
Journalismus ist: berichten, was ist. Anstatt sich auf diese klassische Tugend zu besinnen, möchte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) in NRW offenbar neue Pfade beschreiten. „Junge Redaktionen und Journalismus-Startups glänzen mit alternativen Herangehensweisen im Journalismus und arbeiten mit Entwickler:innen, Maker:innen, Designer:innen, Aktivist:innen und Social-Media-Expert:innen zusammen“, heißt es in einer Veranstaltungsbeschreibung des Journalistentags am 23.11. in Dortmund.
Es spricht dabei ausgerechnet David Schraven, Chef des mit reichlich Steuergeld alimentierten Medienportals Correctiv, das für seine Vermischung von Aktivismus und Journalismus berüchtigt ist. Mit ihm sollen künftige Reporter über folgende Fragen nachdenken: „Was sind Ansätze für den ‚Journalismus von morgen‘? Wie kann Journalismus neu gedacht und neugestaltet werden? Welche neuen Erzählweisen gibt es? Und was sollten viele Redaktionen wagen und ausprobieren, um noch spannender, noch vernetzter und noch innovativer zu werden?“
Der DJV will aktivistisch-journalistische „Experimente“ wagen.
Correctiv hatte durch einen manipulativen Bericht, der die wenigen darin enthaltenen Fakten im großen Stil irreführend wertete, Millionen Menschen zu „Demos gegen Rechts“ mobilisiert. Die Demonstranten waren von Correctiv in den Irrglauben versetzt worden, dass auf einem angeblichen „Geheimtreffen“ in Potsdam „Deportationspläne“ geschmiedet worden seien. Medien in ganz Deutschland waren der manipulativen Verschwörungsgeschichte Correctivs auf den Leim gegangen, darunter auch die Flaggschiffe der öffentlich-rechtlichen Medien: Dem heute journal wurde die Deportationslüge inzwischen verboten (NIUS berichtete). Auch dem SWR wurden zuletzt drei Falschbehauptungen untersagt, die er aufgrund des Correctiv-Berichts aufgestellt hatte (NIUS berichtete).
Das ist an juristischen Niederlagen für Correctiv-Freunde noch nicht alles: Das Landgericht Hamburg hatte Correctiv-Chef Schraven eine grobe Falschbehauptung verboten. Schraven hatte in einem Interview mit der FAZ wahrheitswidrig behauptet, dass das Landgericht Hamburg den Kern der berüchtigten Correctiv-Ente bestätigt hätte. Dem war aber nicht so, wie das Gericht in einer Pressemitteilung zuvor ausdrücklich betont hatte: Um den Kern der Geschichte war es in den entsprechenden Verfahren nämlich nie gegangen.
Kurzzeitig nach Erscheinen der Deportations-Story wurde das in Theater-Akte und -Szenen gegliederte Stück im Berliner Ensemble in einer Theater-Inszenierung aufgeführt. Die ehemalige Co-Geschäftsführerin Correctivs, Jeannette Gusko, die inzwischen Wahlkampf für die Grünen macht, hatte zur Theater-Inszenierung des Correctiv-Stücks sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich eingeladen, der jedoch abgesagt hatte. Einer der Hauptautoren der „Geheimplan“-Verschwörungstheorie, Jean Peters, bekannte sich in der Vergangenheit dazu, „Geschichten zu erfinden“.
Screenshot von der Correctiv-Inszenierung: ARD-Kontraste „berichtet“ bis heute unkritisch über die Correctiv-Ente.
Es ist ziemlich offensichtlich: Journalistisch unseriös war an der Inszenierung Correctivs von Anfang an diese Vermischung von journalistischem Bericht und künstlerischer Fiktion. Sie soll nun offenbar Schule machen. Auf dem Journalistentag des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) wird dergleichen als „(Erzähl-)Journalismus der Zukunft“ beschrieben: Unter dem Motto „Think outside the box!“ soll es um „journalistische Berichterstattung in Virtual Reality Games oder Storytelling mit Grafic Novels“ gehen, wie es heißt.
Rechtsanwalt Carsten Brennecke, der aus Rechtsstreits mit Correctiv in der Vergangenheit erfolgreich hervorgegangen ist, kommentiert die journalistische Neuausrichtung auf X wie folgt:
„Wäre es in Zeiten, in denen Journalisten des NDR, SWR und ZDF nicht mehr in der Lage sind, die wenigen Fakten von den zahlreichen Wertungen im Correctiv-Bericht zu unterscheiden, so dass sie Wertungen zu Fake News verdichten, nicht sinnvoller, jungen Journalisten Textverständnis und Nachrecherche beizubringen? Und ist es in Zeiten, in denen der seriöse Journalismus zunehmend von Aktivisten wie Correctiv als Deck- und Tarnmantel gekapert wird, um Agenda zu verbreiten, nicht wichtiger, jungen Journalisten den Unterschied zwischen Journalismus und Aktivismus zu erklären?“
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