Ein verlorener Coup – und der Spin danach

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Dass Frau Frauke Brosius-Gersdorf nicht mehr zur Richterin am Bundesverfassungsgericht gewählt werden wird, hätte ein guter Tag für die Demokratie sein können. Ein Tag, an dem deutlich wurde, dass öffentliche Aufmerksamkeit und kritischer Widerspruch noch Gewicht haben – auch gegen parteipolitische Machtspiele. Doch genau dieser demokratische Reflex wird nun umgedeutet.

Statt einer ehrlichen Aufarbeitung dieses gescheiterten politischen Coups der SPD wird nun folgender Spin gesetzt: Eine angeblich orchestrierte „Kampagne“, gelenkt von „extremen Kräften“, habe Brosius-Gersdorfs Wahl verhindert. Diese Erzählung ist bequem – sie entlastet die SPD, die mit ihrer Personalie eine fragwürdige Entscheidung durchdrücken wollte, und schützt jene Medien, die das Vorgehen weitgehend unkritisch begleiteten.

Doch es gab keine orchestrierte Hetze. Es gab Kritik – aus der Mitte der Gesellschaft, von Juristen, Medienkommentatoren und einzelnen Politikern. Kritik daran, dass eine höchst umstrittene Person auf einen Posten von zentraler demokratischer Bedeutung gehoben werden sollte. Kritik daran, dass Parteien versuchen, über den Umweg der Personalpolitik ihre ideologischen Vorstellungen in eigentlich unabhängigen Institutionen zu verankern.

Der eigentliche Skandal liegt nicht in der Kritik an der Entscheidung der SPD, sondern im Versuch, diese Kritik zu ignorieren. Der Reflex der SPD, mit Macht durchzuregieren, wurde gestoppt – nicht von einer “Kampagne”, sondern durch Öffentlichkeit. Genau das, was Demokratie braucht: Kontrolle, Transparenz, Debatte.

Doch die Geschichte wird nun anders erzählt. Brosius-Gersdorf soll zur tragischen Figur verklärt werden – Opfer eines „Shitstorms“, einer dunklen Welle von Demokratiefeinden. Während öffentlich über „wehrhafte Demokratie“ geredet wird, bastelt man hinter verschlossenen Türen womöglich schon an einem Verfahren, das eine künftige Einmischung aus der Gesellschaft möglichst ausschließt. Kritik wird dann als „Delegitimierung des Staates“ gebrandmarkt, Öffentlichkeit zur Bedrohung erklärt.

Das ist nicht wehrhaft. Das ist selbstherrlich.

Der Fall Brosius-Gersdorf ist eine Zäsur – nicht, weil sie verhindert wurde, sondern weil Politik und öffentlich-rechtliche Medien in dieser Situation eine tiefe Blöße offenbart haben. Sie haben ihre Deutungshoheit verloren. Und das werden sie sich nicht gefallen lassen. Doch wenn auf diese Blamage die Einschränkung öffentlicher Mitwirkung folgt, ist die Demokratie tatsächlich in Gefahr – nicht wegen zu viel Kritik, sondern wegen zu wenig Bereitschaft, sie auszuhalten.

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