
Gegensätzlicher könnten die Meldungen nicht sein: In China sorgt die Staatsregierung mit ihrer Förderpolitik für immer neue Absatzrekorde bei NEV-Elektroautos (New Electric Vehicles), in Deutschland und der EU veranstalteten die Verantwortlichen als Folge ihrer Klimapolitik einen Auto-Krisengipfel nach dem anderen in Sachen „Rettung der Autoindustrie“. Doch welche Auswirkungen hat der Boom in China auf Europa und die europäischen Hersteller? Können sie auf dem heimischen und dem chinesischen Markt bestehen?
Nach den jüngsten Daten des chinesischen Statistikamtes hat die monatliche Produktion von Batterie-E-Autos (BEV) und Plug-in-Hybriden (PHEV) mit 1,65 Millionen Fahrzeugen im Reich der Mitte im Dezember 2024 einen neuen Rekordwert erreicht. Ein Zuwachs von 43 Prozent innerhalb eines Jahres. Davon wurden im Dezember 134.000 NEV exportiert – ein Plus von 19,8 Prozent –, davon rund 1.500 nach Deutschland mit Zielrichtung Markteroberung. Da gibt es noch viel zu tun, wird es noch viele Führungswechsel in der deutschen Geschäftsführung der Markteroberer geben.
Der Großteil der chinesischen NEV-Verkäufe im Dezember entfiel auf Batterie-betriebene Autos: 973.000 Einheiten bedeuten nicht nur den dritten Rekordwert in Folge, sondern auch ein Plus von 17,9 Prozent auf Jahressicht und einen Zuwachs von 7,2 Prozent zum bisherigen Rekord aus dem November. Bei den Plug-in-Hybriden hat die China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) 622.000 Einheiten gezählt, 71 Prozent mehr als im Dezember 2023 – was die starke Nachfrage nach den Teilzeit-Stromern in diesem Jahr gut verdeutlicht. Die BEV verfügen zwar nach wie vor über die stärkere Antriebsart, die Dynamik ist aber bei den PHEV höher.
Insgesamt hat China mit 12,9 Millionen Fahrzeugen 2024 einen neuen Rekord bei der Produktion und dem Verkauf von New Energy Vehicles (NEV) aufgestellt. 35,5 Prozent mehr als 2023 (9,5 Millionen) und dreißigmal mehr als in Deutschland.
Über alle Antriebsarten hinweg wurden 2024 in China 31,44 Millionen Fahrzeuge verkauft. Reine E-Autos und Plug-in-Hybride machen inzwischen 41 Prozent der gesamten chinesischen Fahrzeugproduktion und Verkäufe aus; andere alternative Antriebe (Hybride, Brennstoffzelle, Gas, Wasserstoff) spielen keine Rolle. Von den NEV waren rund 40 Prozent BEV, der Rest PHEV.
Ganz anders in Deutschland und Europa. Mit einem reinen Elektroantrieb (BEV) ausgestattete Autos und Plug-in-Hybride (PHEV) machten mit 572.672 Exemplaren 20,3 Prozent der Neuwagen aus. Das sind 18,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Davon waren 380.609 BEV, ein Minus von 27,4 Prozent gegenüber 2023. Die reinen Elektro-Pkw (BEV) erreichten 2024 einen Marktanteil von „nur“ 13,5 Prozent. Insgesamt wurden 2024 in Deutschland bereits 1.342 Millionen Neuwagen mit alternativen Antrieben zugelassen. Ihr Anteil am Gesamtneuzulassungsvolumen von 2.817 Millionen Pkw betrug, ähnlich wie im Vorjahr, 47,6 Prozent.
Entgegen der öffentlichen Meinung haben sich damit die deutschen Autokunden 2024 auch ohne staatliche „Nachhilfe“ nicht minder umweltfreundlich verhalten als die chinesischen. Allerdings ist China der „Elefant im Raum“: Das Land gibt inzwischen auf dem Automobilmarkt global den Ton an.
Aus diesem Grund ist die Entwicklung bei drei chinesischen Elektroauto-Herstellern von besonderer Bedeutung für die deutsche Autoindustrie, für Markt wie Hersteller: BYD wegen des aggressiven Wachstums, XPeng wegen der engen Verflechtung mit VW, und – obwohl im Sinkflug –, Tesla als Haupt-Konkurrent der deutschen Premium-Hersteller im gehobenen BEV-Segment.
Größter NEV-Hersteller in China ist BYD: Im Dezember 2024 hat der Auto- und Batteriehersteller mit 515.000 New Energy Vehicles einen neuen Verkaufsrekord aufgestellt, den siebten in Folge. Die Verbrennerproduktion hat BYD 2021 eingestellt. Inzwischen hat sich die Dynamik zwischen den BEV und PHEV auch bei BYD deutlich zugunsten des PHEV verschoben.
Gemessen an BYD ist VW-Hoffnungsträger XPeng ein Zwerg. Im Dauer-Duell zwischen Nio und XPeng konnte XPeng im Jahresverlauf 2024 seinen Absatz im Dezember auf immerhin 36.695 Einheiten und damit um 82 Prozent steigern. Konkurrent Nio lag im Gesamtjahr mit 221.970 Elektroautos in China vorne. In Deutschland dagegen brach der Nio Absatz 2024 um 68,5 Prozent auf 398 Einheiten ein. XPeng war hier erstmalig mit 393 Neuzulassungen am Markt.
Tesla hat im Dezember mit 83.000 E-Autos den besten Verkaufsmonat des Jahres 2024 in China erzielt. Insgesamt wurden 94.000 in „Giga Shanghai“ gebaut, davon gingen 11.000 Einheiten in den Export. Auf Jahressicht baute Tesla bei 657.000 Elektroautos in China (+ 8,8 Prozent). Vom globalen Tesla-Absatz in Höhe von 1.789.000 BEV verblieben 36,7 Prozent in China.
Aus diesen Zahlen lässt sich Folgendes ableiten: Der chinesische Automarkt ist von den Dimensionen her gigantisch und gerät mehr und mehr unter chinesische Kontrolle, vor allem bei Elektroautos. Die Wachstumsgeschwindigkeit hat im VW-Manager-Sprech sogar einen eigenen Namen: „China speed“.
Innerhalb des chinesischen Elektroauto-Marktes vollzieht sich eine deutliche Strukturveränderung hin zu Plug-in-Hybriden. Chinas E-Auto-Boom ist Ergebnis einer gezielten Industriepolitik und führt zur Verdrängung deutscher Hersteller und zu heimischer Rekordproduktion. Es ist absehbar, dass große Teile des chinesischen Automarktes für die deutsche Autoindustrie auf Dauer verloren sind.
Die deutsche Autoindustrie bedarf keiner gesonderten staatlichen Förderung der E-Mobilität. Die autonome Entwicklung von Hybriden und Plug-in-Hybriden ist ein Beleg dafür. In Summe beherrschen alle Hersteller die Technologie der Elektromobilität in allen Spielarten (Hybride, BEV und PHEV, Wasserstoff), zusätzlich zum Verbrenner. Am besten sind jene deutschen Autohersteller für den Wettbewerb mit der chinesischen Konkurrenz aufgestellt, die entsprechend der differenzierten Bedürfnisse der Konsumenten (Stadt, Land, Fernverkehr) geeignete Antriebssysteme in der ganzen Breite ihrer Modellpaletten zur Verfügung stellen. Also sowohl weiterhin Verbrenner für reine Verbrennermärkte als auch alle Spielarten des Elektro-Antriebs.
Staatliche Unterstützung ist allenfalls in Form von zeitlich limitierten Schutzzöllen ökonomisch sinnvoll, um den europäischen Herstellern Zeit und Raum zu lassen, alle notwendigen Spielarten der E-Mobilität wettbewerbskonform zu entwickeln und für den Markt zur Verfügung zu halten.
Komplette Antriebsystemwechsel wie Übergang zu Wasserstoff und synthetischen Treibstoffen erfordern allerdings Hilfestellung durch staatliche Infrastruktur-Investitionen, vergleichbar den Investitionen in die Ladeinfrastruktur bei E-Tankstellen.