
Im österreichischen Fernsehen argumentiert Drosten, dass der dortige Lockdown für Ungeimpfte keine Sachgrundlage gehabt habe, da die Corona-Impfstoffe gegen Omikron keinen Fremdschutz mehr geboten haben. Folgt man dieser Logik, kann es auch keine „Pandemie der Ungeimpften“ gegeben haben.
Deutschlands bekanntester Regierungsberater in der Corona-Pandemie hat dem österreichischen TV-Sender ORF ein ausführliches Interview gegeben. Darin wird er auf das Thema „Pandemie der Ungeimpften“ angesprochen. Der Moderator konfrontiert Drosten damit, dass es in Österreich im Winter 2021/22 einen Lockdown für Ungeimpfte gab, und fragt, ob diese Maßnahme nicht damals schon „gegen jede medizinische Evidenz“ gewesen sei. Apollo News berichtete zuerst.
In seiner Antwort sagt Drosten: „Im Nachhinein betrachtet, würde man das so wägen, dass damals dann eine Teilnahmebeschränkung an öffentlichen Veranstaltungen für Ungeimpfte nicht mehr zu begründen war anhand der Übertragung selbst“. Als Grund dafür führt der Regierungsexperte an, dass die Omikron-Variante sich gegenüber der ursprünglichen Corona-Variante, auf der die Corona-Impfstoffe beruhen, so sehr verändert habe, dass es keinen Fremdschutz durch die Impfung gegeben habe. Folgt man dieser Logik, so kann es auch keine Pandemie der Ungeimpften gegeben haben.
Der Ausschnitt des ORF-Interviews ist auf YouTube zu sehen (ab 19:47 min.):
Drostens Ausführungen überraschen, denn sie stehen konträr zu seinem früheren Standpunkt, den er im Oktober 2024 gegenüber dem Nachrichtenportal T-Online schilderte. Die Rede von einer „Pandemie der Ungeimpften“, zitiert T-Online aus den RKI-Protokollen, sei „aus fachlicher Sicht nicht korrekt“. Dem widerspricht Drosten: „Ja, nur stimmt das so nicht.“ Denn wenn man auf „die Wissenschaft“ schaue, sei im „Herbst 2021 bei der Übertragung des Virus in neun von zehn Fällen mindestens ein Ungeimpfter beteiligt – entweder als Geber, als Empfänger oder beides.“ Das habe „das RKI selbst publiziert“, so Drosten, und zwar „mit Daten aus Deutschland. Natürlich ist es immer blöd, wenn ein Politiker in einer solchen Lage mit Slogans argumentiert. Aber vor allem sieht man daran, wie weit sich unsere öffentliche Diskussion von der Realität entfernt hat. Da kann man die Umdeutung der Pandemie live mitverfolgen“. Mit Verweis auf eine RKI-Publikation verteidigte er also den Slogan einer „Pandemie der Ungeimpften“.
Blickt man noch weiter zurück in die Vergangenheit, ins Jahr 2021, so zeigt sich, dass Drosten sich – verwirrenderweise – bei diesem Thema selbst widerspricht. Eigentlich hatte er seinerzeit, zu eben jenem Zeitpunkt als die Politik von einer „Pandemie der Ungeimpften“ sprach, dieser Formulierung widersprochen. Der Sache nach behauptete er aber durchaus, dass es eine „Pandemie der Ungeimpften“ gebe, deswegen befürwortete er nämlich einen Lockdown für Ungeimpfte, wie Zeit Online im November 2021 schrieb. „Mangels Alternativen wird man wegen der Ungeimpften wieder in kontakteinschränkende Maßnahmen gehen müssen“, so Drosten damals.
Ungeachtet Drostens wechselhafter Äußerungen, ist Folgendes entscheidend: Fremdschutz durch die Impfung wurde in den Zulassungsstudien der Impfstoffe nicht überprüft, also nicht einmal behauptet. Im November 2023 gab das auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu (NIUS berichtete).
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