
Die große Weltpolitik spielt heute (15. August) in Anchorage, der Hauptstadt des US-Bundestaats Alaska. Millionen Menschen blicken gebannt auf das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin. Schaffen die beiden mächtigsten Männer der Welt den ersten Schritt zur Beendigung des seit dreieinhalb Jahren andauernden Blutvergießens in der Ukraine? Der Deutschland-Kurier beantwortet wichtige Fragen rund um das wichtigste Ereignis des Jahres – ein Treffen, auf das die Welt lange gewartet hat.
▶ Wo genau konferieren Trump und Putin?
Trump und Putin begegnen sich auf dem größten US-Militärstützpunkt im nördlichsten Bundesstaat der USA – genauer gesagt: auf der Militärbasis Elmendorf-Richardson im Nordosten von Anchorage, der Hauptstadt von Alaska. Hier sind 30.000 US-Soldaten stationiert. Von dort kontrolliert die US-Airforce den Luftraum in der Grenzregion zwischen den USA und Russland. Die Meerenge Beringstraße trennt das Gebiet von russischem Territorium. Es ist die erste persönliche Begegnung der beiden Staatsmänner seit sechs Jahren.
▶ Wie kamen beide Seiten ausgerechnet auf Alaska?
Der Gipfel wurde kurzfristig anberaumt, nachdem Trumps Sondergesandter Steve Witkoff vergangene Woche erneut nach Moskau gereist war und sich dort im Kreml mit Putin getroffen hatte. Was genau dort besprochen wurde, ist nicht völlig klar. Verschiedene Medien berichteten, dass Putin Witkoff in Moskau einen Deal für eine Waffenruhe in der Ukraine angeboten habe. Nachdem der Sondergesandte Trump die Mitteilung überbracht hatte, soll der US-Präsident ein persönliches Treffen vorgeschlagen haben.
Im Gespräch sollen auch neutrale Orte gewesen sein. Laut CNN schlug die russische Seite zunächst Saudi-Arabien vor. Das Weiße Haus wollte aber wohl eine lange Anreise vermeiden. Auch Ungarn soll eine Option gewesen sein: Ministerpräsident Viktor Orbán unterhält sowohl zu Putin als auch zu Trump gute Beziehungen.
Letztlich fiel die Wahl auf Alaska. Den Ausschlag dürfte gegeben haben, dass der heutige US-Bundesstaat einst zu Russland gehörte, also ein Ort mit hohem Symbolwert ist.
▶ Wie sieht der Zeitplan aus?
Zum Zeitplan des Gipfels gibt es unterschiedliche Angaben. Laut dem Weißen Haus werden Trump und Putin um 21 Uhr mitteleuropäischer Zeit zusammenkommen. Russischen Angaben zufolge soll das Treffen um 21.30 Uhr beginnen. Zunächst soll es ein direktes Gespräch zwischen Trump und Putin geben, an dem lediglich Übersetzer teilnehmen. Anschließend sollen die Delegationen der beiden Staaten Verhandlungen führen.
▶ Wer ist noch dabei?
Außer den Staatschefs Donald Trump und Wladimir Putin werden hochkarätige Vertreter beider Seiten in Anchorage anwesend sein. Der Kremlchef bringt enge Vertraute mit – darunter Außenminister Sergej Lawrow, Verteidigungsminister Andrej Beloussow und Finanzminister Anton Siluanow. Mit dabei sein dürfte auch Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow.
Die US-Delegation besteht voraussichtlich aus Vizepräsident JD Vance, Außenminister Marco Rubio, Finanzminister Scott Bessent und Steve Witkoff, Trumps Sondergesandten. Rubio hat laut dem US-Außenministerium im Vorfeld bereits mit Lawrow telefoniert.
▶ Wird es konkrete Ergebnisse geben?
Die Erwartungen sind hoch – ABER: Einen Deal werde er selbst nicht machen, sagte Trump, der sich in einer Vermittlerrolle sieht. Dazu brauche es auch die Ukraine. Der US-Präsident setzt auf ein potenzielles zweites Treffen und stellt das jetzige als eine Art Vorstufe dar. Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sollen dann aus Sicht der USA über ihren Schatten springen und zusammenkommen.
„Das zweite Treffen wird sehr, sehr wichtig sein – denn das wird das Treffen sein, bei dem sie einen Deal machen“, sagte Trump. Er räumte allerdings Zweifel daran ein, dass sein Gespräch mit Putin zu einer sofortigen Waffenruhe führen werde. Selenskyj und die Europäer haben jedoch eine sofortige Waffenruhe als Vorbedingung für weitere Verhandlungen genannt. Der US-Präsident schränkte ein, dass es ein zweites Treffen nur geben könnte, wenn die erste Begegnung erfolgreich verlaufe. Trump hat zugesichert, direkt im Anschluss an das Gipfeltreffen zuerst Selenskyj und dann die anderen Verbündeten zu informieren.
▶ Muss die Ukraine Gebiete abgeben?
Daran führt kein Weg zum Frieden vorbei. Die Europäer und Ukrainer befürchten, dass sich Trump und Putin auf Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland verständigen könnten. Das lehnt Kiew strikt ab. Trump hatte zuvor mehrmals von einem „Gebietstausch“ gesprochen.
Russland will nach bisherigen Angaben die zu großen Teilen besetzten ukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk komplett haben – und könnte dafür im Gegenzug potenziell bereit sein, sich aus anderen besetzten Flächen zurückzuziehen. Als positiv werten politische Beobachter in Moskau: Das russische Staatsfernsehen stimmt seine Zuschauer schon seit Tagen auf ein mögliches Kriegsende ein, ungeachtet dessen, dass die Kampfhandlungen weitergehen.
▶ Gibt es eine gemeinsame Pressekonferenz?
Das war zuletzt wenig wahrscheinlich. Trump sagte, es sei nicht sicher, ob es im Anschluss eine gemeinsame Pressekonferenz mit Putin geben werde. Er selbst werde auf jeden Fall anschließend vor Journalisten sprechen, sagte der US-Präsident dem Sender Fox News. Nach offiziellen Angaben aus Moskau ist keine gemeinsame Erklärung geplant.
Die Zeit in Anchorage liegt zehn Stunden hinter der mitteleuropäischen Sommerzeit. Bedeutet: Vor Mitternacht dürfte es also kaum bedeutsame Erklärungen geben.
▶ Kann Trump den russischen Präsidenten verhaften lassen?
Nein! Zwar erließ der Internationale Strafgerichtshof im März 2023 einen internationalen Haftbefehl gegen Putin – aber wohl auch deswegen findet das Treffen auf US-Boden statt. Denn die USA sind kein Vertragsstaat des Internationalen Strafgerichtshofs (Römisches Statut). Demnach sind sie auch nicht dazu verpflichtet, den Haftbefehl zu vollstrecken. Putin lässt aus Sicherheitsgründen seine eigene Wagenkolonne nach Anchorage einfliegen.
▶ Plant Trump einen Überraschungs-Coup?
Während die EU und Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj zuletzt vor allem über Territorien sprachen, sollen die Russen ein anderes Thema als Nummer 1 für die Verhandlungen aufgerufen haben. Es geht um die eingefrorenen Vermögenswerte Russlands im Ausland („frozen assets“), also hauptsächlich Reserven der russischen Zentralbank. Sie belaufen sich auf schätzungsweise rund 300 Milliarden US-Dollar. Ein Großteil davon, etwa 210 Milliarden Euro, liegt in EU-Mitgliedsstaaten fest.
Seit längerem zeichnet sich ab, dass das Schicksal der 300 Milliarden Dollar an eingefrorenen russischen Geldern zu einem zentralen Thema in den Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine werden könnte. Das erklärt auch, warum die Finanzminister beider Seiten mit dabei sind in Anchorage.
Der britische „Guardian“ schreibt: „Putin will Trump beim Ukraine-Gipfel finanzielle Anreize bieten.“ Der in Brüssel tätige russische Analyst Gilbert Doctorow wies im Podcast von Andrew Napolitano (Rechtsexperte bei Fox News) darauf hin, dass alle Seiten tunlichst bemüht seien, das Thema nach außen unter der Decke zu halten. Für Doctorow aber sind die 300 Milliarden Dollar der Dreh- und Angelpunkt eines möglichen Deals.
Das hinter den Kulissen diskutierte Szenario mutet an wie ein Immobiliendeal ganz nach der Art von Donald Trump: Russland bekommt die vier Oblasten, die es militärisch erobert hat. Die 300 Milliarden Dollar habe Russland längst abgeschrieben, wie die „Berliner Zeitung“ aus dem Umfeld der Verhandlungskreise erfahren haben will. Sie könnten dafür eingesetzt werden, die zerstörte Ukraine wiederaufzubauen – und zwar zu etwa zwei Dritteln für jenen Teil, der dann noch von der Ukraine übrig ist, und zu einem Drittel für den Donbass.
Der Deal wäre für alle Seiten vorteilhaft: Selenskyj könnte sich als Wiederaufbau-Held feiern lassen und den Kriegswitwen und Hinterbliebenen der zehntausenden gefallenen ukrainischen Soldaten eine Rente gewähren. Russland wäre zwar nicht der strahlende Sieger, sondern müsste indirekt einen Preis für den Krieg zahlen. Die Territorien könnten unter Mitwirkung der UN sogar offiziell Teil der Russischen Föderation werden.
Zugleich würden auch russische Unternehmen Aufträge für den Wiederaufbau erhalten. Die EU-Staaten würden ebenfalls massiv vom Wiederaufbau profitieren und müssten sich nicht als blanke Gesetzesbrecher fühlen, die die Russen einfach kalt enteignet hatten. Donald Trump könnte in bilaterale Geschäftsbeziehungen mit Russland eintreten, einen „Trump-Tower“ in Moskau errichten und weitere Punkte auf dem Weg zum Friedensnobelpreis sammeln.