Die seltsame Finanzstruktur von Correctiv: Woher kommt das Geld?

vor 2 Tagen

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Bildquelle: NiUS

NIUS-Kolumnist Markus Brandstetter beleuchtet in einer zweiteiligen Serie die Strukturen von Correctiv. Von wem erhält das Portal sein Geld? Und welche Merkwürdigkeiten finden sich in den Bilanzen des Unternehmens?

Wir befinden uns im Jahre 2025 n. Chr. Ganz Deutschland ist von rechten Netzwerken besetzt, die den Bürger durch Fake News benebeln und durch Desinformation verwirren wollen. Ganz Deutschland ...? Nein! Ein unbeugsames Dorf von Faktencheckern leistet dem Eindringling weiterhin entschlossenen Widerstand. Was tut dieses aufrechte Kollektiv namens Correctiv, das sich in einem der schönsten Winkel des Ruhrgebiets (Essen-Südviertel) niedergelassen hat? Es folgt einer hehren Mission: Correctiv deckt Missstände auf, bekämpft Desinformation und stärkt die Demokratie. (Correctiv über Correctiv). Und zwar schon seit 2014.

Zehn paradiesische Jahre lang werkelten die Correctiv-Journalisten daraufhin emsig, beflissen und voller Elan an der Aufklärung der Bürger und der Stärkung der Demokratie. Dann aber tauchten Probleme auf. Auf einmal gibt es Kritik an den Faktencheckern. Correctiv wird vorgeworfen, bei wichtigen Recherchen – etwa zum Potsdamer Treffen (ein Treffen konservativer Kreise 2023, bei dem über Strategien zur Rückführung von Migranten diskutiert wurde) – Fakten und deren Interpretation nicht klar zu trennen und damit eine Dramatisierung zu betreiben. Dies wurde von seriösen Zeitungen wie der FAZ, Medienexperten, aber auch Gerichten inzwischen wiederholt beanstandet.

Der Bericht von Correctiv über ein Treffen im Landhaus Adlon in Potsdam löste eine Welle der Empörung aus.

Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens die Recherchemethoden der unbestechlichen Faktenchecker; und zweitens ihre wirtschaftliche Situation. Der erste Punkt wurde bereits angerissen: Die Correctiv-Journalisten trennen nicht immer sauber zwischen Fakten und Meinungen. Sie sind also in eine altbekannte Falle getappt, die Hegel bereits 1807 in der Einleitung zur Phänomenologie des Geistes so benannt hat: „Denn ist das Erkennen das Werkzeug, sich des absoluten Wesens zu bemächtigen, so fällt sogleich auf, daß die Anwendung eines Werkzeugs auf eine Sache sie vielmehr nicht läßt, wie sie für sich ist, sondern eine Formierung und Veränderung mit ihr vornimmt.“

Sollten die Correctiv-Leute Hegel nicht von A bis Z gelesen haben, dann wären sie auch bei Jürgen Habermas fündig geworden, der 161 Jahre nach Hegel das Problem in seinem neomarxistischen Klassiker Erkenntnis und Interesse nochmals aufgerollt hat. Habermas schreibt sinngemäß: Interessen leiten die Konstitution der Gegenstände, an denen sich die Erkenntnis orientiert. Ist das immer noch zu kompliziert für die unbeugsamen Bewohner des Essener Recherchedorfes, dann lässt sich das Problem auch so beschreiben: Das Interesse, das einer daran hat, einen Sachverhalt durch eine Untersuchung (oder einen Faktencheck) zu erkennen, verleitet ihn dazu, den Gegenstand zu verändern.

So etwas wie eine objektive Erkenntnis, sagt Habermas, gibt es nicht. Das Einzige, was ein Wissenschaftler (oder Faktenchecker) tun kann, ist es, sich der subjektiven Voraussetzungen seiner Erkenntnis bewusst zu werden, um durch kritische Selbstreflektion Objektivität wenigstens anzustreben. Aber auch das funktioniert nur dann, wenn die Recherche, wie Tacitus im Vorwort zu den Annales schreibt, sine ira et studio (ohne Zorn und Eifer) durchgeführt wird. Und genau daran hapert es bei Correctiv mitunter: Das Erkenntnisinteresse hinter vielen Correctiv-Untersuchungen scheint nicht selten von Zorn und Eifer geprägt. Sowas tut der Sache nicht gut.

Aber das ist nicht mein Erkenntnisinteresse hier und heute. Mich interessiert etwas anderes - etwas, das sich mit der Devise „Follow the money“ zusammenfassen ließe. Der Grund dafür ist klar: Auch der unbeugsamste Widerstand gegen Desinformation, schwindende Demokratie und grassierende Fake News kostet Geld. Recherchen müssen finanziert, Journalisten bezahlt und die Ergebnisse dann an den Mann gebracht werden. Doch wo kommt das Geld dafür her? Was passiert damit? Und wie lange reicht es noch?

Justus von Daniels ist der Chefredakteur von Correctiv.

Seit 2014 hat Correctiv gemäß eigener Darstellung insgesamt rund 33,3 Millionen Euro an Mitteln erhalten (einschließlich der von mir auf Basis der Einnahmen von 2024 extrapolierten Mittelzuflüsse für das Jahr 2025). Diese Zuflüsse verteilen sich auf drei Hauptquellen: 13,8 Millionen Euro stammen aus Zuwendungen von Stiftungen wie der Brost-Stiftung, der Schöpflin Stiftung, der Stichting Adessium (eine niederländische Stiftung zur Förderung von Demokratie, Nachhaltigkeit und Medienvielfalt), der Luminate Foundation (gegründet von Pierre Omidyar, dem Gründer von eBay) und der Stiftung Mercator.

Die mit Abstand drei größten Förderer von Correctiv zwischen 2014 und 2024 waren die Brost-Stiftung mit insgesamt 4,48 Millionen Euro (rund 13,5 Prozent der Gesamteinnahmen), die Schöpflin Stiftung mit 2,21 Millionen Euro (6,6 Prozent) sowie die Stichting Adessium mit 927.000 Euro (2,8 Prozent) – zusammen steuerten diese drei Großspender rund 22,9 Prozent aller Mittel zur Finanzierung bei.

Weitere 3,5 Millionen Euro (10,5 Prozent) kamen von anderen Organisationen und öffentlichen Stellen, darunter etwa die Bundeszentrale für politische Bildung, die Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, die RAG-Stiftung sowie internationale Förderinitiativen wie die European Climate Foundation (eine europaweit tätige Stiftung zur Förderung von Klimaschutzpolitik und Energiewende).

Auch internationale Tech-Konzerne und öffentlich-rechtliche Medien wie ARD und ZDF haben Correctiv im Zeitraum von 2015 bis 2024 mit projektbezogenen Zuwendungen unterstützt: So flossen rund 370.000 Euro von Google/Alphabet, etwa 330.000 Euro von der Deutschen Telekom Stiftung, 156.200 Euro aus Kooperationen mit öffentlich-rechtlichen Sendern wie dem NDR und MDR, 108.009 Euro im Rahmen des Faktencheck-Programms von Meta/Facebook, 27.000 Euro von Twitter/X und 11.000 Euro vom ZDF.

Zusammengenommen stellten diese Unternehmen und Einrichtungen Correctiv Fördermittel in Höhe von 964.534 Euro (2,9 Prozent) zur Verfügung – meist zweckgebunden für Bildungsangebote, Faktenchecks oder barrierefreie Medienprojekte.

Ergänzt wurden diese Einnahmen durch beeindruckende 15,2 Millionen Euro (45,1 Prozent) an Spenden von Privatpersonen und sonstigen Drittmitteln; als größere Einzelunterstützer traten dabei beispielsweise die GLS Treuhand (ein gemeinnütziger Zweig der GLS Bank zur Förderung von zivilgesellschaftlichen und ökologischen Projekten) und verschiedene private Förderkreise auf – u. a. das Netzwerk Recherche, die Spendenplattform betterplace.org und der Freundeskreis der Rudolf Augstein Stiftung.

Correctiv finanziert sich damit überwiegend aus einer Mischung von privaten Stiftungen, staatlichen Förderprogrammen und Bürgerunterstützung.

Seit über 10 Jahren existiert das Rechercheportal.

Correctiv hat sich in zehn Jahren auf eine große Bandbreite gesellschaftlicher Themen konzentriert und dabei besonders Skandale, politischen Konservatismus (der meist als Rechtsextremismus bezeichnet wird), Korruption sowie Entwicklungen im Gesundheitswesen und Bildungssystem untersucht. Ihre Recherchen – etwa zum Cum-Ex-Steuerbetrug, Missbrauch in der katholischen Kirche oder zu mafiösen Strukturen in Deutschland – zeichnen sich zwar grundsätzlich durch Sorgfalt und die daraus destillierten Berichte durch leichtes Deutsch aus, folgen aber fast immer einer klar erkennbaren Grundhaltung: Während rot-grüne Politik, Energiewende und Migration so gut wie immer als positiv dargestellt werden, gelten Konzerne, Immobiliengesellschaften und Banken als suspekt, konservative Institutionen wie die katholische Kirche als problematisch und konservative Politik (und Politiker) als „fragwürdig“ – um kein schlimmeres Adjektiv zu verwenden.

Themen, die für die große bürgerliche Mitte relevant wären – etwa Steuergerechtigkeit, Gefahren linker Extremisten, das Spannungsfeld aus Islam, Migration und Kriminalität, das Bahn-Desaster, Deutschlands marode Infrastruktur oder Fehler in der Energiepolitik – spielen bei Correctiv entweder gar keine Rolle oder sie werden lediglich dazu benutzt, der Mitte der Gesellschaft zu „beweisen“, dass sie Unrecht hat und das genaue Gegenteil dessen der Fall ist, was sie gerne glaubt.

So weiß Correctiv, dass viele der kursierenden Statistiken über Ausländerkriminalität verzerrt sind; dass die Angst vor einem Strom-Blackout in Deutschland unbegründet ist und Deutschland keineswegs die höchsten Strompreise auf der Welt hat, da so eine Betrachtung ja Kaufkraftvergleiche außer Acht lasse. Wohin ein solches Erkenntnisinteresse führt, hat der totale Strom-Blackout in Spanien und Portugal in der vergangenen Woche eindrucksvoll gezeigt: Aus ideologischer Voreingenommenheit gegenüber fossilen Energieträgern war es Correctiv bis dato unmöglich, die Gefahr eines landesweiten Blackouts in Deutschland infolge einer Netzüberlastung durch zu hohe Einspeisung aus Solar- und Windkraft bei gleichzeitiger fehlender Stabilisierung durch konventionelle Kraftwerke auch nur als Hypothese zuzulassen.

Kaum durchdachter ist die Einstellung von Correctiv zur Kernenergie. Monoton lehnen die Faktenchecker Atomkraft mit den Argumenten der 1970er-Jahre ab: Die Endlagerfrage sei noch immer ungelöst, die CO₂-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus sei fragwürdig, alte Reaktoren würden ohne aktuelle Sicherheitsüberprüfung betrieben, enorme Kosten und kaum versicherbare Risiken bestünden weiter, und Atomstrom behindere ja auch den Ausbau erneuerbarer Energien. Dass Länder wie die USA, Kanada, Großbritannien, China und Frankreich längst massiv in sogenannte Small Modular Reactors investieren – also kleine, seriengefertigte Reaktoren mit höherer Sicherheit, geringeren Kosten und kürzerer Bauzeit –, um den bereits heute absehbaren immensen Strombedarf von Rechenzentren und KI-Infrastruktur zu decken, ist noch nicht bis zu Correctiv vorgedrungen.

Durch dieses instrumentell verengte Erkenntnisinteresse (wir sind wieder bei Habermas, aber auch beim Adorno der Dialektik der Aufklärung) wirken viele Rechercheergebnisse von Correctiv vorhersehbar, weshalb sie wenig anderes tun, als ein linksliberales Weltbild wohltuend zu bestätigen – ohne es jemals zu hinterfragen.

Es mag sein, dass all die Stiftungen, Spender und Wohltäter, die an Correctiv im Lauf der Jahre Millionensummen überwiesen haben, genau das erhalten haben, was sie wollten. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass Correctiv wirklich Missstände aufdeckt, die Demokratie stärkt und Bürger besser informiert – es bedeutet eigentlich nur, dass die Lieblingsthemen der öko-sozialistischen Linken großzügig bedient werden. Ob allein das die Demokratie stärkt und den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ (Kant) voranbringt, wäre erst noch zu beweisen.

Lesen Sie im 2. Teil: Welche Geheimnisse stecken in den Bilanzen von Correctiv? Ist sogar die Gemeinnützigkeit in Gefahr?

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