Einbürgerungsfuror in Deutschland: Wie der Staat sich neue Bürger schaffen will

vor 2 Tagen

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Bildquelle: NiUS

Deutschland verzeichnet für das Jahr 2024 Rekordwerte bei der Einbürgerung. Und vieles deutet darauf hin, dass sich dieser Trend 2025 noch beschleunigt – besonders in Berlin und Bayern. Es ist eine Politik, die ihre Bürger vor vollendete Tatsachen stellt – während diese mehrheitlich migrationskritisch denken.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2024 fast 292.000 Menschen eingebürgert. Zugleich sind die Migrationsprobleme unübersehbar – worauf die Politik zu reagieren versprach: Im vergangenen Wahlkampf versprach die Union eine Migrationswende – und man fragt sich, wo sie bleibt. Stattdessen erlebt das Land eine nie dagewesene Welle an Einbürgerungen. Friedrich Merz hatte in einem Interview mit der Welt am Sonntag in Aussicht gestellt, dass eingebürgerten Straftätern die Staatsbürgerschaft wieder aberkannt werden sollte.

Er sagte: „Schauen Sie sich allein die vorläufige Einbürgerungsbilanz des Jahres 2024 an: Von den mehr als 200.000 Antragstellern wollen rund 80 Prozent ihre ursprüngliche Staatsangehörigkeit behalten. Die doppelte Staatsangehörigkeit wird damit zum Regelfall in unserem Staatsbürgerschaftsrecht. Wir holen uns damit zusätzliche Probleme ins Land. Es müsste wenigstens auf der gleichen Ebene eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben. Mir wäre lieber, wir hätten diese von der Ampel beschlossenen beschleunigten Einbürgerungsverfahren gar nicht erst.“

Die Realität zeigt indes, dass alles beim Alten geblieben ist. Der im Zeichen von „Vielfalt“ und „Weltoffenheit“ stehende Einbürgerungsfuror, den die Ampel in ihrer Legislatur intensivierte, lebt besonders in Berlin fort. Dort scheint das Landesamt für Einwanderung (LEA) seine eigene Leistung daran zu bemessen, wie viele Einbürgerungen es schafft – ohne jedes Problembewusstsein, das die Bevölkerung gegenüber der Migrationspolitik inzwischen hat. Wie NIUS exklusiv im vergangenen Jahr herausfand, lehnt die Mehrheit der Wähler sämtlicher Parteien weitere Einwanderung aus islamischen Ländern ab. Nun zählten Syrer zu den 2024 am häufigsten eingebürgerten Migrationsgruppen.

Zur Erinnerung: Mit diesem Tweet teilte die Ampelregierung der arabischen Welt mit, dass es mit dem neuen Staatsangehörigkeitsrecht der Ampelregierung deutlich leichter geworden sei, einen deutschen Pass zu bekommen. Das Auswärtige Amt machte Werbung für den deutschen Pass bei Menschen, die die deutsche Sprache nicht verstehen.

Inzwischen hat der Tweet über eine Million Menschen erreicht.

Die Einbürgerungspolitik läuft ungebremst weiter – besonders in Berlin. Dort wird der deutsche Pass zum Massenprodukt. Die neue Einbürgerungsstelle des Landesamts für Einwanderung (LEA) versteht sich nicht als Institution, die kontrolliert, sondern möglich macht: Staatsbürgerschaft scheint dort eine Frage der effizienten Abwicklung zu sein – nicht der Erfüllung entscheidender Kriterien bei einem gesellschaftlich hochgradig sensiblen Prozess.

Bereits im Jahr 2024 wurde das ursprüngliche Ziel von 20.000 Einbürgerungen übertroffen. „Insgesamt erhielten 21.802 Berlinerinnen und Berliner im vergangenen Jahr die deutsche Staatsangehörigkeit“, verkündete Innensenatorin Iris Spranger (SPD) stolz. Für 2025 gab Behördenleiter Engelhard Mazanke noch ambitioniertere Pläne aus: „Wir sind zuversichtlich, in diesem Jahr 40.000 Menschen einbürgern zu können“, kündigte Landesamtsleiter Engelhard Mazanke Anfang des Jahres an, was 3.500 Einbürgerungen pro Monat entspräche – allein in Berlin.

Landesamtsleiter Engelhard Mazanke

Die aktuell angestrebten 40.000 Einbürgerungen pro Jahr markieren einen drastischen Sprung – und übertreffen das ursprüngliche Ziel des Berliner Senats gleich doppelt. Ursprünglich hatte man sich auf 20.000 neue Staatsbürger pro Jahr verständigt, wie die Morgenpost berichtete; davor lag der langjährige Jahresdurchschnitt bei gerade einmal 6.500. Sollten in Berlin dieses Jahr 40.000 Menschen eingebürgert werden, wäre das eine versechsfachte Steigerung innerhalb nur weniger Jahre.

Brisant ist nicht nur die Zahl, sondern auch die Art der Abwicklung: Anfang 2024 übernahm die neue Einbürgerungsbehörde in Berlin rund 40.000 unbearbeitete Altfälle aus den Bezirken – allesamt in Papierform. Diese Akten ließ das Landesamt bis Juni von einem externen Dienstleister vollständig digitalisieren. Seither arbeitet die Behörde laut Amtsleiter Mazanke vollständig digital.

Das bedeutet: Für Ausländer funktioniert die Antragstellung mittlerweile vollelektronisch. Gleichzeitig kämpfen deutsche Staatsbürger beim Bürgeramt weiter mit Terminknappheit, Papierformularen und Warteschlangen. Während Berliner Bürgerämter beim Passantrag oder bei der Ummeldung weiter auf Papier und überlastete Terminsysteme setzen, wurde ausgerechnet die Einbürgerung zur digitalen Überholspur ausgebaut.

Der Eindruck einer Schlechterstellung der eigenen Bürger ist geradezu unvermeidlich...

Nicht anders sieht die Tendenz in Bayern aus. Dort waren es 54.520 Einbürgerungen im Jahr 2024. Doch auf Nachfrage von NIUS zeigt sich: Über die Personen, denen der deutsche Pass verliehen wurde, weiß der bayerische Staat so gut wie nichts.

Weder ist ihm bekannt, wie viele der neuen Staatsbürger einer regulären Arbeit nachgehen, noch ob sie ganz oder teilweise von Sozialleistungen leben. Auch zur Sprachkompetenz der Eingebürgerten kann das Ministerium keine Auskunft geben – obwohl das Gesetz ausdrücklich „ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache“ verlangt. NIUS hatte gefragt: Ist dem Innenministerium bekannt, wie hoch der Anteil derer ist, die über „ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache“ verfügen, wie es im Gesetz heißt bzw. einen Nachweis einer B1-Sprachprüfung vorlegen konnten? Antwort: „Da keine statistische Erhebung hierzu erfolgt, liegen keine entsprechenden Zahlen vor.“

Auf eine weitere Frage, wie viele Eingebürgerte auffällig häufig den 1. Januar als Geburtstag im Pass stehen haben – ein Hinweis auf fehlende Identitätsnachweise –, musste das Innenministerium ebenfalls passen: Es gebe keine entsprechende Erhebung.

Ein Einbürgerungstest in Deutschland

Besonders bemerkenswert: Der Anteil jener, die wegen „besonderer Integrationsleistungen“ nach § 10 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes eingebürgert wurden – also etwa durch herausragendes gesellschaftliches Engagement oder beruflichen Erfolg – liegt bei gerade einmal 0,14 Prozent. Das deutet darauf hin: Fast alle Einbürgerungen erfolgen im Regelverfahren – unabhängig von besonderen Verdiensten oder herausragender Integration.

Doch trotz all dieser Wissenslücken läuft die Einbürgerungsmaschinerie auf Hochtouren weiter. Wie NIUS auf Anfrage erfuhr, sind „mit Stand 30.04.2025 in Bayern 21.317 Personen eingebürgert“ worden. Hochgerechnet auf das Jahr liegt Bayern damit nur knapp hinter Berlin – bei deutlich konservativerem politischen Anspruch.

Mit anderen Worten: Der deutsche Staat verteilt seine Pässe in historischem Ausmaß – aber ohne belastbare Daten über die Lebensrealität derjenigen, die ihn erhalten.

Besonders häufig eingebürgert wurden 2024 Menschen aus Syrien. Damit legalisiert der deutsche Staat im Nachhinein auch jene, die ursprünglich über illegale Wege oder ohne gültige Dokumente eingereist sind. Was das mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hat, bleibt fraglich. Bei der Diakonie sieht man das freilich ganz anders.

„Einbürgerung stärkt die Demokratie, ermöglicht bessere gesellschaftliche Teilhabemöglichkeiten und damit die Identifikation mit diesem Land. Nun muss es darum gehen, dass Deutschland ein modernes Einwanderungsland wird und Vielfalt als Chance nutzt.“

Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), lobte die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts als eine „längst überfällige Modernisierung“. Zugleich kritisierte sie die politische Gegenseite: Die Debatte werde geprägt von „sturen Beharrungskräften der Konservativen“, wie „Zitate aus uralten Schubladen und Mottenkisten in diesen Tagen wieder zeigten“. Um mehr Transparenz zu schaffen, kündigte Alabali-Radovan eine Einbürgerungskampagne an, durch die „alle Menschen die Voraussetzungen kennen und ihre Anträge optimal vorbereiten können“.

Zitate wie diese verdeutlichen, wie das Thema Einbürgerung für eine linksgrüne Rundumerneuerung Deutschlands instrumentalisiert wird: eine Politik, die jenseits der harten Realitäten operiert, unter denen immer mehr Menschen leiden – vor allem junge –, die nicht auf die Privatschulen gehen, auf die Politiker des Establishments ihren Nachwuchs schicken können.

Noch in der Mitte des vergangenen Jahres wollte die Ampelregierung eine Werbekampagne für den deutschen Pass starten. Immerhin, so ergab eine weitere NIUS-Anfrage: Berlin plant für 2025 keine gesonderte Einwanderungskampagne. Das dürfte für viele Bürger jedoch nur ein schwacher Trost sein. Sie werden einer Politik ausgesetzt, die sie vor vollendete Tatsachen stellt: einer Politik, bei der fraglich ist, ob und inwiefern man sie überhaupt noch abwählen kann. Denn der tendenziell linksgrün ideologisierte Verwaltungsapparat besteht auch nach einem Regierungswechsel fort – und er setzt seine Vorhaben und gewohnten Arbeitsabläufe fort – unabhängig davon, welche „Migrationswende“ ein Friedrich Merz einmal angekündigt hatte.

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