
Das Erkennen einer Gelegenheit ist das Eine, das Nutzen dieser Gelegenheit, etwas anderes. Donald Trump und sein Beraterteam sind in beiden Dingen überlegen. Das Attentat im Wahlkampf, das er mit Glück überlebte, das Foto, das einen Augenblick später aufgenommen worden war. Die in den Himmel gereckte Faust, das Blut am Hals, und das überlieferte, beim Foto mitgedachte “fight, fight, fight”. Ein ikonisches Bild.
Die zweite Gelegenheit war die Eröffnung von Notre Dame in Paris. Bilder von informellen Gesprächen, das denjenigen Bedeutung verlieh, die dabei sein durften. Anderen, die nicht durch ein Treffen, wie kurz auch immer, bedacht worden waren, wurde ihr Platz in der Hierarchie deutlich gezeigt.
Die Dritte war die Beerdigung des Papstes in Rom. Eine grandiose Kulisse, die Möglichkeit zu informellen Treffen, wie schon in Paris. Und auch zeitlich passte es zu den sich verdichtenden Gesprächen über die Ukraine, als wäre alles so geplant gewesen. Von der Ferne beobachtet, fiel Dreierlei auf.
Das Nichtstattfinden, also die vollkommende Bedeutungslosigkeit der EU-Kommission, die auffallende Selbst-Zurücknahme von Giorgia Meloni und das demonstrative Bemühen von Emmanuel Macron und Keir Starmer als Teil derer wahrgenommen zu werden, die bei Krieg oder Frieden in der Ukraine mitentscheiden könnten.
Donald Trump hat immer schlechte Presse. Egal was er macht, die Haltungsmedien in den USA und ganz besonders in Europa haben an allem etwas auszusetzen. In Rom war es sein blauer Anzug. Journalisten, denen, Etikette, Stil und Anstand sonst als Ausdruck rechter Gesinnung gilt, waren plötzlich Stilexperten und wussten ganz genau, wie man sich wo zu kleiden und zu benehmen hätte. Ntv goss das tatsächlich in die Formulierung: „Trumps Anzug bricht Trauerprotokoll bei Papst-Begräbnis“.
Postwendend ohrfeigt Storymakers ntv: „Warum manipuliert ntvde das Foto, indem die vielen anderen blauen Anzüge abgeschnitten wurden?“
Unter den Blauen auch Britanniens Prince Charles und der jordanische König …
Donald Trump ist wegen des möglichen Friedensabkommens in der Kritik der Haltungsmedien und -personen. Experten wie Frau Baerbock geben ungefragt Ratschläge und warnen, Putin würde Trump in eine Falle locken, mahnen zur Vorsicht. Andere werfen ihm einen „Diktatfrieden“ vor. Wieder andere, die noch vor kurzem engste Kontakte zu Putin pflegten, werfen Trump jetzt Komplizenschaft mit Putin vor.
Offensichtlich wollte man in Trumps Team die von der öffentlichen Meinung als Härte und Schärfe dargestellte Klarheit seiner Veröffentlichungen und Aussagen zu diesem Thema entschärfen. Die Treffen in Paris und Rom dienten vermutlich ausschließlich diesem Zweck. Wer immer es aber war, der auf die Idee der Stühle in St. Peter kam: Es war eine Meisterleistung. Man kann sich die Kommunikationsexperten aus Trumps Team bei ihrem Vergnügen vorstellen.
Zunächst wurde ein Platz gesucht, nicht zu weit weg, gute Lichtverhältnisse und guter Hintergrund. Dann wurden Probefotos gemacht. Vielleicht kam man so auf den blauen Anzug? Das Foto ist jedenfalls schon jetzt eine Ikone. Der Präsident, gütig und besorgt, der sich selbst in diesem Moment Zeit nimmt, um zu überzeugen, um zu helfen. Der Andere, Selensky, offensichtlich engagiert und dankbar. Wenige Minuten später war das Foto über den ganzen Erdball verbreitet.
Es gibt Videos, auf dem drei Stühle zu sehen sind, …
… und Macron, der wohl die kommende Bedeutung dieses Fotos ahnt, und nur zu gerne mit dabei wäre. Trump weist ihn ab, und der Stuhl wird weggestellt. Auf wessen Wunsch der dritte Stuhl dazugestellt war, kann man nur vermuten. Mit Macron und/oder Selenskyj liegt man wohl nicht falsch.
Die anderen Fotos, Macron im Garten im Gespräch mit Selenskyj, …
… und Starmer, Macron im Kürzest-Wortwechsel mit Trump, können die Wirkmächtigkeit des Fotos von den sich auf zwei Stühlen gegenübersitzenden Trump und Selenskyj nicht erreichen. Sie waren schon vor ihrer Veröffentlichung wieder vergessen. Meloni, wie schon erwähnt, hielt sich zurück. Man kann davon ausgehen, dass sie im Hintergrund einen erheblichen Einfluss auf das ganze Geschehen nahm. Auch Zurückhaltung gehört zum Erkennen und Nutzen von Gelegenheiten. In Rom sprach Trump wie in den 95 Tagen seit Amtsantritt mit keinem Vertreter der EU-Kommission.
Nur um der Chronistenpflicht zu genügen. Die deutschen Vertreter machten Grinseselfies. Außer ihnen bemerkte niemand ihre Anwesenheit.
Nach Rom ist die öffentliche Dynamik wieder verflogen. Es ist zu vermuten, dass die eigentlichen Gespräche ohne Öffentlichkeit, und wahrscheinlich auch ohne EU und Deutschland, weitergehen. Außenminister Rubio sagt, was viele in der EU und der Nato nicht hören wollen und vielleicht auch nicht wollen, dass es geschieht: „Wir versuchen, Frieden zu schaffen. Anstatt gegen Trump zu wüten, sollten sich alle wünschen, dass es Trump gelingt, den Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu beenden. Die alte Redewendung, dass wir endlich Krieger anstelle von Diplomaten haben, beschreibt den jetzigen Moment so passend. Während Brüssel über Sanktionen und Truppeneinsätze streitet, arbeitet Trump hinter den Kulissen an dem, was das entscheidende Friedensabkommen seiner zweiten Amtszeit werden könnte. Da die Fronten sowohl im wörtlichen Sinne als auch politisch festgefahren sind und die Verbündeten der Ukraine Ermüdungserscheinungen zeigen, setzt Trump darauf: Er könnte der Einzige sein, der bereit ist, die Pattsituation zu durchbrechen. Wenn ihm das gelingt, könnte der Krieg endlich zu Ende gehen“.
Die USA und die Ukraine haben nun am Mittwoch ein „Abkommen zur Einrichtung des US-Ukraine-Wiederaufbau-Investitionsfonds“ unterzeichnet. Interessant: Nicht Selensky, sondern die ukrainische Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko unterzeichnete das Abkommen. Daraus könnten zwei Schlüsse gezogen werden. Man bereitet bereits die Zeit nach Selensky vor, und, auf Seiten der Amerikaner wollte man einen PR-Stunt von Selenskyj nicht wiederholen.
Das US-Finanzministerium teilt mit, mit Trumps Unterschrift wäre der Weg für einen Waffenverkauf im Wert von 50 Mio US-Dollar an die Ukraine möglich. Selenskyj hatte bereits erklärt, US-Militärhilfe kaufen zu wollen. Damit erhalten im Gegenzug die USA Zugang zu ukrainischen Rohstoffen wie Titan, Lithium und Seltenen Erden im Austausch für Investitionen und Unterstützung beim Wiederaufbau.
US-Finanzminister Scott Bessent (63) sagte, der Deal sei ein klares Signal an die russische Führung für den langfristigen Einsatz der Trump-Regierung für einen Friedensprozess, in dessen Mittelpunkt „eine freie, souveräne und prosperierende Ukraine“ stehe.
Das Abkommen enthält angeblich nicht mehr die frühere Forderung der USA nach rückwirkender Entschädigung für mehr als 100 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe für die Ukraine.
Betrachtet man die russischen Reaktion, in denen erklärt wird, dass es keinen schnellen Frieden in der Ukraine geben wird, kann von einem Verhandlungserfolg der amerikanischen Seite ausgegangen werden.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte: „Wir verstehen, dass Washington einen schnellen Erfolg in diesem Prozess erzielen will, aber gleichzeitig hoffen wir auf Verständnis dafür, dass die Beilegung der ukrainischen Krise zu kompliziert ist, um sie über Nacht zu lösen. Es gibt viele Details und viele kleine Dinge, die vor der Beilegung in Angriff genommen werden müssen.“
Peskow sagte auch, Moskau müsse seine Ziele in der Ukraine erreichen. Diese Aussage könnte darauf hindeuten, dass Russland die Frontlinien in ihrer jetzigen Form einfrieren will. Heißt aber zugleich auch, dass Russland seine Ziele nicht erreicht hat.
Italien, Ungarn, Polen und Finnland sehen sich an der Seite der USA. Deutschland schmollt.
Die EU, insbesondere Deutschland, spielen in den Verhandlungen keine Rolle. Wie groß der Phantomschmerz über die selbst empfundene Bedeutungslosigkeit sein muss, kann man an den immer absurderen Bekenntnissen deutsche Talkgrößen erkennen.
Warum Politiker aus Westeuropa international nicht stattfinden, beantwortet SPD-Gabriel. Der Westen hat die UdSSR nicht „niedergerungen“, die SPD und andere haben im Gegenteil viel getan, um das zu verhindern. Implodiert ist die Diktatur des Sowjetkommunismus höchst selbst. Der angeschlagene Westen ist in diesem Prozess nur „übriggeblieben“ und war, mit den woken USA an der Spitze, unfähig, aus diesem Vorteil etwas Konstruktives zu machen. Dass er übrigblieb hat ihn vielmehr zu der falschen Schlussfolgerung gebracht, alles richtig gemacht zu haben. Den gleichen Fehler hat ja auch die herabgewirtschaftete Bonner Republik beim Anschluss der DDR gemacht. Die Folgen sind bekannt.
Die nächsten Schritte in der Ukraine? Werden in der Sache so unspektakulär sein und so widersprüchlich wie seit Trumps Ankündigung vom baldigen Ende des Krieges. Wer das nicht versteht, muss sich bitte vor Augen halten, wer von den Beteiligten welche Interessen hat. Trump will zwar, dass der Krieg schnell zu Ende geht, weiß aber selbstverständlich nur zu gut, dass Selenskyj und die EU-Bürokratie auf der einen Seite und Putin auf der anderen überhaupt keine Eile haben, Trump hat seinen Vertrag unter Dach und Fach. Nun kann er es eine Weile auch wieder laufen lassen.
Denn um die Menschen in der Ukraine und Russland wie für die Soldaten auf beiden Seiten geht es allen Genannten nicht. In Vertretung vieler TE-Leser ist man da geneigt zu sagen, verschont uns alle mit euren Sprüchen von Wertegemeinschaft und so weiter.