
Ist die „Tagesschau“ noch ein Nachrichtenformat?
Rein formal gibt es keinen Zweifel. Die 15-minütige Hauptausgabe um 20 Uhr enthält Nachrichten. Der Norddeutsche Rundfunk produziert für das Erste eine Abfolge von Beiträgen, die das tagesaktuelle Geschehen abbilden oder zumindest bebildern. Dennoch ist die „Tagesschau“ kein Nachrichtenformat mehr. Sie liefert keine objektiven Einblicke in die Welt, wie sie ist. Die „Tagesschau“ bastelt sich eine eigene Welt. Die „Tagesschau“ ist aktivistisch, nicht berichtend. Sie belehrt, statt zu informieren.
Die aktuelle Folge „Kissler Kompakt“ sehen Sie hier:
Nehmen wir als Beispiel die Hauptausgabe der „Tagesschau“ vom 29. Juli. Es war Tag zwei nach dem Handels- und Zoll-Deal zwischen der Europäischen Union und den USA. Donald Trump hatte sich in den meisten Punkten durchgesetzt. Wirtschaftsverbände, Wirtschaftsvertreter, Wirtschaftspolitiker befürchten das Schlimmste für die deutsche Konjunktur.
Die „Tagesschau“ wählt andere Schwerpunkte. Sie bestreitet die 15 Minuten fast ausschließlich mit außenpolitischen Themen. Der Verdrängungs-Mechanismus funktioniert: Immer, wenn von Israel, New York oder Kiew die Rede ist, muss nicht von deutschen Zuständen, deutschen Krisen, deutschen Problemen geredet werden. Der brave Michel kann sich wärmen am Lagerfeuer ferner Geschichten.
Im ersten und also wichtigsten Beitrag kritisiert die „Tagesschau“ den Israel-Kurs des Kanzlers. Was als Kommentar legitim wäre, kommt als Nachricht mit unklarem Absender daher.
Friedrich Merz, soll das heißen, sperrt sich gegen einen außenpolitischen Kurswechsel, wie ihn die „Tagesschau“ für geboten hält. Die „Tagesschau“ selbst hat die wachsende Erwartung, Deutschland möge mehr Druck auf Israel ausüben.
Die „Tagesschau“ bezieht Partei. Sie ist nicht der Reporter am Boxring. Sie steigt in die Arena. Sie kämpft. Das zeigt sich in einem besonders deplatzierten Stück im Anschluss, an Position zwei. Nach Israel wird Donald Trump in den Senkel stellt. Ein WDR-Redakteur macht sich die Sache einiger Anti-Trump-Demonstranten in New York zu eigen. Er demonstriert gedanklich mit. Und das alles in der Hauptausgabe der deutschen „Tagesschau“, wie gesagt. Schon die Anmoderation gibt die Stoßrichtung vor.
Wir erfahren: Die von Trump angeordneten Einsätze gegen illegal Eingewanderte seien unrechtmäßig. Migranten nach Trumps Art abzuschieben, gehöre sich nicht. Auf der richtigen Seite der Geschichte befinden sich also ausschließlich die Protestierer – selbst, wenn sie geschmacklose Plakate hochhalten.
Das Bild dieser Demonstranten gelangte nicht zufällig in den Beitrag. Jeder der rund zehn Millionen Zuschauer sollte lesen, was namenlose Demonstranten in New York für wahr halten: „ICE is Trump's Gestapo“ steht da. Und „Nazis 1943 – ICE 2025“. Die Abschiebebehörde ICE agiere also wie die Nationalsozialisten. Eine ungeheuerliche Gleichsetzung.
Die „Tagesschau“ aber ist begeistert von der Analogie. Sie nimmt genau diese Demonstrationsszene als Bildmotiv, um den Beitrag aus New York noch einmal gesondert im Internet auszuspielen. Darüber steht dann: „Proteste gegen menschenfeindliche Abschiebepraxis in Trumps Amerika.“ Wir befinden uns noch immer im Angebot der „Tagesschau“ – und haben keinen Zweifel, dass linke Aktivisten über Themensetzung und Intonierung bestimmen.
Verirrt sich die „Tagesschau“ nach Deutschland, geschieht es im Modus der Amerikakritik. Baden-Württemberg, erfahren wir, hat sich für den Einsatz der Software von Palantir entschieden. Auch das ein Thema für Feinschmecker, meilenweit entfernt von Deutschlands wahren Problemen.
Die „Tagesschau“ bezieht auch hier die Position von Aktivisten und lässt diese – klar doch – vor Palantir warnen. Der Gedanke, dass durch Datenverknüpfung Attentate verhindert werden könnten, taucht im Beitrag nicht auf. Nur das Wort von den Ermittlungsakten fällt.
Aktivisten, Demonstranten, NGOs: Sie liefern die Stichworte für das Bild, das sich die „Tagesschau“ von der Welt macht. Die „Tagesschau“ ist ein fortwährender Kommentar zum Weltgeschehen aus linker Sicht. Eine Nachrichtensendung ist sie nicht.