
„Energiewende effizient machen“ lautet der offizielle Titel des Berichts. Ministerin Reiche hatte mit dem Energiewirtschaftlichen Institut der Uni Köln (EWI) und der privaten BET Consulting GmbH zwei Institutionen mit dem Monitoringbericht beauftragt, die als energiebranchenfreundlich gelten, aber nicht dezidiert die „Erneuerbaren“ als Arbeitsschwerpunkt haben. Das weckte frühzeitig Kritik von Seiten der Wind- und Sonnenbarone und ihrer Verbände. Es bestand die Gefahr, dass nicht mehr alle Entscheidungen der CO2-Minderung und dem Ausbau der „Erneuerbaren“ untergeordnet werden, sondern eine – eigentlich längst überfällige – systemische Betrachtung erfolgt. Nicht Agora und das DIW durften erwartbare Ergebnisse aufschreiben, sondern Institute, denen eine Nähe zur Energiewirtschaft unterstellt wird. Wie schrecklich – Wirtschaftsnähe! Eine Wirtschaft, die täglich konkret das System am Laufen hält und immer liefert, auch wenn kein Energiewende-Wetter herrscht.
Verkürzt kann man konstatieren, dass von einem „Abwürgen“ der Energiewende nicht die Rede sein kann. Weder werden das 80-Prozent-Ziel („Erneuerbaren“-Produktion im Jahr 2030) noch die illusorische Dekarbonisierung bis 2045 in Frage gestellt. Sanfte Korrekturen werden beim erwarteten Stromverbrauch angebracht, was nicht gerade eines hochkarätigen Gutachtens bedurfte. Dass sich E-Mobile und Wärmepumpen schlechter verkaufen, als im Habeckschen Staatsplan vorgesehen, dürfte sich herumgesprochen haben. Die Abwanderung von Industrie hat sich als Trend verfestigt. Viele Sachverhalte werden korrekt beschrieben, nötige Folgerungen fehlen. Teils sind die Ausführungen widersprüchlich.
Dass weitere Industrie abwandern wird, ist keine gewagte Prognose, sondern eine ziemlich sichere Perspektive. Wenn sogar die selbsternannte „Transformationsgewerkschaft“ IG BCE konstatiert, dass der Emissionshandel unsere Betriebe umbringt und der Zeitplan zur Dekarbonisierung die Unternehmen überfordere, wenn ostdeutsche Betriebsräte noch nie so viele Arbeitsplätzte wie heute bedroht sehen, die Energiewende mit einer Operation am offenen Herzen der Volkswirtschaft vergleichen und fürchten, dass dieser Patient droht, auf dem OP-Tisch zu sterben, wären deutlichere Worte der Sprecher der beauftragten Institute zu erwarten gewesen. Stattdessen samtweiche Formulierungen, wohl um nicht anzuecken.
Stattdessen soll ungebremst der Ausbau der „Erneuerbaren“ weitergehen, obwohl der Netzausbau sich nicht mehr beschleunigen lässt und Speicher riesenhafter Kapazitäten mittelfristig nicht entstehen können. Eine bessere „räumliche Steuerung“ des „Erneuerbaren“-Ausbaus ruft hingegen nach weitergehenden Gesetzen und Regelungen durch Behörden. Damit ist ein weiterer Bürokratieaufbau vorprogrammiert.
Desweiteren ist vom Wasserstoff-„Hochlauf“ die Rede, als hätte es die zahlreich gestorbenen H2-Projekte der letzten Wochen und Monate nicht gegeben. Die fehlende Wirtschaftlichkeit eines Wasserstoffsystems wird zwar angesprochen, aber Folgerungen werden nicht abgeleitet.
Der größte Mangel des Monitorings besteht darin, dass es offenbar keine deutlichen Änderungen am Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) geben soll. Damit bleiben die Verwerfungen durch Einspeisevorrang, Festvergütung und Bezahlung von Phantomstrom bestehen. Die PV-Vergütung für Neuanlagen soll entfallen. Das wäre heute schon und auch für Bestandsanlagen zumutbar.
Die Vergütung von Ökostrom bei negativen Preisen an der Strombörse ist an volkswirtschaftlicher Idiotie kaum zu überbieten. Die Tatsache, dass schon bei der Herstellung eines Produkts das Wissen um seine kostenpflichtige Entsorgung besteht, ist skandalös und die daraus folgenden negativen Marktpreise entspringen blankem wirtschaftspolitischem Unfug und widersprechen jeglicher Vernunft. Auch dafür steht nun Katherina Reiche. Weitere schädliche Gesetze stünden zur Änderung, besser noch, zur Streichung an, zum Beispiel das wachstumsfeindliche hochbürokratische Energieeffizienzgesetz (EnEfG).
Natürlich finden sich Kritiker, denen schon leichte Veränderungen zu viel sind. Greenpeace beklagt, dass die Klimaschäden nicht eingepreist würden. Wie die berechnet werden bei einem 1,6-prozentigen deutschen Emissionsanteil und dass Klima-Anpassungskosten ohnehin anfallen werden, interessiert grüne Ideologen nicht. Von deutschem Boden aus werden wir am globalen Klimawandel nichts ändern, wenn China im Jahr 2024 eine Rekordzahl an Kohlekraftwerken in Betrieb nahm und auch andere wachsende Länder ihre fossilen Kapazitäten ausbauen. Es gehört zur Ideologie von Greenpeace und regierungsbezahlter „Nichtregierungs“-Organisationen, trotzdem an der Forderung nach Klimakampf um jeden Preis festzuhalten und weiter die Schuldzuschreibung den Menschen hierzulande zu betreiben. Ziel ist, die Forderung nach „mehr Erneuerbaren“ permanent zu indoktrinieren und die Menschen dazu zu bringen, regierungsamtliche Zumutungen klaglos hinzunehmen.
Dabei kann einem Katherina Reiche eigentlich leidtun. Mit ihrem Vorwissen aus Politik und Energiewirtschaft unterscheidet sie sich deutlich von ihren minderleistenden Vorgängern. Peter Altmaier war ein fachfremder Paladin Merkels, Habeck ein knallharter ideologisierter Philosoph, beide waren in Fragen der Wirtschaft weitgehend ahnungslos. Vorvorgänger Sigmar Gabriel nahm die Realitäten insofern wahr, dass er feststellte, dass wir hinsichtlich der Energiewende für die meisten Länder der Welt sowieso die Bekloppten seien.
Wenn Ministerin Reiche dürfte, würde sie mit Sicherheit deutliche Entscheidungen treffen. Allein der Versuch wäre das Ende der Koalition und würde von Kanzler Merz verhindert. Sie wäre dann auch ihr Amt los. Der Kanzler ohne Rückgrat würde umfallen, wenn die SPD-Fraktion auch nur den Mund zum Pfeifen spitzt.
Da es aber terminlich ausgeschlossen werden kann, dass im Jahr 2030 eine nennenswerte Zahl an neuen Gaskraftwerke läuft, müsste man schon heute über den Elefanten im Raum, das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG), reden und es zeitnah novellieren. Die SPD wird das verhindern, solange es geht und bis der Druck der Realitäten zu groß wird.
Egal, was Ministerin Reiche künftig an Handlungsspielraum bleibt, es wird nicht reichen. Sie wird obendrein die „Gas-Kathi“ sein, weil die Rotgrünen ein Feindbild brauchen, das man regelmäßig auf niedrigem Niveau angreifen kann. Eine Wende von der Wende wird es nicht geben.