
Die Ankündigung in der Presse lässt den Verdacht zu, dass hier jemand nach der alten Sponti-Maxime „mach kaputt, was Euch kaputt macht“ vorgeht: wie die Deutsche Presseagentur es nicht ohne Euphorie beschreibt (hier bei der Süddeutschen Zeitung)
Das „werde ein Spektakel.“ Dann sei „der Weg frei, um die Wohngegend grundlegend umzugestalten…“ Vorgesehen ist, einen „6,5 Hektar großer Stadtpark“ im Duisburger Stadtteil Hochheide auf den Freiflächen anzulegen, wo 2019 und 2021 schon zwei der ursprünglich sechs wegen ihrer Höhe und Farbe „Weiße Riesen“ getauften Mietsblöcke gesprengt worden waren. Die von 1969 bis 1974 gebauten Hochhäuser mit mehreren hundert Wohnungen waren damals in der Duisburger Arbeiterschaft begehrt: „Damals träumte man von der Moderne“, sei fasziniert gewesen vom Slogan „Urbanität durch Dichte“. Mieter schätzten den offenen Wohnraum, der Küche und Wohnzimmer miteinander verbunden hat. Doch seither ist viel Zeit vergangen, und wer konnte, zog weg.
Nun also schafft man, live und in Farbe, zumindest neue Baumplätze. Die „WDR Lokalzeit“ war ab 11.30 Uhr dabei und begleitete das „grosse Finale … aus verschiedenen Perspektiven“.
Scheinbar zum Trotz von Bundesbauministerin Hubertz, die gerade noch im Bundestag einen „Bau-Turbo“ angekündigt hat, sekundiert von Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/Die Grünen), der warnte, dass „..der gesellschaftliche Zusammenhalt maßgeblich davon abhänge, dass klimagerechter und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werde“, und dem Aufruf, „den Baubestand durch Dachgeschossausbau und den Umbau von leerstehenden Bürogebäuden zu Wohnungen stärker zu nutzen.“
Die Deutsche Umwelthilfe stimmt zu: Es sei, „…angesichts der verfehlten Klimaziele im Gebäudesektor geradezu fahrlässig, am willkürlichen Abrisswahn in Deutschland festzuhalten“.
Man kann die Vernichtung vorhandenen Gebäudebestands angesichts der Berichterstattung über den „Problemstadtteil“ Hochheide auch unter ganz anderen Vorzeichen sehen: als verzweifelter Versuch, die Problemviertel in einzelnen Bezirken mit chirurgischen Schlägen zu entfernen und darauf zu hoffen, dass sich die Probleme anschliessend irgendwie in der Umgebung bzw. anderen Städten verteilen.
Die „Allgemeine Bauzeitung“ aus Hannover zeichnet die Sprengung eher sanft, das Gebäude sei „…erfolgreich ins Fallbett niedergelegt…“ worden, nennt die Hintergründe dafür umso ungeschminkter: „Das einstige Vorzeigeprojekt hatte sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Problempunkt der Stadt Duisburg entwickelt, sodass die Verantwortlichen sich schließlich dafür entschieden, zunächst drei der Gebäude abzureißen.“
„Zum ersten Mal wurde bereits Mitte der 80er-Jahre von Abriss gesprochen. Immer öfter war von einer „No-Go-Area“ die Rede, von jugendlichen Banden, die die Hochhäuser beherrschten. Die zunehmend leer stehenden Hochhäuser wurden schließlich zum Auffanggebiet für Flüchtlinge.“ (Rheinische Post)
Die Frankfurter Allgemeine hatte über den geplanten Abriss von Block Nummer eins im Jahr 2019 noch in romantisierendem Ton berichtet. „Früher einmal war diese Hochhaussiedlung in Duisburg etwas Besonderes. Modern und hip. Dann kam sie in die Jahre, das Biotop veränderte sich.“ Die Autoren der FAZ quälen sich hörbar durch die nächsten Sätze. Ein schicksalhafter, unausweichlicher Abstieg, an dessen „Ende es so aussehen soll, als hätte es sie nie gegeben…das Ende einer eigenen Welt.“ (FAZ)
Trotz einem „Versprechen auf… gleichmäßig geheizte Räume, mit Parkanlagen rundherum, mit großen, schön geschnittenen Zimmern…(..die dieser Ort nie für seine Bewohner eingelöst habe)“, hätten die weißen Riesen „..nur für eine Weile, Familien, Anwälte und Ärzte angelockt. Dann setzte der Verfall ein. Jahr für Jahr verschlechterte sich die Lage, viele Bewohner zogen aus, Neue kamen kaum hinzu, weil die Riesen schon nach wenigen Jahren als hässliche und sehr gefährliche Monster verschrien waren. Sie wurden das, was sozialer Brennpunkt genannt wird, wurden ein Ort, an dem selbstverständlich keiner, der ganz bei Trost war, leben wollte, und wo man nachts…besser nicht mehr hingehe – an den nur Menschen ziehen, die sich nichts anderes leisten können.“ (FAZ)
„Spätestens seit den neunziger Jahren sind die Riesen zu einem Ankunftsort geworden, zu einem Ort, in den Einwanderer nach ihrer Ankunft in einem neuen Land ziehen, weil sie dort für den Anfang finden, was sie brauchen: Infrastruktur, niedrige Mieten, Menschen ihren Ursprungs und ihrer Sprache.“ (FAZ)
Der auch in dem Ensemble stehende „Rote Riese“ (wegen der rot angemalten Balkonsimse, Anm.) „..war mal ein weißer Riese, der das Schicksal mit seinen Geschwistern teilte. Er verfiel, zog kaum noch Publikum an, und wenn doch, dann das falsche. Aber heute wartet der Rote Riese nicht, wie die anderen, auf seinen Abriss, nein. Vor einigen Jahren wurde er gekauft, rot angestrichen, auf den neuesten Stand gebracht und mit einer Caritas-Station ausgestattet. Diese Caritas-Station sorgt dafür, dass alles funktioniert im Roten Riesen, vor allem zwischen den Menschen. Seitdem ist der Rote Riese das eine Kind, das es geschafft hat, das seinen weißen Geschwistern genau das jeden Tag aufs Neue vorhält.“
„Viele Bewohner der Weißen Riesen würden gerne im Roten Riesen wohnen. Doch obwohl er kaum sechs Euro den Quadratmeter kostet: Er ist zu teuer. Und so bleibt ihnen nur der Blick auf den Roten Riesen, von ihren Balkons aus, vom Spielplatz, von den Bänken im Park. Die Träume in den Riesen sind klein, aber für die meisten ihrer Bewohner sind sie zu groß, und sie haben sich sowieso ihr Leben lang daran gewöhnt, dass sich ihre Träume nicht erfüllen.“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Mahmut Özdemir habe eine unbeschwerte Kindheit im Weißen Riesen verbracht, wo „die Nachbarn noch Steuerberater und Lehrer gewesen seien“ und macht nun Wahlkampf für die SPD für die Kommunalwahlen am 14. September 2025 mit einem „Duisburg-Plan“ (Auszug):
„Duisburg als Wohlfühlort: sichere und saubere Stadtteile in der ganzen Stadt. Mehr helle Orte in Duisburg schaffen und den Weg nach Hause in den Abendstunden insbesondere für Frauen sicherer gestalten.“ Denn Man Tau.
Einer Meldung der WAZ zufolge habe es schon 2020 eine Kostenexplosion von „16 Millionen Euro auf 43 Millionen gegeben.“ Für das Portal Ruhr 24 aber ist der Fall klar. Mit dieser Aktion „wolle die Stadt ein Zeichen für den Wandel im Viertel setzen“ denn „der mehr als 60 Meter hohe Wohnturm steht für den Niedergang des Viertels. Der Gebäudekomplex habe sich zum Symbol „sozialer Konflikte mit Sozialbetrug, Müll, Leerstand und Sicherheitsproblemen“ entwickelt.
Hingegen sei „das, was im Riesen passiert ist, fast integrationsfeindlich“, sagte MdB Mahmut Özdemir der FAZ. „Die Eigentümer wechselten, aber kümmerten sich nicht um ihre Häuser“.
Irgendwann habe er dann beschlossen, „politisch dafür zu kämpfen, den Ort, an dem er seine Kindheit verbracht hatte, abzureißen. Es tue ihm weh, sagt er, aber er wisse, dass es das Beste sei, für alle. In zehn Jahren, sagt Özdemir, stelle er sich vor, dass er mit seinen Kindern dort, wo die Weißen Riesen mal gewesen sind, durch einen Park läuft. Und, ohne sentimental werden zu wollen: Er würde dann gerne sagen können, dass es schön sei, dass sich der Abriss gelohnt habe.“
Wie die Rheinische Post berichtet, scheint nicht jeder der Meinung zu sein. Offenbar gibt mindestens einer der übrigen „weißen Riesen“ Anlass zur Beschwerde, das Blatt zitiert Erich K., „einen älterer Mann mit Gehstock und Hut: „Die reißen den falschen Riesen ab“, sagt er und schnippt die Kippe weg. „Den daneben müssten sie sprengen. Dann wären viele Probleme hier auf einen Schlag gelöst“, betont er und zeigt auf das Hochhaus, das er meint, und das bundesweit als Problemhaus bekannt ist. „Solange das steht, wird sich hier nichts an den Zuständen ändern“. „…das Problemhaus an der Ottostraße wollen die meisten weg haben, weil sich dort viele Armutsflüchtlinge aus Südosteuropa niedergelassen haben…. Das Gebäude habe „bundesweit für Aufsehen gesorgt…als die Sicherheitsbehörden mit einer groß angelegten Kontrolle gegen viele Bewohner wegen mutmaßlichen Kindergeld- und Sozialbetrugs vorgegangen sind. Der Vorwurf: Viele der damals dort noch rund 1400 registrierten Bewohner soll nur zum Schein in dem Haus gemeldet gewesen sein, um Sozialleistungen zu kassieren.“
Eine Bewohnerin klagt: „Von Jahr zu Jahr sei es schlimmer geworden…ich traue mich nicht, Freunde meines Sohns zum Spielen einzuladen. Es ist zu gefährlich. Hier wird man mit Gegenständen aus den oberen Stockwerken beschmissen, wenn man unten steht“, sagt sie. Ihre Nachbarin nickt: „Das ist furchtbar hier“, sagt sie. „Alles verwahrlost und dreckig. Jeder macht hier, was er will.“
dpa verkündet nach vollzogener Sprengung bei „Antenne Bayern“ den Wunsch der NRW-Bauministerin „Der Abriss sei ein wichtiger Schritt, um die Wohngegend aufzuwerten, sagte Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU): „Der dritte „Weiße Riese“ geht zu Boden – und macht Platz für Licht, Luft und neue Stadtgeschichte.“
Zuletzt war das Team von Spiegel TV im Duisburger Norden und auch in Hochheide an den Weißen Riesen unterwegs. Auch in dieser Reportage äußerte sich ein Anwohner eines anderen Problemstadtteils, wie sehr eine neu angelegte öffentliche Grünfläche nach dem Abriss von Gebäuden den Bezirk „aufgewertet“ habe, während gleich nebenan, direkt im Hintergrund vor laufender Kamera Migranten aufeinander einprügeln und sich gegenseitig mit Pfefferspray bearbeiten.