
Donald Trump übernahm mit seinem Amtsantritt am 20. Januar nicht nur die Regierungsgeschäfte. Sein Vorgänger Joe Biden hinterließ ihm und seinem Finanzminister Scott Bessent einen Rekordschuldenberg in Höhe von 36 Billionen US-Dollar. Auch die Neuverschuldung erreichte mit acht Prozent in Joe Bidens letztem Amtsjahr einen Rekordwert.
Die Staatsschuldenquote der größten Volkswirtschaft der Welt liegt damit bei alarmierenden 123 Prozent. Bei den Erzfeinden Russland und China stellt sich ein konträres Bild ein: Während der russische Staat mit gerade einmal 20 Prozent Verschuldung operiert, müssen die Chinesen mit einer Schuldenquote von über 300 Prozent den Gürtel enger schnallen, wenn es um fiskalpolitische Großtaten geht.
Zur Erinnerung: Auch Staaten sind nicht grenzenlos kreditwürdig – jenseits kritischer Schwellen schwindet das Vertrauen der Märkte. Staatsfinanzen kleiner, in Dollar verschuldeter Volkswirtschaften, kollabieren regelmäßig, wenn die Quote den Korridor von 80 bis 90 Prozent nach oben durchstößt. Großmächte wie die USA, die über eine eigene Notenpresse und die Weltleitwährung verfügen, können das Schuldenkarussell länger drehen – wie auch das Beispiel Japans zeigt.
Das Land rangiert mit einer Schuldenquote von 230 Prozent jenseits von Gut und Böse, besitzt aber den Vorteil, dass sich ein Großteil der Staatsanleihen im Besitz des Inlands und der Notenbank befindet. Jahrelange Zinsmanipulationen durch die Bank of Japan konnten einen Staatsbankrott bislang hinauszögern. Allerdings geht diese Politik auf Kosten privatwirtschaftlicher Investitionen, da ein positiver Realzins unterdrückt und die Bildung von Sparleistung und Produktivkapital eliminiert werden.
Die Tendenz zu wachsender Staatsverschuldung ist ein globales Phänomen. Nach den jüngsten Zahlen des IWF wird die globale Staatsverschuldung im laufenden Jahr die Marke von 95 Prozent übersteigen, Schattenhaushalte und „Sondervermögen“ werden hier großzügig ausgeklammert. Das bedeutet einen Zuwachs von 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit nähert sich die Neuverschuldung der prognostizierten Wachstumsrate für die Weltwirtschaft von 2,8 Prozent bedrohlich an. Geringeres Steueraufkommen und steigende Arbeitslosigkeit werden die Folge sein. Sie engen fiskalische Spielräume der Staaten weiter ein.
Gerade in den USA lag der jährliche Schuldenzuwachs zuletzt deutlich über dem Wirtschaftswachstum. Ein ähnliches Bild zeigte sich auch für die Eurozone, deren Wirtschaft mit einem Wachstum von 0,9 Prozent im vergangenen schwach auf der Brust war, während die Schulden um 3,2 Prozent zulegten. Selbst die tendenziell systemfreundlichen „Herren des Kredits“ vom IWF sehen einen realistischen Pfad der globalen Schulden auf 117 Prozent im Jahre 2027, sollten sich geopolitische Faktoren nicht erheblich aufhellen und die Konjunkturmaschinerie weiterhin Sand im Getriebe haben.
Diese Entwicklung ist nicht nachhaltig. Sie verweist auf ein systemisches Defizit, das die Politik konsequent verdrängt: Staatliche Verpflichtungen kumulieren sich von selbst – ein fiskalisches Perpetuum mobile. Indexierte Leistungen wie der Rentenzuwachs oder politisierte und medial immunisierte Sozialausgaben wie Wohnzuschüsse und der weit aufgefächerte Katalog der Sozialleistungen sind für die Politik Goldene Kälber, die niemand freiwillig schlachten würde. Lieber belastet man die Mittelschicht mit einer Vielzahl kleiner Abgabenerhöhungen, wie der CO2-Abgabe, der Maut oder einer „Reichensteuer“, bevor man sich in den medialen Fleischwolf einer Sozialkostendebatte begibt.
Auch Kanzler Friedrich Merz hat mit seinen grob skizzierten Budgetvorstellungen, es sind etwa eine Billion neuer Schulden für die kommenden vier Jahre geplant, klargestellt, dass er nicht derjenige sein wird, der in das Wespennest der Haushaltskürzungen greift. Währenddessen verschlingt der deutsche Sozialstaat etwa 27 Prozent der gesamten wirtschaftlichen Leistung, oder 1,2 Billionen Euro jährlich.
Die Politik lässt sich den sozialen Scheinfrieden im Land einiges kosten. Folgt man Aussagen des Koalitionspartners SPD, so dürften Krankenkassenbeiträge, Spitzensteuersatz und die Beitragsbemessungsgrenze bei Gutverdienern schon bald wieder steigen. Sämtliche Maßnahmen summieren sich dann zu Milliardentransfers der produktiven Mittelschicht in die überdimensionierte Sozialstaatsmaschine.
Was wir erleben, ist der Versuch politischer Akteure, soziale Volatilität, Unzufriedenheit mit dem Status quo und der miesen wirtschaftlichen Lage im Land zu unterdrücken. Immer mehr Menschen geraten in die Abhängigkeit der staatlichen Wohlfahrtsmaschine. Über sieben Millionen leben von staatlicher Grundsicherung, 20 Millionen sind Rentenbezieher und ein Heer von 5,3 Millionen Verwaltungsbeamten und Angestellten im Öffentlichen Dienst lässt das Uhrwerk staatlicher Regulierungskunst kontinuierlich rotieren. Setzt man diese Zahlen in Relation zu denen, die den Staat mit ihrer Arbeitskraft tragen (das mögen etwas mehr als 15 Millionen sein, auch wenn dies schwer zu ermitteln ist), dann wird eines deutlich: die Incentivestruktur hat sich zugunsten des Staates verschoben.
Wahlen und politische Entscheidungsprozesse, die im Ergebnis stets wachsende Staatsausgaben hervorbringen, lassen sich gut aus dieser inhärenten und quantitativen Machtlogik erklären. Selbstverständlich wirft diese Tendenz die Frage nach der Tragfähigkeit auf. Politik ähnelt in dieser Frage dem Wasser, das sich ebenfalls den Weg des geringsten Widerstands sucht.
Einen kurzfristigen Ausweg bietet die Geldpolitik. Sie ist die stets begehrte Droge aller Haushaltspolitiker, da eine expansive Intervention die Kosten des Eingriffs in die Ökonomie über die Inflation zeitlich zerstreut. Emittiert ein Staat massive Anleihen oder neue Schulden und lässt sie durch die Zentralbank aufkaufen, so wird der Steuerzahler zunächst nicht belastet – der Kausalzusammenhang zwischen Staatsausgaben, Produktivitätsverlust und Inflation wird zerrissen. Ein Erfolgsrezept, das man seit der Einführung des Euro im EZB-Tower in Frankfurt kontinuierlich verfeinert hat.
Und auch jetzt steht die EZB wieder bereit, ihren Eurozonen-Mitgliedern mit Aufweichung der Kreditkosten unter die Arme zu greifen. EZB-Ratsmitglied Olli Rehn schloss am Donnerstag anlässlich der IWF-Frühjahrstagung weitere Zinssenkungen nicht aus und verwies dabei explizit auf die konjunkturdämpfenden Wirkungen der US-Zollpolitik – der Sündenbock ist also gefunden: Donald Trump. Dessen massive Zollintervention könnte zu vielfachen Seufzern der Erleichterung in den Hauptstädten der Eurozone führen. Rezession und Zinssenkungen – ein disinflationärer Cocktail, der die Zinsen und damit die Refinanzierungskosten der Staaten reduzieren wird. Kurz gesagt: Die Schuldenorgie geht in die nächste Runde, die Illusion wird mit frischem Kredit am Leben gehalten.
Die Party kann durchaus noch eine ganze Zeit weitergehen. Allerdings schrumpft der Spielraum für neue Schulden in den zunehmend saturierten Märkten. Diese reagieren inzwischen äußerst sensibel auf Nachrichten aus der Politik. Deutsche Anleihen verteuerten sich am Tag der Verkündung des deutschen Schuldenprogramms um 40 Basispunkte. Das ist ein bedenklicher Sprung am Anleihenmarkt, der zu gewöhnlichen Zeiten eher träge vor sich hindümpelt.
Das wirft die Frage auf: Wer hat diesen Zinssprung verursacht? Sehr schnell in Verdacht geraten die sogenannten „Anleihewächter“ (bond vigilantes) geraten. Bei ihnen handelt es sich um große Investoren und Fonds, die am Anleihenmarkt als aggressive Verkäufer auftreten, wenn Schulden aus dem Ruder laufen. Die ganze Wucht ihres Auftritts erlebte in den 1990er-Jahren die Clinton-Regierung: Als die US-Defizite nach der Rezession 1990–1991 stiegen, trieben massive Anleihenverkäufe die Renditen auf über 8 Prozent und zwangen die USA zu massiven Ausgabenkürzungen. Muss Politik bloß zu ihrem Glück gezwungen werden?
Auch der Erfolg des argentinischen Präsidenten Javier Milei, der innerhalb eines Jahres einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorlegte, zeigt: Regierungen besitzen zwei Optionen. Spielen die Märkte nicht mehr mit, kann sie mit Zins- oder Kapitalverkehrskontrollen repressiv agieren. Auch die von der EZB geplante Einführung des digitalen Kontroll-Euro (CBDC) zählt zu diesem Werkzeugkasten. Oder man geht den beschwerlichen und für viele schmerzhaften Weg der fiskalischen Gesundung.
Fragen wir also: Quo vadis, Europa? Sparen oder Weiter so? Fügen wir die jüngsten Äußerungen und politischen Entscheidungen in Berlin, Brüssel und Frankfurt in ein Panorama, bestätigt, was wir im Grunde längst ahnten: EU-Europa will Bürger und Märkte zur Disziplin zwingen. Die Debatte um die Einführung des digitalen Euro im Oktober, die unübersehbare Zinsintervention der EZB, Abgabenerhöhungen sowie tiefgreifende Regulierungen und Überwachung privater Kommunikation zeichnen ein düsteres Bild.
Die EU bewegt sich auf einer immer tiefer geneigten schiefen Ebene etatistischer Ideen. Zeitgleich entsteht mit dem Kurswechsel der US-Regierung hin zu Deregulierung, Steuersenkung und Stärkung marktwirtschaftlicher Dynamik ein systemischer Antagonismus, der für europäisches Kapital an Attraktivität gewinnt. Je stärker dieser Kontrast hervortritt, desto größer wird der Druck auf Brüssel, seinen Kurs zu überdenken.