
Groß prangt das Porträt von FDP-Chef Christian Lindner auf dem Titel der aktuellen Spiegel-Ausgabe. Die fette Überschrift: „Der Täuscher“ („Wie Christian Lindner die FDP beherrscht und gefährdet“). Doch wer die jüngsten Texte des Hamburger Magazins über Lindner liest, kommt zu dem Eindruck, dass die „Täuscher“ in der Spiegel-Redaktion sitzen und nicht in der FDP.
Erster Rohrkrepierer ist die Titelgeschichte selbst, in der der Eindruck erweckt wird, Lindner habe mit seinem engen Vertrauten, dem jetzt zurückgetretenen FDP-Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann, während dessen Zeit im Bundesfinanzministerium irgendwie gemauschelt und diesem zu einträglicher Verbeamtung verholfen. Eine Behauptung, die schlicht falsch ist. Das müssen die Spiegel-Redakteure sehr schnell selbst einsehen und einen Nachsatz zumindest in der Online-Variante des Textes anhängen.
Der Titel des aktuellen Spiegel.
Wörtlich: „Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, Christian Lindner habe im Finanzministerium dafür gesorgt, dass sein Vertrauter Carsten Reymann verbeamtet worden sei. Tatsächlich wurde Reymann bereits Jahre zuvor in einem anderen Ministerium verbeamtet.“
So weit, so schlecht. Doch weil man sich offenbar schon einmal auf den FDP-Chef eingeschossen hat, legt der Spiegel am Wochenende gleich nochmal nach und macht Lindner völlig anlasslos bei einem Auftritt der TV-Gala „Ein Herz für Kinder“ zum herzlosen Geizhals. Dort hatte der vom Kanzler entlassene Finanzminister auf die Frage nach einer Spende gescherzt: „Sie kennen ja meine berufliche Situation ...“
Dirk Kurbjuweit, Chefredakteur des Spiegel, in einer NIUS-Version des aktuellen Titels.
Der Spiegel macht daraus: „Lindner knausert bei Spendengala“. In Wahrheit hatte der Liberale 2000 Euro gespendet, das Vierfache beispielsweise von SPD-Chef Lars Klingbeil, der 500 Euro gegeben hatte. Eine Dreistigkeit, die selbst Journalisten fassungslos macht, die nicht im Verdacht stehen, Lobsänger der FDP sein. Stern-Reporter Julius Betschka etwa twittert: „Lindner knausert, obwohl er viermal so viel spendet wie der SPD-Chef. Sein gar nicht soo schlechter Witz wird als ernste Aussage hingestellt. Manchmal zweifle ich schon.“
SPD-Chef Lars Klingbeil
Und auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki teilt gegen das „Nachrichtenmagazin“ aus: „Wenn Christian Lindner vor laufender Kamera das Vierfache spendet wie Lars Klingbeil, lautet die Schlagzeile beim Spiegel: ‚Lindner knausert‘. Falls sich jemand fragt, wie hoch der Tatsachengehalt des aktuellen Spiegel-Covers ist. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die NZZ herausgefunden hat, dass der Spiegel über Lindner negativer als über Frau Weidel berichtet, kann man nur von einem Kampagnenblatt sprechen.“
Lindner knausert, obwohl er viermal so viel spendet wie der SPD-Chef. Sein gar nicht soo schlechter Witz wird als ernste Aussage hingestellt. Manchmal zweifle ich schon. https://t.co/ifgOaHvDIB
Was folgt, ist der nächste Kotau der Spiegel-Redaktion. „Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es in der Dachzeile, Lindner habe bei der Spendengala ‚geknausert‘. Tatsächlich hat er mehr gespendet als beispielsweise SPD-Chef Klingbeil. Wir haben die Formulierung daher korrigiert. Außerdem haben wir im Vorspann deutlicher herausgestellt, dass wir Lindners Aussage ‚Sie kennen ja meine berufliche Situation …‘ als Witz verstehen.“
FDP-Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann.
„Sagen, was ist“, steht als Redaktionsmotto im Hamburger Stammhaus des Spiegel. Ein Zitat, das ursprünglich von der Kommunistin Rosa Luxemburg stammt und später Spiegel-Gründer Rudolf Augstein zugeschrieben wurde. Vielleicht wäre mitunter auch Pippi Langstrumpf als Zitatspender passender ...
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