E-Autos für den kleinen Mann vom Sozialamt

vor 14 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Kürzlich wartete der Münchner Merkur mit einer Schlagzeile auf, die besagte: „Große Mehrheit der Bayern meidet Elektroautos“. Laut Zahlen der Versicherungsgruppe HUK-Coburg sind lediglich 3,6 % aller bayerischen Autos im Privatbesitz rein elektrisch betrieben.

Umweltfreaks und deutsche Autohändler mit dem Blick aufs große Ganze mögen bei dieser Meldung geseufzt haben: „Ach, wenn es nur die Bayern wären…“. Trotz dieser geringen Quote liegt der Freistaat im bundesweiten Vergleich immer noch auf auf dem ersten Platz, am Ende der Skala rangieren Sachsen und Sachsen-Anhalt, obwohl dort mit BMW und Tesla große Autowerke Elektroautos produzieren.

Bemerkenswert ist, dass in Bayern die meisten E-Autos im Landkreis Starnberg unterwegs sind, wo im Bundesvergleich das Pro-Kopf-Einkommen und die Dichte der Bezieher hoher Einkommen statistisch am Höchsten ist. Was das Vorurteil stützt, dass Umweltschutz durch Fahren von Elektroautos ein Luxus ist, den sich überwiegend nur die oberen Einkommensklassen leisten können. Der sogenannte „kleine Mann“ bleibt außen vor.

Dieses Vorurteil wurde jetzt empirisch untermauert, der Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe und der Bereitschaft zur Anschaffung eines Elektroautos ist durch ein Gutachten des Ökoinstituts im Auftrag der Organisation Transport & Environment (T&E) bestätigt worden. Das Ökoinstitut war beauftragt, nach Wegen zu suchen, Elektromobilität in Deutschland schneller voran zu bringen.

Demnach hat die bisherige Förderung von Elektroautos in Milliardenhöhe durch sämtliche Bundesregierungen in erster Linie Menschen mit hohem Einkommen erreicht. Etwa zwei Drittel der Kaufprämien sind an Haushalte mit monatlichem Nettoeinkommen von mehr als 4500 Euro geflossen. „Bisherige Fördermaßnahmen für E-Mobilität haben vor allem Besserverdienende erreicht. Menschen mit geringem Einkommen hingegen bleiben außen vor – obwohl gerade sie am stärksten unter steigenden Energiepreisen leiden und ältere Autos fahren. Social Leasing (SOLE) könnte diese Ungleichheiten adressieren“.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. Nicht jeder kann sich ein eigenes Automobil leisten. Auch in Starnberg besitzen nicht alle ein Auto, auch in Starnberg sind nicht alle Autobesitzer reich, und nicht alle reichen Starnberger besitzen ein Elektroauto.  Da klafft noch eine riesige Lücke – auch und vor allem bundesweit.

Tatsächlich ist das von der Ampel-Regierung einmal angepeilte Ziel von 15 Millionen Voll-Elektroautos (BEV) auf deutschen Straßen bis 2030 sang- und klanglos in der Schublade für „Fehlgeschlagene Regierungsprojekte“ verschwunden. Anfang Januar 2025 waren In Deutschland laut Kraftfahrzeug Bundesamt (KBA) gerade mal 1,65 Millionen Voll-Elektroautos registriert, knapp 3,5 % des Pkw-Gesamtbestands Deutschlands von 49,3 Millionen; etwa 47,7 Millionen Einheiten waren mit Verbrennungsmotor ausgerüstet.

In Anerkennung dieser Fehlprognose hat die neue Bundesregierung es tunlichst vermieden, abermals eine empirische Zielsetzung für Elektroautos in ihre Koalitionsvereinbarung aufzunehmen, an der sie sich nach vier Jahren messen lassen müsste. Stattdessen heißt es im Koalitionsvertrag im Kapitel Automobilindustrie lediglich lapidar, sie wolle die Nachfrage nach Elektroautos ankurbeln, allein schon um der Autoindustrie zu helfen und um den Automobilstandort Deutschland zu stützen. Die Koalition hat dabei allerdings die Erkenntnisse des Öko-Instituts offensichtlich insoweit verinnerlicht, denn sie kündigte für E-Autos ein „Programm für Haushalte mit kleinem und mittleren Einkommen“ an. Konkreter wird der Koalitionsvertrag nicht.

Aber genau an dieser Stelle kommt Social Leasing (SOLE) ins Spiel. So hat zwischenzeitlich (noch) SPD-Vorsitzende Saskia Eskens konkret als Fördermaßnahme die Einführung von „Social Leasing“ in Deutschland nach dem Vorbild Frankreichs angeregt. Social Leasing soll jenen zugutekommen, die zwar auf ein Auto angewiesen sind, sich aber ein neues teures Elektroauto nicht leisten können. Und so selbst unter besten klimapolitischen Absichten auf ihr altes Verbrennerautos, vulgo: CO2-Schleuder, angewiesen sind. Zielsetzung: Auch wer kein Geld hat, soll sich ein E-Auto leisten können.

Der Nachbar Frankreich hat es vorgemacht. Frankreich hatte Anfang 2024 zur Förderung des Klimaschutzes und seiner lahmenden französischen Autoindustrie beim Absatz von Elektroautos ein Förderprogramm namens „Leasing Social“ aufgelegt. Dieses Konzept zielte auf Haushalte mit geringem Einkommen, das – vom Finanzamt umfassend überprüft – jährlich nicht mehr als 15.400 Euro betragen darf, die täglich eine Wegstrecke von 15 km und mehr zwischen Wohnort und Arbeitsstätte ohne alternativen Beförderungsmöglichkeiten durch den ÖPNV zurücklegen müssen oder beruflich mehr als 8000 km im Jahr unterwegs sind. Die Geförderten können sich kein eigenes Elektroauto leisten, wohl aber dank der Regierung Macron ein solches mit einer monatlichen Rate von 80 bis 150 Euro leasen.

Dieses Konzept sollte den Menschen die ersten, meist sehr teuren, Leasingraten ersparen. Die Leasing-Verträge sollen dann für drei Jahre laufen und erneuerbar sein. Das Mietfahrzeug darf im Neupreis maximal 47.000 Euro kosten und muss aus europäischer Produktion stammen. Für jedes geleaste Auto schießt der französische Staat bis zu 13.000 Euro zu. Die Regierung gibt also das Geld für das E-Auto, der Rest wird vom Leasing-Nehmer in Raten gezahlt. Insgesamt läuft das Leasing dann drei Jahre lang, mit anschließender Kaufoption. Wer das Auto lieber zurückgibt, zahlt einen Abschlag für die Abnutzung.

So der Plan der Französischen Regierung. Für 2024 sollte das staatliche Angebot auf 20.000 bis 25.000 mögliche Anmeldungen begrenzt sein, später aber schrittweise ausgeweitet werden. Das Programm fand so reißenden Anklang, dass die dafür vorgesehenen Mittel bereits kurz nach Einführung aufgebraucht waren und die französische Regierung es aus Gründen der finanziellen Überforderung aussetzen musste.

Die T&E als Auftraggeber des SOLE- Gutachtens beim Öko-Institut störte dieser Fehlschlag beim Nachbarn Frankreich nicht. Im Gegenteil: Obwohl Anfang 2024 Ampelminister Robert Habeck wie auch die französische Regierung an der Unbezahlbarkeit der E-Auto-Fördermaßnahmen kläglich gescheitert sind, fordert T&E unverdrossen von der neuen Bundesregierung eine schnelle Umsetzung von Social Leasing. Die neue Machbarkeitsstudie des Öko-Instituts belege, dass ein bundesweites Social Leasing-Programm enormes Potenzial hat, die Nachfrage nach erschwinglichen E-Autos zu stimulieren, einkommensschwache Haushalte zu entlasten, und Emissionen im Verkehrssektor zu senken.

Mit dieser neuen Machbarkeitsstudie wollten rotgrüne E-Auto Fetischisten offensichtlich zeigen, wie Social Leasing nach behaupteten Erfolgen in Frankreich möglichst unbürokratisch in Deutschland umgesetzt werden könnte. „Frankreich hat Mut bewiesen und Social Leasing mit vollem Erfolg angestoßen“, so Susanne Goetz von T&E. Deutschland müsse jetzt nachziehen. Ein Instrument mit so breitem Zuspruch solle ganz oben auf der Tagesordnung stehen. „Dabei können wir von den Erfahrungen in Frankreich profitieren und die deutsche Version noch zielgerichteter und umfangreicher gestalten.

Diese nicht völlig überraschenden Erkenntnisse des Öko-Instituts und der T&E wurden von SPD-Parteivize Saskia Eskens dem Anschein nach als Programmpunkt in den Koalitionsverhandlungen eingebracht, aber dort nicht expressis verbis ausformuliert. Dies wurde dann später über die Medien vorgetragen, u.a. in der Süddeutschen Zeitung, im MDR und im Merkur.

Die Zielsetzung von Social Leasing in Deutschland ist nach den „grünen“ sozialdemokratischen Vorstellungen multidimensional: Wenn ab 2026 bis 2030 jährlich 100.000 kleiner und preisgünstiger E-Autos zusätzlich über Social Leasing zugelassen würden, könnte das den Markthochlauf kleiner E-Fahrzeuge deutlich beschleunigen. 2026 könnte ein solches Programm den Markt für günstige E-Autos auf etwa 150.000 Einheiten verdreifachen, bis 2030 den Gesamtabsatz solcher kleiner E-Autos in Summe immerhin auf  279.000 Fahrzeuge steigern. Gemessen an den heutigen Jahres-Gesamtzulassungen wären das immerhin 10 %. In 50 Jahren wären so, rein rechnerisch, die von der Bundesregierung einstmals angestrebten 15 Millionen Elektroautos bis 2030 dann erreicht.

Es wäre auch ein Schritt hin zu einer (sozial) „gerechten Verkehrswende“. Mittelfristig würde SOLE auch den Gebrauchtwagenmarkt stärken. Davon würden weitere low-income Käuferschichten profitieren. Gleichzeitig kann das SOLE Programm CO₂-Emissionen signifikant senken. Allein 100.000 durch Social Leasing ersetzte alte Verbrenner könnten rund 218.000 Tonnen CO₂ im Jahr einsparen.

Für die neue Bundesregierung könnte Social Leasing nach Meinung der Studie also drei Ziele gleichzeitig erreichen: den Markt für E-Autos stärken und die Transformation beschleunigen, die sozialen Ungleichheiten in der Nutzung von E-Autos verringern und die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich senken. All das ist indessen reines Wunschdenken.

Da wären zum einen die hohen Finanzierungskosten. Was den Staat ein solches SOLE-Programm kosten würde, darüber schweigen  sowohl  Öko-Institut wie T&E. Angeführt werden lediglich die administrativen Verwaltungskosten, die ein solches Programm den Staat – vulgo: Steuerzahler, nicht Sondervermögen –  jährlich kosten würde. Diese Kosten werden bei 100.000 geförderten E-Autos mit maximal 5 Millionen Euro angegeben.

Über die eigentlichen Subventionskosten für Social Leasing, an denen bereits die Regierung Macron gescheitert ist, weil sie aus dem Ruder liefen, wird hartnäckig geschwiegen. Und das aus gutem Grund. Würde die Bundesregierung nach dem französischen Vorbild jedes Leasingauto mit nur 13.000 Euro bezuschussen, beliefe sich die Fördersumme bei nur 100.000 Leasing-Autos bereits auf 1.3 Milliarden Euro. Und das jährlich.

Bewertet man Eskens Vorschlag aus ökonomisch-sozialer Sicht, so kommt man wohlmeinend zu dem Ergebnis, dass SOLE zwar gut gemeint ist und dem sozialen Anspruch der SPD gut zu Gesicht steht. Er gehört allerdings eher in das Fach „Sozialromantik“. Es handelt sich um eine nicht durchführbare „soziale Blendgranate“.

Hinzu kommt, dass in der Prioritätenskala der Grundbedürfnisse der Bürger mit schmalem Geldbeutel der Besitz eines eigenen E-Autos nicht weit oben rangiert. Da gibt es wichtigeres an sozialer Unterstützung, etwa bezogen auf Wohnungsnot, Mieten etc.

Eine weitere Crux von Sozial Leasing liegt in der Identifikation der Zielgruppe. Einerseits muss die Bedürftigkeit nachgewiesen werden, die Einkommenshöhe soll den Betrag von 15.400 Euro nicht überschreiten. In Frankreich besteht dazu eine umfassende Steuererklärungspflicht, in Deutschland haben die Behörden keinen Zugriff auf Einkommensdaten, hier müssten Einkommenssteuerbescheide oder steuerliche Selbsterklärungen herhalten. Ein riesiger bürokratischer Aufwand, der „sozialen Gerechtigkeit“ und der Vermeidung des Missbrauchs wegen.

Andererseits muss der Bedarf belegt werden, nämlich die Zurücklegung einer Wegstrecke von mindestens 15 km und täglich zwischen Wohnort und Arbeitsstätte ohne alternativen Beförderungsmöglichkeiten durch Bus oder Bahn. Alternativ müssen 8000 km jährlich aus Berufsgründen zurückgelegt werden. Die Überprüfung und Überwachung wäre nur unter kostenintensivem bürokratischem Aufwand durchführbar. Die angesetzten 5 Millionen Euro Verwaltungskosten pro Jahr sind nicht realistisch.

Sodann bestehen Zielkonflikte mit Verkehrs- und Umweltzielen: SOLE müsste so gestaltet werden, dass ein reiner Umstieg vom bisher genutzten ÖPNV oder vom Radweg auf ein SOLE-E-Auto verhindert wird. Dies wäre kontraproduktiv, weil die Verkehrsdichte weiter gesteigert und die sonstige Umweltbelastung sogar zunehmen würde.

Und schließlich wäre da die Machbarkeit: Kleine Elektroautos aus heimischer Produktion wären nicht vor 2027 verfügbar. Der Markt wird von chinesischen Anbietern (BYD, Chery, Geely) oder französischen Herstellern  (Renault, Peugeot, Dacia) dominiert. VW kommt frühestens 2027 (EVERY1). Die Fördermittel der Bundesregierung würden also zunächst fast ausschließlich ausländischen Herstellern zugutekommen.

Soweit zu den Bedenken gegen Sozial-Leasing. Der Neigung der Deutschen, gegen alles Neue Bedenken zu hegen, wäre damit Genüge getan.

Es gibt durchaus auch positive Aspekte. Eine positive Auswirkung von SOLE wäre einerseits die Stärkung des Automobils generell als Verkehrsmittel im Ansehen und Bewusstsein der Bevölkerung. Radikale grüne Vorstellungen gehen in eine andre Richtung: Sie wollen das Autos generell als individuelles Verkehrsmittel verdrängen.

Zum zweiten bewirkte Social Leasing insofern eine Absatzstärkung der deutschen Autoindustrie, soweit dadurch zusätzlich Nachfrage nach (deutschen) Elektro-Neuwagen entsteht. Eine reine Substitution – alter Verbrenner raus, kleines E-Auto rein –  wäre fatal für die Autohersteller, da bei Verbrennern die Gewinnmargen höher sind.

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