Döpfner erklärt Maischberger, was Journalismus ist

vor 19 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ist mit seinem Rentner-Bashing noch nicht aus den Schlagzeilen heraus, da landet schon der nächste CDU-Mann einen respektablen Kommunikations-Gau: Kanzleramtsminister Thorsten Frei, sonst eher ein Mann der flauschig-weichen Watteworte, lässt sich bei Maischberger zu einer bemerkenswerten Aussage hinreißen. Im Doppelinterview mit der ehemaligen Grünen-Chefin Ricarda Lang sagt er: „Jeder der Vollzeit arbeitet, hat soviel Geld, dass er davon leben kann.“

Bäm! Nimm dass, deutscher Steuerzahler, der Du jedes Jahr bis Juli nur für den Fiskus schuftest. Um Dir danach mit versteuertem Geld Dinge zu kaufen, die dann wieder ständig besteuert werden. Dir geht’s doch töfte!

Frei kontert dünn. Auf Linnemanns Flop geht er gar nicht ein. Viele hätten nur deshalb einen Minijob, weil die Überstunden so stark besteuert werden. Das wolle die CDU nun ändern, indem der Zuschlag (wohlbemerkt: nur der Zuschlag, also ein ohnehin sehr geringer Teil) ab 2026 steuerfrei gestellt werde. „Ist jetzt ihr Ziel, dass Leute Vollzeit arbeiten und dann nebenbei noch dauerhaft Überstunden machen müssen?“, fragt Lang. Frei wirkt überfahren: „Entschuldigung, Entschuldigung“, stöhnt er und feuert dann in seiner Not den besagten Satz ab. „Jeder, der Vollzeit arbeitet, hat soviel Geld, dass er davon leben kann.“ Frei setzt sogar noch nach: „Es gibt nicht nur Menschen die ‘nen zweiten Job haben, weil sie ansonsten nicht über die Runden kämen. Es gibt auch Leute, die machen das, weil sie gerne mehr arbeiten und weil sie sich gerne einen weiteren Urlaub gönnen, weil sie sich ein größeres Auto gönnen möchten.“

Schöne heile CDU-Welt. Und Frei geht noch weiter: „Jeder entscheidet, was er in seinem Leben möchte. Und diejenigen, die gerne mehr machen möchten, die sollen auch mehr davon haben.“

Schon in der Runde der „einordnenden Journalisten“ gab es eine kleine Nachhilfestunde. Für Helene Bubrowski ist es offenbar völlig neu, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht politisch neutral arbeitet. Das inhaltlich dünne Gutachten der Behörde zur AfD hat für sie das Gewicht einer Steintafel. „Wir haben jetzt einen tausendseitigen Bericht, der verschiedene Dinge aufgelistet hat, die zeigen, dass die AfD mit dem Demokratie, mit der Menschenwürde und so weiter da systematisch gegen verstößt.“ Wir zitieren hier wörtlich mit allen Fehlern, weil nicht ganz klar ist, was genau sie meint.

Jan Fleischhauer, Kolumnist bei der darbenden Illustrierten „Focus“, klärt die Kollegin auf: „Ich störe mich schon an dem Wort ‚gesichert rechtsextrem‘.“ Nur weil der Verfassungsschutz das behaupte, solle man nicht so tun, als ob „da jetzt so ein TÜV-Siegel drauf sei“. Fleischhauer: „Der Verfassungsschutz ist eine weisungsgebundene Behörde, die direkt dem Innenminister untersteht.“

Bubrowski sitzt noch immer auf der Palme, jetzt sogar ein paar Wedel weiter oben. Von dort hebt sie zu einer regelrechten Lobpreisung an: „Ich würde davor warnen, den Verfassungsschutz, der sicherlich in dieser AfD-Frage bisher nicht viel bewirkt hat, öffentlich zu diskreditieren. So zu tun, als würde diese Behörde politisch arbeiten, und das genau ist das Narrativ der AfD, das stimmt einfach nicht. Wenn man sich anschaut, wie die Leute da arbeiten, würde ich sagen, es ist wichtig. Wir müssen schon auch Vertrauen darin haben, denn die machen gute Arbeit und haben tausend Seiten zusammengeschrieben und die Sachen zusammengesammelt.“

Journalismus im Jahr 2025. Ein Hanns Joachim Friedrichs würde sich im Grabe umdrehen, wenn er nicht eingeäschert worden wäre.

Auch die Moderatorin selbst entlarvt sich und ihr Verständnis von Journalismus an diesem Abend auf bemerkenswerte Weise. Sie möchte von Mathias Döpfner einen Kniefall für olle Kamelle. Der Vorstandschef des Axel-Springer-Konzerns soll gefälligst Abbitte dafür leisten, dass er Ende vergangenen Jahres in der zu seinem Konzern gehörenden Zeitung „Welt“ einen AfD-Wahlaufruf des Tesla-Chefs habe „publizieren lassen“.

„Ich lasse nicht publizieren“, stellt Döpfner zunächst klar. „Unsere Chefredakteure entscheiden“. Maischberger versucht, ihn sofort zu schurigeln: „Wollen Sie das vertiefen? Gerade jetzt?“ So als sei er sich des Ernstes der Lage nicht bewusst. Doch er bleibt gelassen: „Wir können es gerne vertiefen, Frau Maischberger.“ Und den Kniefall kann sie sich auch abschminken. Obwohl man bei einem Döpfner nie weiß, ob er am Ende nicht doch einknickt.

Heute aber gibt er ihr eine Nachhilfestunde in Journalismus, die sich gewaschen hat.

Was war der Anlass? „Die AfD ist der letzte Funke Hoffnung für dieses Land“, hatte Elon Musk in dem besagten Welt-Beitrag geschrieben. „Würden Sie meinen, das ist ‘ne gute Idee gewesen“, fragt Maischberger. „Das haben die Chefredakteure entschieden“, antwortet Döpfner. Maischberger: „Gegen Widerstand aus der Redaktion.“ Döpfner: „Ja, das ist ja gut, wenn lebendig diskutiert wird. Ich halte die Entscheidung für absolut richtig und auch sehr unspektakulär.“ Maischberger ist empört: „Ein Wahlaufruf!“

Döpfner erklärt es ihr ganz langsam: „Journalismus ist doch nicht, dass man nur Positionen publiziert, die man sich selbst zu eigen macht. Sondern Journalismus ist, Positionen zur Diskussion zu stellen. Ich finde diese Haltung, zu sagen, wenn es nur nicht besprochen wird, wenn es nur nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt, dann findet es nicht statt, das ist so ‘ne Vogelstrauß-Politik.“

Maischberger wirft die Statuten des Springer-Konzerns in den Ring: „Da steht: Wir lehnen politischen Extremismus ab.“ Sie ist gesichert extrem fassungslos: „Also sie finden das immer noch in Ordnung, dass da dieser Wahlaufruf gedruckt wurde?“ Döpfner: „Unser Ressort in der Welt heißt ‚Meinungsfreiheit‘. Es werden Gastkommentare von Vladimir Putin, von Terroristen aus Afghanistan, von irgendwelchen Kommunisten aus dem früheren Ostblock zur Kenntnis gestellt. Warum sollte denn jetzt ausgerechnet in diesem Fall ein Dokument von so hohem zeitgeschichtlichem Wert nicht diskutiert werden?“ Maischberger versucht es nochmal: „Weil es nicht zu den Statuten bei Ihnen passt.“ Döpfner: „Es war ein Gastkommentar. Der Chefredakteur hat es aber eingeordnet und hat erklärt warum es falsch ist.“ In diesem Moment bekennt sich Maischberger endgültig zum Haltungsjournalismus: „Naja, er hat aber auch gesagt: Die Diagnose ist korrekt. Also da wäre ich ja schon – aber egal…“

Döpfner gibt nicht auf. So bewundernswert ruhig redet er auf die Moderatorin ein, dass wohl jedes kranke Pferd neidisch würde: „Könnte es sein, dass viele Menschen sagen: Weil immer mehr tabuisiert wird, weil man vielleicht die Menschen auch für ein bisschen blöd hält – sie können sich doch selber ‘ne Meinung bilden. Wer diesen Beitrag überzeugend fand und sagt: Jetzt wähle ich die AfD – glauben Sie, das war ‘ne reale Gefahr? Ich glaub’, der hat genau den gegenteiligen Effekt gehabt. Und deswegen gehört es in die Diskussion. Das Ausgrenzen, das Totschweigen, das macht die linken und die rechten Extreme erst stark. Das ist doch genau, was wir gerade erleben. Deswegen wenden sich auch viele vom Journalismus ab.“

Eines steht fest: Sollte Maischberger je einen neuen Job suchen – bei Springer kriegt sie keinen.

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