordung aufgerufen hatte, lässt das Glossar unerwähnt.

Seit einem islamistischen Anschlag 2022 ist Salman Rushdie auf einem Auge erblindet.

Auch beim Thema Dschihad sieht das Glossar Missverständnisse am Werk: „Dschihad steht im Arabischen für eine ‚Anstrengung‘, ‚Bemühung‘ oder den ‚Einsatz für ein bestimmtes Ziel‘. Als theologisches Konzept bezeichnet es jegliche Bemühung ‚auf dem Wege Gottes‘, die zur Frömmigkeit des Akteurs beitragen könnte. Diesem positiven Verständnis des sogenannten Großen Dschihads ist es geschuldet, dass sich immer wieder muslimische Eltern entscheiden, ihrem Sohn den Namen ‚Cihad/t‘ zu geben.“

Die islamische Rechtstradition kenne zwar auch den „Kleinen Dschihad“, bei dem es sich um eine „Form des Krieges zur Verteidigung des islamischen Herrschaftsbereiches oder zu dessen Erweiterung“ handle. Das Glossar weiß aber: „Obwohl dieser Aspekt des Begriffs in erster Linie historisch relevant ist und von den meisten Muslimen als nachrangig aufgefasst wird, dominiert im deutschen Diskurs ein Verständnis des Begriffs, das Dschihad mit ,Heiligem Krieg‘ gleichsetzt. Gleichzeitig bedient sich auch die islamistische Rhetorik dieser einseitigen Bedeutungszuweisung. So hat sich dieses Begriffsverständnis auch gegenüber den innermuslimischen Definitionsversuchen durchsetzen können.“

In der Darstellung des Glossars kämpfen also der deutsche Diskurs und Islamisten mit ihrer kriegerischen Definition von „Dschihad“ Seite an Seite gegen die friedliebenden Muslime im Land. In der Definition von Dschihadismus wird zwar darauf hingewiesen, dass bei seinen Anhängern auch „terroristische Methoden“ wie etwa Selbstmordattentate zum Einsatz kämen, allerdings betont das Glossar: „Während in deutschen Medien die Berichterstattung über dieses Phänomen einen großen Raum einnimmt, geht der Verfassungsschutz davon aus, dass aktuell unter 0,1 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime dem gewaltbereiten Spektrum zuzurechnen sind.“

Ähnlich kurios ist die Definition der Muslimbrüder im Glossar: „Die Muslimbruderschaft wurde 1928 in Ägypten gegründet und war ein Versuch, aus dem muslimischen Glauben heraus eine alternative Lösung für die Herausforderungen der (westlichen) Moderne zu finden. Die Entstehung der Bewegung war Phänomen eines umfassenden Krisenbewusstseins, das sich unter anderem an der damaligen kolonialen Fremdbestimmung Ägyptens durch die Briten nährte.“ Insgesamt wird im Glossar großes Mitgefühl für die Muslimbrüder ausgedrückt: „Die Tatsache, dass die Gruppierung in Ägypten über Jahrzehnte politischen Repressionen ausgesetzt war, bedingte ihre stetige Radikalisierung.“ Dass die Muslimbruderschaft vom Verfassungsschutz beobachtet wird, erfährt der Leser nur im Nebensatz, wobei es auf ihn wirken muss, als gebe es für die Beobachtung keinen Grund: „In Deutschland ist die Organisation vor allem im missionarischen Bereich (Dawa) aktiv.“

Über Salafismus heißt es im Glossar fast werbend: „Attraktiv macht die Bewegung dabei insbesondere für Jugendliche, dass sie in Zeiten, in denen traditionelle Identitäten immer mehr hinterfragt werden, mit festen Regeln und Rollenbildern ein eindeutiges Weltbild, das auf zwei Polen beruht, und einen klaren Orientierungsrahmen bietet.“ Weiter schreibt Ostwaldt: „Die Strömung definiert sich selbst über den Anspruch, die islamische Lehre und Praxis von vermeintlich ,unislamischen‘ Neuerungen zu reinigen. Dies führt z. B. zur Bekämpfung populärer muslimischer Praktiken wie der Heiligenverehrung, die sich unter anderem in der Einebnung aller Grabanlagen in Saudi-Arabien niederschlug.“ Die Bekämpfung anderer Muslime wird also als Hauptgefahr des Salafismus dargestellt – dabei haben es Salafisten in Deutschland vor allem auf den westlichen Lebensstil abgesehen, den sie mit allen Mitteln bekämpfen.

Allahu-Akbar ist laut Glossar ein Ausruf, der „in Momenten der Spannung und starken Emotionen“ sowie „in Augenblicken des Erstaunens“ gerufen werde. „Gründe für den Ausruf durch Jugendliche können darüber hinaus z. B. ein sprachlicher Automatismus, der Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit oder Provokation sein.“ Unterschlagen wird, dass ein Jahr vor Erscheinen des Glossars zehn Menschen in der Redaktion von Charlie Hebdo und allein 90 Menschen im Pariser Club Bataclan unter genau jenem Ausruf von islamistischen Terroristen ermordet worden waren.

Jede islamistische Strömung wird also im Glossar von Jens Ostwaldt verharmlost oder als Opfer dargestellt. Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ), das das Glossar förderte, schreibt auf Anfrage von NIUS: „Publikationen, die im Rahmen von Zuwendungen entstehen, stellen keine Meinungsäußerung des BMFSFJ dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autoren Verantwortung.“

Es handelt sich bei dem Glossar jedoch nicht um das einzige Machwerk der Fachstelle „PREvention“, das darauf hinweist, wie sehr deren Mitarbeiter Islamismus verharmlosen. Im Mai 2015 kritisiert Wolfgang Antes, Geschäftsführer der Jugendstiftung, in einem von der Stiftung herausgegebenen Aufsatz den Begriff Islamismus: „Das Wort Islamismus baut die mentale Brücke, medial als propagandistische Autobahn ausgebaut, es schafft den Raum für einen Generalverdacht gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern muslimischen Glaubens und nötigt ihnen eine Kollektivschuld auf, für die sie sich vorgeblich zu entschuldigen haben. Was für ein Irrsinn. Das Wort Islamismus ist obszön. Es sollte aus dem deutschen Sprachgebrauch gestrichen werden.“

Wolfgang Antes ist heute Geschäftsführer der Jugendstiftung.

Auch der Begriff „antimuslimischer Rassismus“ ist auf der Website der Stiftung immer wieder zu finden. Dabei handelt es sich um einen links-aktivistischen Begriff, der oftmals dazu eingesetzt wird, Kritiker des Islam als Rassisten zu brandmarken.

Es ist also kein Zufall, dass die Jugendstiftung sich offenbar nicht daran stört, dass der Leiter ihrer Meldestelle Gaafar mit einem Hamas-Unterstützer posiert. Auch die Bundesnetzagentur hält weiter an „REspect“ fest...

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