
Einst zählte Görtz zu den bekanntesten und erfolgreichsten Schuhhändlern Deutschlands. In nahezu jeder größeren Einkaufsstraße war das Unternehmen präsent. Gegründet wurde Görtz im Jahr 1875 von Johann Ludwig Görtz in Hamburg. Zeitweise verfügte das Unternehmen über rund 200 Filialen und etwa 3.000 Mitarbeiter. Doch die Erfolgsgeschichte gehört längst der Vergangenheit an.
Bereits 2022 meldeten Teile des Konzerns Insolvenz an, rund 40 Filialen wurden daraufhin geschlossen. 2023 folgte ein Sanierungsversuch mit dem Einstieg neuer Investoren. Die Restrukturierung verlief jedoch erfolglos, und Anfang dieses Jahres musste Görtz erneut Insolvenz anmelden. Im Februar wurden weitere Standorte, unter anderem in Hamburg, Kassel und Kempten, geschlossen. Rund um Ostern traf es schließlich auch die beiden Pop-up-Stores in Leipzig.
Nun folgte das endgültige Aus für weitere Filialen: Wie unter anderem der NDR berichtet und der Insolvenzverwalter dem Hamburger Abendblatt bestätigte, wurden Filialen in Hamburg, Potsdam und Brandenburg geschlossen. Insgesamt dürften in Deutschland und Österreich noch etwa 40 Filialen übrig sein. Doch es gilt als wahrscheinlich, dass auch diese in absehbarer Zeit schließen werden. Der zuständige Insolvenzverwalter bemüht sich derzeit, die verbleibenden Standorte an mögliche Nachfolger zu vermitteln.
Beim Damenausstatter Gerry Weber ist die Situation ähnlich prekär. Wie Görtz geriet auch der ostwestfälische Modehersteller in der Vergangenheit mehrfach in die Insolvenz. Sowohl 2019 als auch 2023 wurden Sanierungsverfahren eröffnet, die jedoch erfolglos blieben. Trotz einschneidender Maßnahmen wie Stellenabbau und weltweiten Filialschließungen konnte die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht stabilisiert werden.
Im März 2025 meldete Gerry Weber erneut Insolvenz an – diesmal im Rahmen eines Verfahrens in Eigenverwaltung, mit dem Ziel, den Betrieb fortzuführen und einen neuen Eigentümer zu finden. Vor wenigen Tagen wurde dann bekannt gegeben, dass alle Filialen in Deutschland endgültig geschlossen werden. Die Marke selbst wurde von der spanischen Modefirma Victrix übernommen, die plant, Gerry Weber unter eigener Struktur neu aufzustellen.
Görtz und Gerry Weber sind keineswegs Einzelfälle – die Krise trifft weite Teile der Branche und treibt zahlreiche Modeunternehmen in die Insolvenz. Bereits im Mai des vergangenen Jahres meldete der einstige deutsche Fashiongigant Esprit Insolvenz an. Weitere prominente Beispiele für Modehändler, die in jüngerer Zeit – zumindest zeitweise – in die Insolvenz rutschten, sind Galeria, Scotch & Soda und selbst Peek & Cloppenburg, denen jedoch die Sanierung gelang. Insgesamt zeigt sich: Nicht nur die Modebranche, sondern der gesamte Einzelhandel steht massiv unter Druck.
Das Ausmaß dieser Entwicklung lässt sich an den Zahlen ablesen: Die Anzahl der Einzelhandelsgeschäfte in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. Laut Statista lag sie im Jahr 2024 bei rund 306.000 Läden. Zm Vergleich: 2006 waren es noch etwa 430.000.
Der Ursprung der Krise, die den Einzelhandel überschattet, liegt vor allem in den unvorteilhaften Rahmenbedingungen des Standorts Deutschland. Insbesondere die hohen Energiekosten verteuern den Geschäftsablauf erheblich. Deutschland hat mit die höchsten Energiekosten in ganz Europa. Verantwortlich dafür ist die energiepolitische Fehlsteuerung, die sowohl unter der Ampelregierung als auch schon unter der CDU-Merkel-Ära umgesetzt wurde.
Ein weiterer Grund für die stetig steigenden Energiekosten, die den Einzelhandel erdrücken, ist die Gier des Staates. Steuern und Abgaben schlagen kräftig zu Buche und treiben auch die Kosten für Energie deutlich in die Höhe. So machen laut Bundesnetzagentur allein Mehrwertsteuer, Stromsteuer sowie weitere Umlagen mittlerweile rund 32 Prozent des gesamten Strompreises aus. Die politische Obrigkeit nimmt Verbraucher nach Strich und Faden aus.
Hinzu kommen die Netzentgelte, die von den Stromnetzbetreibern erhoben werden, um den Ausbau der Strominfrastruktur voranzutreiben. Derzeit ist dieser Ausbau notwendig, um die Einspeisung der stark schwankenden erneuerbaren Energien technisch zu bewältigen. Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung werden sich die Gesamtkosten für den Stromnetzausbau bis zum Jahr 2045 auf rund 651 Milliarden Euro belaufen. Die Stromnetzbetreiber wälzen diese Kosten über die Netzentgelte auf den Verbraucher ab.
Etwas das die deutsche Modebranche und den Einzelhandel generell zusätzlich hart trifft, ist die CO2-Besteuerung auf EU-Ebene. Im Rahmen des „EU-ETS‟, dem europäischen Emissionshandel, wird auf fossile Energien eine Steuer erhoben. Da viele Einzelhandelsbetriebe fossile Energieträger wie Gas für Heizung und Betrieb nutzen, steigen ihre Betriebskosten dadurch weiter an.
Der Einzelhandel in Deutschland steht zudem durch den stetig steigenden Mindestlohn unter Druck. Seit seiner Einführung im Jahr 2015 ist er um mehr als 50 Prozent gestiegen und liegt seit Januar 2025 bei 12,82 Euro pro Stunde. Ein Ende ist nicht in Sicht: In der laufenden Legislaturperiode von Schwarz-Rot dürfte er mit hoher Wahrscheinlichkeit auf 15 Euro steigen.
Was als soziale Wohltat verkauft wird, entpuppt sich in der Realität als wirtschaftlicher Bumerang. Der kontinuierlich steigende Mindestlohn setzt eine fatale Dynamik in Gang: Die sogenannte Lohn-Preis-Spirale. Dabei treiben sich Lohn- und Preisanstiege wechselseitig an. Höhere Löhne führen zu steigenden Betriebskosten, diese schlagen sich in höheren Preisen nieder, woraufhin neue Lohnforderungen folgen. Ein Teufelskreis, der sich selbst befeuert.
Dem Arbeitnehmer ist also durch die simple Lohnerhöhung nicht geholfen, und den Unternehmen erst recht nicht. Am Ende führen die hohen Lohnkosten zu schrumpfenden Gewinnmargen und wachsendem Kostendruck – denn in einem hart umkämpften Markt lassen sich Preissteigerungen oft nur begrenzt an die Kunden weitergeben. Besonders für kleine und mittelständische Betriebe wird diese Entwicklung zur echten Existenzfrage.
Neben den steigenden Betriebskosten kämpft der stationäre Einzelhandel mit einer anhaltenden Kaufzurückhaltung. Zwar ist die Inflation im Euroraum zuletzt etwas abgeflacht und lag im Mai 2025 bei 1,9 Prozent, damit sogar unter dem Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB). Dennoch überlegen sich viele Verbrachuer den Bummeln in der Innenstadt inzwischen zweimal.
Gleichzeitig wird der klassische Handel durch den digitalen Wandel zunehmend ins Abseits gedrängt. Immer mehr Verbraucher bevorzugen das bequeme Online-Shopping, nicht nur wegen des Komforts, sondern auch wegen der dort erwarteten Preisvorteile und dem oft breiteren Angebot. Eine neue Studie im Auftrag von Mastercard bestätigt diesen Trend: In einer repräsentativen Online-Umfrage unter 1.004 Personen zwischen 18 und 74 Jahren gaben zwei Drittel der deutschen Befragten an, Kleidung und Schuhe mittlerweile lieber im Internet zu kaufen.
Viele Händler können die gestiegenen Kosten aus Energie und dem gestiegenen Mindestlohn aufgrund des harten Wettbewerbs nicht vollständig an die Kunden weitergeben, was zu erheblichen Gewinnverlusten führt.
Die Botschaft an die neue Bundesregierung ist unmissverständlich. Den wirtschaftlichen Selbstzerstörungskurs der Ampelregierung muss man rückgängig machen. Damit der Einzelhandel überleben kann, muss in erster Linie Energie günstiger werden.
Belastend ist die Situation, da nicht nur der Mode- und Einzelhandel derzeit von einem Insolvenzbeben erschüttert werden. Branchenübergreifend kommt es zu einem massiven Unternehmenssterben, insbesondere im Bereich der kleinen und mittelständischen Betriebe (KMU), die mit einem Anteil von 99 Prozent einen Großteil der deutschen Unternehmenslandschaft ausmachen. Seit Jahresbeginn mussten zahlreiche Mittelständler Insolvenz anmelden.
Bekannte Beispiele sind unter anderem der Fahrzeugbauer ECONELO, Lichttechnik-Spezialist Arri, sowie der Türen- und Fensterspezialist Meeth. Allein im ersten Quartal 2025 wurden in Deutschland 1.134 Unternehmensinsolvenzen eröffnet. Das entspricht einem Anstieg von 3,94 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für das Gesamtjahr 2025 prognostiziert die Auskunftei CRIF einen weiteren Anstieg der Firmenpleiten um 18 Prozent, nachdem bereits 2024 ein drastischer Zuwachs von 22 Prozent verzeichnet worden war.