Eine mögliche Blockade der Straße von Hormus: Wie sieht das Worst-Case-Szenario für den Ölmarkt aus?

vor etwa 7 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

In den zurückliegenden zwei Jahren herrschten im Nahen Osten angespannte Verhältnisse. Die Huthi führten Bombardierungen von Handelsschiffen durch, Israel begann umfassende Militäreinsätze in Gaza und im Libanon und es kam zu Raketenabschüssen zwischen Israel und dem Iran. Dennoch blieben die Ölmärkte ruhig, da das Worst-Case-Szenario – ein offener Krieg zwischen Israel und dem Iran – ausblieb. Nun befinden sich aber der Iran und Israel in einem offenen Krieg, der mit hoher Wahrscheinlichkeit noch eine geraume Zeit andauern wird. Der Krieg droht die Lage am Persischen Golf, wo rund ein Drittel des weltweiten Öls gefördert wird, zu verschärfen. Der globale Referenzpreis für Brent-Rohöl stieg am 13. Juni, dem ersten Tag des Krieges, um acht Prozent auf 74 Dollar pro Barrel. Bisher kam es zu keinen Ölausfällen. Die höheren Preise spiegeln die Möglichkeit künftiger Störungen wider.

Der Iran ist nach Russland, Saudi-Arabien und dem Irak der viertwichtigste Ölproduzent innerhalb der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC). Zuletzt produzierte das Land täglich 3,4 Millionen Barrel Rohöl, wovon weniger als die Hälfte exportiert wurde. Dies geschieht, obwohl die USA zuletzt ihre Sanktionen auf mehrere chinesischen Raffinerien ausgeweitet haben, die iranisches Rohöl erwerben. Es wäre für den Ölmarkt jedoch zu verschmerzen, wenn der Iran als Ölproduzent ausfallen sollte. Der Iran exportiert Schätzungen zufolge angesichts der westlichen Sanktionen täglich nur knapp 1,7 Millionen Barrel Öl, wobei ein signifikanter Anteil davon nach China geht. In Anbetracht der aktuellen kriegerischen Lage ist mit einem Verlust von bis zu 600.000 Barrel pro Tag an iranischer Ölversorgung zu rechnen. Da dieser Wert lediglich 0,6 Prozent der globalen Versorgung entspricht, ist davon auszugehen, dass die Preissteigerungen auf 5 bis 10 Dollar pro Barrel begrenzt bleiben werden. Es ist auch anzunehmen, dass Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie weitere OPEC-Staaten kurzfristig zusätzlich bis zu fünf Millionen Barrel täglich in den Markt drücken könnten.

Je länger der Krieg dauert, desto größer wird das Risiko, dass der Iran zu verzweifelten Maßnahmen greift. Eine mögliche Maßnahme wäre der Versuch, die Straße von Hormus zu schließen, durch die 30 Prozent des weltweiten Rohöl- und 20 Prozent des Flüssiggastransports transportiert werden. Beobachter rechnen im Blockade-Fall mit einem Ölpreis von 120 Dollar und mehr pro Barrel. Handelsexperte Gerrit Heinemann nannte die Folgen einer drohenden Blockade der Straße von Hormus für Deutschland „katastrophal“. Gegenüber Bild sagte er: „Schlimmer als Corona und Putin zusammen.“ Eine Dauerkrise wäre sogar heftiger als das, „was wir zu Beginn des Ukraine-Kriegs und in den Corona-Jahren erlebt haben“. Eine Blockade der Straße von Hormus ist allerdings nicht einfach durchzuführen. Selbst im „Tankerkrieg” der 1980er Jahre, als der Iran und der Irak Krieg gegeneinander führten und 239 Öltanker Ziel von Angriffen wurden, blieben die Lieferungen unverändert und die Preise stabilisierten sich nach einem anfänglichen Anstieg. Der Iran müsste nun die gesamte Route blockieren. Das wäre jedoch unklug, nicht zuletzt, weil die schmale Wasserstraße, die den Persischen Golf mit dem Indischen Ozean verbindet, für den Iran selbst von lebenswichtiger Bedeutung ist. Zudem würden die USA (deren Präsident niedrige Ölpreise anstrebt) wahrscheinlich ihre Marine entsenden, um die Meerenge freizugeben. Damit würde sich der Iran auch mit seinem Verbündeten Peking anlegen. Denn China ist auf Ölimporte aus dem Persischen Golf angewiesen. Ölpreisschocks treffen traditionell vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer besonders stark, da ihre Volkswirtschaften viel stärker von der Nutzung von Öl abhängig sind als etwa europäische Länder. Mit einer Blockade würde der Iran zudem eine große, ungewollte Reaktion der arabischen Golfstaaten auslösen, deren Handel stark beeinträchtigt würde.

Nehmen wir aber an, es gelingt den Iranern, die Straße von Hormus zu blockieren. Saudi-Arabien könnte in diesem Fall einen Teil seiner Exporte über die Ost-West-Pipeline umleiten. Diese hat eine Kapazität von fünf Millionen Barrel pro Tag – etwa die Hälfte der saudi-arabischen Produktion. Doch 85 Prozent der irakischen Exporte sowie alle Exporte Kuwaits, Omans und Katars finden keinen anderen Weg zum Markt. Der Brent-Preis könnte dann die Marke von 100 Dollar pro Barrel überschreiten. Katar ist neben den USA der größte LNG-Produzent der Welt. Die ungehinderte Durchfahrt durch die Straße von Hormus ist insofern für die Versorgung mit verflüssigtem Gas (LNG) von großer Bedeutung. Katar exportiert sein LNG ausschließlich über die Straße von Hormus. Eine Blockade der Straße von Hormus könnte eine breitere Angebotsverwerfung auslösen. Laut einem Bericht von Bloomberg hat Katar bereits am Mittwoch LNG-Tanker gebeten, außerhalb der Straße von Hormus zu warten, bis sie ihre Ladung aufnehmen können.

Ein noch schlimmeres Szenario für einen Krieg zwischen dem Iran und Israel ist denkbar: Viele der größten Ölförderstätten am Persischen Golf liegen in Reichweite iranischer Raketen. Sie zu schützen ist nahezu unmöglich, insbesondere in Saudi-Arabien. Der Iran könnte die weltweite Versorgung theoretisch auch durch Angriffe auf die saudi-arabische Aramco-Anlage stören, wie es im Jahr 2019 geschah. Sollte der Iran Aramco bombardieren, könnten die Ölpreise laut JPMorgan Chase auf über 120 Dollar pro Barrel steigen. Iran könnte auch indirekt und zwar durch Huthi-Rebellen Aramco angreifen. Die Gefahr, dass die von Iran unterstützten Huthi-Milizen ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer wieder verstärken könnten, wird vom Verband Deutscher Reeder (VDR) als groß eingeschätzt.

Im Jahr 2019, als US-Präsident Donald Trump eine Reihe von Sanktionen gegen den Iran verhängte, wurde Teheran für Sabotageangriffe auf Tanker im Persischen Golf sowie für Raketen- und Drohnenangriffe auf saudi-arabische Ölinfrastrukturen (Aramco) im Zuge des Jemen-Kriegs verantwortlich gemacht. Trump war damals jedoch nicht bereit, gegen den Iran vorzugehen. Dies führte zur Enttäuschung der saudischen Partner der USA und forcierte die Normalisierung der Beziehungen zwischen Teheran und Riad.

Der Anstieg der Ölpreise ist jedoch ein Rückschlag für Trump. Er hatte die fallenden Ölpreise im Zuge des Handelskonflikts mit China noch als Erfolg seiner Wirtschaftspolitik bezeichnet. Im Zuge des jüngsten Handelskonflikts mit China verloren nicht nur US-Aktien, sondern auch der US-Anleihenmarkt massiv an Wert. Investoren hatten massenhaft US-Staatsanleihen abgestoßen. Dies trieb die Renditen in rekordverdächtigem Tempo in die Höhe und verschuldete den Staat immer mehr. Die Inflationsrate blieb angesichts der fallenden Ölpreise in den USA aber stabil.

Sollte der Ölpreis jedoch auf über 100 Dollar steigen, wird ein dramatischer Anstieg der Inflationsrate in den USA erwartet. Vor diesem Hintergrund könnten die Ayatollahs das Risiko einer Blockade eingehen, in der Hoffnung, Trump von weiteren Eskalationen gegen Teheran abzubringen.

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