
Das „Windenergieflächenbedarfsgesetz“ – kurz WindBG – ist nicht nur sprachlich ein Monster. Auch politisch gehört das Machwerk zum schlimmsten, was von der Ampel übriggeblieben ist.
Das im Jahr 2022 geschriebene und 2024 schon wieder novellierte Gesetz verpflichtet alle Bundesländer dazu, Zonen für den Bau neuer Windräder auszuweisen. Das gilt auch für Berlin, denn die Metropole ist ja auch ein Bundesland. Bis 2027 muss die Hauptstadt 0,25 Prozent ihrer Fläche diesem Zweck widmen. Bis 2032 muss der Anteil auf 0,5 Prozent steigen.
Berlin ist mit 3,8 Millionen Einwohnern nicht nur die mit Abstand größte deutsche Stadt. An der Spree wohnen auch mehr als 4.000 Menschen auf einem Quadratkilometer. Das ist der (nach München) höchste Wert von allen deutschen Großstädten. Zum Vergleich: In Hamburg sind es nur etwa 2.500 Personen pro Quadratkilometer.
Ein Zeitgenosse mit gesundem Menschenverstand könnte schon auf die Idee kommen, danach zu fragen, wie sinnvoll es wohl ist, ausgerechnet in der Stadt mit der zweithöchsten Siedlungsdichte der ganzen Republik Windparks mit einem bekannt riesigen Flächenbedarf aufzustellen. Jedes Windrad braucht während der Bauphase rund einen Hektar. Robert Habeck hat sich das offenbar nicht gefragt, und folgerichtig fragt das WindBG auch nicht danach.
Jetzt hat der Senat – so heißt die Berliner Landesregierung – festgelegt, wo in der Stadt künftig Windräder gebaut werden können. Acht Zonen kommen in Frage, für die der Flächennutzungsplan entsprechend geändert werden soll. Das hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nun im Berliner Amtsblatt veröffentlicht.
Laut Gesetz sollen Windräder vor allem auf sogenannten Vorranggebieten aufgestellt werden. Dafür kommen auch Flächen mit geringerem Wind, aber mit ausreichendem Windpotential in die Auswahl – also mit mittleren Windgeschwindigkeiten von 4,8 bis 5,4 Metern pro Sekunde, gemessen in 160 Metern Höhe. Als grundsätzlich geeignet definiert das WindBG unter anderem Ackerland, Forst und Weideland. Selbst Landschafts- und Wasserschutzgebiete können zur Errichtung von Windrädern unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht gezogen werden.
So verwundert es auch nicht wirklich, dass zu den jetzt vom Senat festgelegten potenziellen Windrad-Flächen auch ein Teil des legendären Grunewalds gehört. Das ist das größte zusammenhängende Waldareal und die „grüne Lunge“ der Stadt, ein sehr wichtiges Naherholungsgebiet. Auch die Rieselfelder Karolinenhöhe im Ortsteil Gatow sind jetzt Vorranggebiet für Windräder. Eigentlich ist das ein Landschaftsschutzgebiet – doch solche Kleinigkeiten spielen bekanntlich fast keine Rolle mehr, wenn es um den Ausbau der Windenergie geht, siehe oben.
Im zuständigen Stadtbezirk Spandau ist man darüber alles andere als begeistert. „Für Spandau sind Windräder auf den Rieselfeldern ein No-Go“, sagt Umweltstadtrat Thorsten Schatz von der CDU der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“. „Bereits 2014 hat sich die Bezirksverordnetenversammlung klar gegen Windräder auf den Rieselfeldern ausgesprochen, und auch das Bezirksamt hat bis heute etwaige Planungen zurückgewiesen.“
Neben dem Natur- und Artenschutz, dem Landschaftsbild und dem hohem Naherholungswert treibt die Bezirkspolitiker noch ein anderes Problem um: Die Rieselfelder sind im dicht bebauten Berlin eines der letzten Gebiete, das für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Bautätigkeit zur Verfügung steht. Denn wenn irgendwo in der Stadt ein Baum gefällt wird, weil eine Schule oder eines der dringend benötigen Wohnhäuser entsteht, dann wird – als gesetzlich vorgeschriebener Ersatz – ein Baum im Naturparadies auf den Rieselfeldern gepflanzt.
„Diese Flächen sind zwingend erforderlich, um alleine in Spandau überhaupt noch Eingriffe in Natur und Landschaft für Wohnen, soziale Infrastruktur wie Schulen oder Kitas und Verkehrsinfrastruktur rechtssicher durchführen zu können“, sagt Stadtrat Scholz. Darum bemühe sich der Bezirk auch schon seit Jahren, die Flächen anzukaufen.
Und jetzt das: Windräder?
Kommt für Scholz nicht in Frage. „Als Bezirk Spandau werden wir auch weiterhin auf allen Ebenen gegen Windräder auf den Gatower Rieselfeldern kämpfen, um die einmalige Naherholungslandschaft nicht zu zerstören.“
Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt hat die Beteiligung der Öffentlichkeit an den Berliner Windrad-Planungen begonnen. Viel Zeit bleibt nicht: Nur noch bis zum 11. Juli können Bürger und Organisationen Stellungnahmen zu der vorläufigen Auswahl abgeben.
Das WindBG hatte die Fristen für die Bürgerbeteiligung bei Windkraftanlagen drastisch verkürzt.