Die Stromausfall-Analyse, die Sie in der Tagesschau ganz sicher nicht hören werden

vor etwa 5 Stunden

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Bildquelle: NiUS

Wie konnte es dazu kommen, dass große Teile Spaniens am Montag über viele Stunden hinweg keinen Strom hatten?

Selbst wenn am Ende ein kleineres Ereignis wie ein möglicher Brand in einem Werk in Frankreich final zum Blackout geführt haben sollte, ist klar: Spaniens Solar- und Windenergieexzess war das grundlegende Problem, das am Montag zu einem Stromausfall in weiten Teilen des Landes führte.

Das spanische Stromsystem ist durch den exzessiven Ausbau dieser Energieerzeugungsarten derart volatil, dass bereits das Ausfallen einer kleinen Stellschraube das ganze Land zum Erliegen brachte.

Die grafische Darstellung der spanischen Stromproduktion zeigt eindrücklich, was sich in jenen Mittagsstunden im spanischen Stromnetz zutrug:

Zum Zeitpunkt des Ausfalls herrschten im spanischen Netz um die 25 Gigawatt Leistung, die zu 60 Prozent aus Solar- und zu 20 Prozent aus Windenergie erzeugt wurden. 80 Prozent Erneuerbare also. Dann verschwanden urplötzlich 12 Gigawatt (Gelbe Linie). Der Grund: das Netz schaltete sich selbst ab. Wie es dazu kam, ist bislang noch nicht sicher geklärt. Eindeutig ist hingegen, dass es zum fraglichen Zeitpunkt eine Überproduktion an Solar- und Windenergie gab, die exportiert wurde – vermutlich nach Frankreich.

In der Grafik in Grün zu sehen ist die Leistung, die durch erneuerbare Energien erzeugt wurden:

In Frankreich soll es Medienberichten zufolge einen Brand in einem Verteilerzentrum gegeben haben, wodurch die 5 Gigawatt ruckartig abgekoppelt wurden. In der Folge drückten um die 20 Prozent der aktuellen Leistung urplötzlich ins spanische Netz zurück.

Es kam zu Spontan-Abschaltungen, denn Netzverteiler schalten sich automatisch ab, wenn die Abweichung von der gemeinsamen europäischen Netzfrequenz von 50 Hertz auf unter 49,9 sinkt bzw. auf über 50,1 Hertz steigt.

Genau hier liegt die Krux von Solar- und Windenergie: Sie können keine sogenannte „momentane Netzreserve“ bereitstellen, da sie nicht über „Schwungmassen“ verfügen, die im Stromnetz wie Puffer wirken und helfen, Schwankungen sofort auszugleichen.

Sie entsteht durch große, rotierende Generatoren in traditionellen Kraftwerken (wie Kohle- oder Atomkraftwerken), die schwere, drehende Teile – die sogenannten Schwungmassen – haben.

Wenn mehr Strom verbraucht als erzeugt wird (z.B. alle schalten den Fernseher ein), wird das Rad langsamer, gibt Energie ab und die Frequenz sinkt ein kleines bisschen (z.B. auf 49,9 Hz).

Wenn mehr Strom erzeugt wird, als verbraucht wird (Überproduktion), dreht sich das Rad schneller, speichert die überschüssige Energie, und die Frequenz steigt (z.B. auf 50,1 Hz).

Dieser Mechanismus passiert sofort und hält das Netz stabil, bis Kraftwerke ihre Produktion anpassen, also hoch- oder runterfahren können.

In Spanien allerdings wurden viele traditionelle Kraftwerke, die normalerweise puffern könnten, abgeschaltet und durch Solar- und Windenergie ersetzt. Zudem liegt das Land am Rand des europäischen Stromnetzes und ist nicht so stark mit anderen Ländern verbunden wie beispielsweise Deutschland, sodass es weniger Unterstützung von Nachbarländern bekommen kann, wenn die Frequenz schwankt und entsprechend schlechter überproduzierten Strom abführen kann. Bereits das Kappen einer Abführ-Möglichkeit genügte, um alles zum Einsturz zu bringen.

Der Journalist Michael Shellenberger hält auf X sogar ein Szenario für möglich, bei dem Spaniens Ausfall auf ganz Europa hätte übergreifen können. „Das ist wirklich verrückt: Ganz Europa scheint nur Sekunden von einem kontinentalen Stromausfall entfernt gewesen zu sein. Die Netzfrequenz in Kontinentaleuropa sank auf 49,85 Hertz – nur ein Haar über der roten Linie, die den Zusammenbruch verursacht“, schreibt er.

Er ist überzeugt: „Wäre die Frequenz nur um weitere 0,3 Hz – unter 49,5 Hz – gefallen, hätte es in Europa zu einem kaskadenartigen Stromausfall kommen können. Ab diesem Schwellenwert werden große Kraftwerke durch automatische Schutzrelais vom Netz getrennt, und der Zusammenbruch beschleunigt sich.“

Energie-Experte Fritz Vahrenholt hält ein derartiges Szenario für Deutschland zwar aktuell noch nicht für möglich. Die Ausgleichsmöglichkeiten durch konventionelle Kraftwerke seien im Moment noch funktionsfähig. Trotzdem warnte er am Dienstagmorgen bei NIUS Live: „Wenn wir weiter konventionelle Kraftwerke abbauen, könnte es in 5 Jahren schon ganz anders aussehen.“ Zudem, so Vahrenholt, „haben wir im Gegensatz zu Spanien mehrere Nachbarn, denen wir unseren überflüssigen Strom andrehen können. Wenn diese allerdings ebenfalls weiter ausbauen, weil die EU schon in wenigen Jahren einen Anteil an Erneuerbaren von 100 Prozent fordert, könnte das bald nicht mehr der Fall sein.“

Bei seinem Vortrag skizzierte der Professor damals ein Szenario, das er auch in Deutschland für durchaus realistisch hielt: An einem Pfingstsonntag haben wir typischerweise einen Bedarf, der bei etwa 40 Gigawatt (GW) liegt. Speisen alle Besitzer ihren Strom ins Netz ein, entsteht schnell eine Überspeisung. Da Photovoltaik aber nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa ausgebaut wird, können wir einen möglichen Überschuss nicht einfach in ein anderes europäisches Land abführen.

Mehr NIUS: Experte zu Photovoltaik-Ausbau: Habecks Pläne könnten schon bald zum Zusammenbruch der Netze führen

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