Ein Nothing-Burger aus Alaska?

vor etwa 3 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Wer beim Treffen von Donald Trump und Wladimir Putin auf einen Friedensschluss hoffte, wurde enttäuscht. Für Realisten gab es hingegen keine Überraschungen.

Vor allem der russische Präsident Putin zeigte sich im Laufe des Spektakels in Anchorage in bester Laune. Jovial nutzte er, wie auch schon während des Interviews mit Tucker Carlson, die Pressekonferenz, um seinem neuesten Hobby, dem Geschichtsunterricht, zu frönen und der versammelten Reporterschar die historische Verbindung von Russland und Alaska näherzubringen.

Präsident Trump hingegen inszenierte das Treffen hollywoodreif, mit als Höhepunkt dem Überflug eines B2-Bombers über Putin hinweg. Wie immer bei Trump vermischten sich in dieser Geste Protzerei und Intimidierung des Gegenüber. Putin hingegen, soweit man das an Fernsehbildern ablesen kann, gab sich betont amüsiert über diese Darbietung. Das größte Schachspiel zwischen Ost und West seit Bobby Fischer und Boris Spasski nahm seinen Lauf.

Der erste Punkt ging dabei sicher an Wladimir Putin, der allein durch das Treffen selbst an Legitimität gewann. Zwar ist die Welt mittlerweile größer als die USA, dennoch ist dieses Treffen, nachdem Joe Biden über Jahre hinweg Russland wie einen Schurkenstaat ignorierte, ein diplomatischer Erfolg und eine Rückkehr auf die westliche Politbühne.

Trump hingegen wird aus dieser Episode nur dann als Gewinner hervorgehen, wenn ihm tatsächlich ein Friedensschluss gelänge. Doch davon ist man nach dem Treffen in Anchorage nach wie vor weit entfernt.

Obwohl keine Details darüber bekannt sind, in welchen Fragen noch weitere Annäherung vonnöten ist, so ist es wohl nicht abwegig davon auszugehen, dass vor allem die Territorialfrage noch ein Knackpunkt ist. Russland besetzt zur Zeit knapp 20 Prozent der Ostukraine und gedenkt nicht, die besetzten Oblasts wieder aufzugeben. Kiew hingegen beharrt auf einer vollständigen Wiederherstellung der territorialen Integrität. Das ist allerdings eine Forderung, der Russland nach über dreieinhalb verlustreichen Jahren nicht nachgeben kann und wird, zumal dies nicht dem bisherigen Kriegsverlauf entspricht.

Inmitten der betont freundschaftlichen Gesten zwischen Putin und Trump stach dann noch der Seitenhieb auf Europa heraus. Trump hatte bereits vor dem Treffen signalisiert, sich nicht von Europa die Verhandlungen diktieren zu lassen. Putin selbst legte in der Pressekonferenz nach, als er seine Hoffnung zum Ausdruck brachte, die europäischen Staaten würden die Verhandlungen nicht torpedieren. Das ist die diplomatische Variante von: „Ruhe in den hinteren Reihen!“

So endete die Pressekonferenz ohne die erhoffte Verkündung eines Waffenstillstands, sondern stattdessen mit einer von Putin bewusst auf Englisch ausgesprochenen Einladung nach Moskau zur Fortführung der Verhandlungen. Mit dem Besuch in Alaska hatte Putin Trump dessen Inszenierung ermöglicht, nun erfolgt also der Ruf in die Höhle des Löwen. Die Chancen, dass Trump diesem Ruf folgt, stehen nicht schlecht, denn der amerikanische Präsident steht unter weitaus höherem Druck als Putin, die Verhandlungen zu einem positiven Abschluss zu bringen. Die Absicht Trumps, sich aus dem Ukraine-Konflikt zurückzuziehen, ist hinlänglich dokumentiert. Währenddessen spielt die Zeit in dem Konflikt für Russland, das zwar langsam, aber stetig Gebietsgewinne vorzuweisen hat.

Der große Abwesende in dieser Gleichung ist natürlich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dessen Rolle als von Gottes Gnaden eingesetzter Stellvertreter immer deutlicher wird. Es ist aber gerade dieser „ungehorsame“ Selenskyj mit seinen Maximalforderungen, der in der ebenfalls übergangenen EU einen willigen (und ebenso beleidigten) Unterstützer finden könnte.

An der Ausgangslage hat sich also wenig verändert. Die Verhärtung der Fronten zwischen Putin und Selenskyj hat schon früh dazu geführt, dass ein Ende des Konflikts wohl nur durch einen Regimewechsel in einem der beiden Länder möglich scheint. Die Biden-Regierung machte aus ihrer Forderung nach solch einem Regimewechsel in Russland kaum einen Hehl, aber diese Hoffnung dürfte sich mittlerweile zerschlagen haben. So bleibt als Alternative nur die Ukraine, in der in den letzten 20 Jahren schon öfter – auch mit ausländischer Unterstützung – solche Regimewechsel stattgefunden haben.

Die Tatsache, dass in Alaska Trump und Putin verhandelten, anstelle von Putin und Selenskyj, zeigt nicht, dass Trump ein Friedensdiplomat aus Passion ist, sondern dass es sich um einen Stellvertreterkrieg der USA mit Russland handelt, den die USA nun beenden wollen.

In Anchorage konnte man Putin ansehen, wie sehr er die momentane Situation genießt, während Donald Trump deutlich angespannter wirkt. Mit jedem weiteren Tag des Kriegs und weiteren Gebietsgewinnen Russlands wird Trumps Verhandlungsposition schwächer. Und einem sofortigen Ende des Krieges steht ein Selenskyj gegenüber, der sich zunehmends nach alternativen Unterstützern umsieht. Putin hat in den jetzigen Verhandlungen die Oberhand und muss Trump einen Ausweg bieten, der es dem US-Präsidenten erlaubt, sein Gesicht zu wahren.

Es wäre vermessen gewesen zu erwarten, dass dieser gordische Knoten in Anchorage zerschlagen würde. Doch die angekündigten Telefonate Trumps mit Selenskyj und der NATO dürften richtungsweisend werden.

Das Schachspiel in Anchorage endete mit einem Unentschieden. Allerdings mit einem Unentschieden, dass Putin seinem Gegenüber schenkte. Denn über alle Partien gerechnet liegt Russland in diesem Konflikt in Führung. Und Trump geht langsam die Zeit aus, um das Match noch zu drehen.

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