Die Zivilgesellschaft gegen den Parteienstaat

vor 18 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Ist die vorläufige Absage der Wahl dreier neuer Verfassungsrichter ein Coup der alternativen Medien? So sehen es Protagonisten aus dem linken und grünen Lager, die Frauke Brosius-Gersdorf als Opfer einer medialen Schmutzkampagne betrachten, in Weh- und Klagegeschrei ausbrechen und „unsere“ Demokratie mal wieder in Gefahr wähnen.

Die Faktenlage ist vollkommen anders. Zum einen hätte eine Wahl der Juristin ans Bundesverfassungsgericht die Demokratie tatsächlich gefährdet und unterhöhlt. Und sollte die Union doch noch einknicken – denn aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben –, würde diese Gefahr Realität.

Zum anderen musste niemand eine Kampagne gegen Brosius-Gersdorf lostreten: Ihre eigenen Worte, ob zum Umgang mit Ungeimpften oder Ungeborenen, legten klar und deutlich Zeugnis ab, wofür sie steht. Es war lediglich die Aufgabe der Medien, ihre Worte zugänglich zu machen, sie in Erinnerung zu rufen und Zusammenhänge deutlich zu machen. Und das haben eben einige Medien besser, andere schlechter, und wieder andere gar nicht getan.

Tatsächlich hat sich hier erwiesen, dass die Demokratie noch nicht tot ist. Die Pläne der Regierenden, die das Volk nicht als relevanten Faktor betrachten, sobald sie durch Wählerstimmen die entsprechenden Positionen erlangt haben, wurden durchkreuzt. Und zwar, weil sich hier die Zivilgesellschaft artikuliert hat – die echte Zivilgesellschaft, nicht ein von Steuergeldern aufgeplusterter NGO-Komplex, der im Grunde lediglich ein organisiertes Regierungsvorfeld darstellt.

Es waren deutsche Bürger, die zehntausende Mails und Briefe an ihre Abgeordneten schrieben, die sich engagierten, protestierten, Petitionen unterschrieben, und die von ihren Repräsentanten einforderten, die Interessen der Wähler zu vertreten. „Der Unmut war immens, es war eine riesige Protestwelle, die aus der Mitte der Bevölkerung kam“, bestätigt Cornelia Kaminski, Landesvorsitzende der CDL Hessen.

Es kommt nicht von ungefähr, dass hier die Lebensrechtsbewegung eine wichtige Rolle spielte: Seit Jahrzehnten beobachtet man dort, wie das wichtigste aller Rechte, das auf Leben, untergraben und umgangen wird. Und sie beobachten auch, wie ihre Stimmen medial ignoriert oder verzerrt werden, und wie schwierig es für Außenstehende ist, überhaupt Informationen zu beziehen. Sie kennen die Mechanismen, die Abwärtsspirale und die Dammbrüche, die allesamt zuerst harmlos unter dem Deckmantel der Humanität daherkommen, die Fortschritt versprechen und schließlich im zivilisatorischen Rückfall enden: Der Schutzbedürftige, Schwache, Kleine, Alte, Kranke gerät in die Gewalt des Stärkeren, der über dessen Schicksal nach Gutdünken bestimmt. Genau das also tritt ein, was das Recht abmildern und bestmöglich verhindern soll.

Hier schrillten die Alarmglocken also besonders laut, hier wurde schnell und genau erkannt, dass Brosius-Gersdorfs Rolle in der Diskussion um den Paragrafen §218 keinesfalls das einzige, ja nicht einmal das primäre Problem ihrer Nominierung darstellt.

Sicherlich, der breite Protest konnte sich auch aufgrund der Informationen entfalten, die alternative und soziale Medien bereitstellten. Die Bürger konnten sich ein Bild von der Situation machen, auf dessen Basis sie ihr Missfallen dann auch ausdrückten.

Genau das ist die Aufgabe der Vierten Gewalt. Das bewusst genährte System der Dysfunktionalität, das seit mindestens zehn Jahren das Verhältnis zwischen Politik, Medien und Bürgern prägt, brach hier zeitweise zusammen.

Ob gründlich genug, um den Parlamentariern die Angst vor der eigenen Courage zu nehmen, wird sich zeigen.

Vorerst lädt die Begründung, mit der die Richterwahl abgesagt wurde, nicht zu Optimismus ein: Statt eines ehrlichen und klaren Bekenntnisses zur Verfassung und zur Menschenwürdegarantie wählte man den unwürdigen Notausgang, den Plagiatsvorwürfe gegen Brosius-Gersdorf boten.

Das wirft nicht nur ein zweifelhaftes Licht auf Durchsetzungsfähigkeit und Durchsetzungswillen der Union. Es ist auch fragwürdig, weil die Vorgehensweise, unliebsame Entscheidungen durch sekundäre oder gar konstruierte Vorwürfe herbeizuführen, auf einen Mangel an Integrität und an demokratischem Bewusstsein hindeutet, der mindestens ebenso besorgniserregend ist wie die Auffassung, die Menschenwürde sei Verfügungsmasse.

Für die politische Kultur in Deutschland wird sich als maßgeblich erweisen, ob die Union sich aus ihrer Rolle des willfährigen nützlichen Idioten befreit. Das linke Spektrum ist nun gewarnt: Die Lethargie des Bundesbürgers kann durchaus überwunden werden. Dann zeigt sich, was insgeheim alle wissen: Dass die medial formulierte Mehrheitsmeinung nicht der Meinung der Mehrheit entspricht, und dass die Menschen in Deutschland sich wertkonservative Politik wünschen; eine Politik, die den Intentionen der Konstrukteure der Bundesrepublik entspricht.

Die linke Polit-Elite wird nun also alles daransetzen, die CDU wieder auf Linie zu bringen. Mit Wutgeschrei, Agitation und Drohungen, mit Schmeicheleien, mit dem verführerischen – und wie wir bereits wissen trügerischen – Angebot bequemer und stabiler Mehrheiten. Die SPD ließ bereits verlauten, dass sie an Brosius-Gersdorf festhalten will. Sie weiß, dass die linke Deutungshoheit über Politik und Gesellschaft hier auf die Probe gestellt wird, und sich an dieser Stelle erweisen muss. Scheitert die CDU jetzt, wäre das Signal an die Bürger, dass sie in einer Scheindemokratie leben, in der ihr Votum keine Bedeutung hat.

Der Souverän und die Vierte Gewalt haben ihre Aufgabe erfüllt. Jetzt ist es Aufgabe der Parlamentarier, sich nicht schon wieder ins Bockshorn jagen zu lassen.

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