
Das Bürgergeld ist nicht mehr soziale Unterstützung, es ist zur Einladung geworden, es sich dauerhaft im Sozialstaat bequem zu machen. Diese Diagnose kommt nicht von Populisten oder rechten Stimmen, sondern von einer Frau, die es wissen muss: Elena Zavlaris, Leiterin eines Berliner Jobcenters, schlägt im Gespräch mit der Welt am Sonntag Alarm. Ihre Worte sind eindeutig: „Einige Menschen haben sich im Bürgergeld eingerichtet und fühlen sich nicht mehr verpflichtet mitzumachen.“ Seit zehn Jahren im Leistungsbezug, ohne jemals im Jobcenter aufgetaucht zu sein? Kein Einzelfall mehr, sondern ein strukturelles Problem.
Und die Politik? Diskutiert über neue Namen und kosmetische Änderungen, während das System implodiert. Die versprochene „volle Streichung“ für Totalverweigerer? Hat es laut Recherchen der Welt am Sonntag noch kein einziges Mal gegeben. Sanktionen, wenn sie denn verhängt werden, sind bestenfalls symbolisch. Wer Beratungsgespräche einfach ignoriert, fällt durchs Raster jeder Konsequenz. Es herrscht quasi rechtsfreie Zone im Sozialstaat.
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, wurde belächelt, als er bei Markus Lanz öffentlich machte, dass eine siebenköpfige Familie in seiner Stadt 7471 Euro netto Bürgergeld im Monat erhält – mit amtlichem Bescheid. Doch statt Empörung in Berlin: Lieber Empörung über Palmer. Palmer sagt klipp und klar: „Die Zahlen stimmen. Das ist ja das Problem.“ Und genau dieses Problem explodiert gerade – nicht nur finanziell, sondern moralisch.
Denn: Das Bürgergeld ist nicht nur teuer, es ist auch sozialpolitisch ungerecht. 2024 steigen die Ausgaben auf über 40 Milliarden Euro, fast 14 Milliarden Euro allein für Menschen, die keine deutschen Staatsbürger sind. Fast jeder dritte Bürgergeld-Euro geht heute an Ausländer, viele davon ohne Flüchtlingsstatus. Für Ukrainer allein: 5,8 Milliarden Euro. Für Syrer: 3,5 Milliarden. Jeder Steuerzahler in Deutschland zahlt rechnerisch über 265 Euro im Jahr nur für das Bürgergeld für Ausländer – ob er selbst mit einem Nettoverdienst über die Runden kommt oder nicht, spielt keine Rolle.
Währenddessen wirbt die Bundesagentur für Arbeit ganz offen damit, das Bürgergeld mit zusätzlichem Einkommen aufzubessern. Kein Scherz: „Einkommen mit Bürgergeld ergänzen“, heißt es auf Webseite wie auf Plakaten. Was früher eine Notlösung war, wird heute als Lebensmodell propagiert. Gleichzeitig wird es für viele Geringverdiener schlicht unattraktiv, zu arbeiten – warum schuften, wenn man mit Bürgergeld kaum schlechter dasteht, ohne Frühschicht, Verantwortung oder Pendelstress?
Besonders grotesk wird die Lage beim Blick auf wehrpflichtige ukrainische Männer in Deutschland. Rund 256.000 Männer zwischen 18 und 60 Jahren, die nach ukrainischem Gesetz eigentlich im Kriegsdienst stehen müssten, leben hier – 70 Prozent von ihnen empfangen Bürgergeld. Während die Ukraine um Soldaten ringt, finanziert Deutschland deren Lebensunterhalt. Die meisten könnten arbeiten oder sich nutzbringend in die hiesige Gesellschaft einbringen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU): „Es kann nicht sein, dass wir die Ukraine militärisch unterstützen und gleichzeitig prämieren, wenn sich jemand der Wehrpflicht entzieht.“ Doch Sanktionen oder eine konkrete Forderung nach einer zu erbringenden Gegenleistung an die Gesellschaft? Fehlanzeige. Auch hier versagt die Politik auf ganzer Linie.
Das Bürgergeld ist längst kein soziales Auffangnetz mehr, sondern ein Magnet für Missbrauch und Fehlanreize: durch gesetzliche Schlupflöcher, fehlende Kontrolle und politische Feigheit. Wer morgens zur Arbeit fährt, zahlt die Rechnung, für alle, die es sich auf Kosten der Gemeinschaft bequem machen. Manche bemühen sich darum, aus dieser Situation herauszukommen und müssen feststellen, dass sie sich mit Arbeit gleich wieder schlechter stellen würden als unter Bezug des Bürgergelds.
Die Botschaft an die Fleißigen, an die Steuerzahler, an die Leistungsträger im Land? Eindeutig: Ihr seid die Dummen.
Die Folgen sind absehbar: Das Vertrauen in den Sozialstaat kommt an sein Ende. Der gesellschaftliche Zusammenhalt erodiert. Die Wut wächst – und sie richtet sich nicht gegen die Nutznießer, sondern gegen eine politische Klasse, die sich weigert, das Offensichtliche zu benennen und diese eklatanten Missverhältnisse wieder in Ordnung zu bringen.
Wenn dieses System nicht grundlegend reformiert wird, mit klaren Regeln, echter Sanktionierbarkeit und Rückbesinnung auf das Leistungsprinzip, wird sich die stille Empörung bald laut Bahn brechen. Und dann wird die Frage nicht mehr sein, wie man Bürgergeld reformiert, sondern ob man das verlorene Vertrauen in den Staat überhaupt noch zurückgewinnen kann.