
Im Internet gibt es Millionen von Videos, die alle denselben Titel haben: „You had one job, and you bungled it.“ Du hattest eine Aufgabe – und die hast du vermasselt. Auf diesen Videos ist immer irgendein Typ am Bau zu sehen, der ein Loch in eine Wand bohrt, worauf das ganze Haus zusammenbricht. So erging es dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei seinem Besuch im Weißen Haus am letzten Freitag. Der hatte eine einzige Aufgabe – und die hat er gründlich vermasselt. Diese Aufgabe war es, einen Vertrag über die gemeinsame Ausbeutung wichtiger Metalle mit den USA zu unterschreiben – und sonst nichts. Danach hätte es die übliche gemeinsame Pressekonferenz mit diplomatischem Geplänkel, netten Worten und festlichem Dinner gegeben. Woraufhin Selenskyj wieder nach Hause gefahren und die Welt ein bisschen besser gewesen wäre – vor allem friedlicher und stabiler.
Wie ein bockiges Kind sitzt Wolodymyr Selenskyj vor Donald Trump und JD Vance im Oval Office.
Das ist die einfachste Übung der Welt. Jeder Spitzenpolitiker muss sie beherrschen. Diplomatie ist eine Kunst, die man aber lernen kann – insbesondere dann, wenn man Berater, Minister und die eigene Botschafterin im Schlepptau hat, wie Selenskyj.
Donald Trump empfängt Selenskyj herzlich im Weißen Haus und verliert kein kritisches Wort über das Outfit des ukrainischen Präsidenten.
Aber der ukrainische Präsident konnte im Oval Office nicht einmal zehn Minuten lang ein nettes Gesicht machen, artig Danke sagen für die Milliardenhilfen der Amerikaner, ohne die sein kleines Land längst von Russland überrollt worden wäre, und endlich den Füller zücken und den Vertrag unterschreiben, der ihm und der Ukraine nichts als Vorteile gebracht hätte. Nein, Selenskyj, mit seinem erbärmlichen Englisch und seinen ausgebeulten Kampfhosen, wollte den Amerikanern eine Lektion erteilen. Er wollte die versammelte Regierungsspitze der Vereinigten Staaten darüber belehren, wie man mit Putins Russland umgeht. Wie alle zutiefst Beleidigten wollte er über die schlechte Vergangenheit reden, anstatt von der guten Zukunft zu sprechen.
Als er aufgefordert wurde, sich für die Abermilliarden an amerikanischer Militärhilfe (ca. 114 Mrd. Euro) zu bedanken und sich für sein respektloses und undiplomatisches Getue zu entschuldigen, wollte er weder das eine noch das andere tun. Und das alles vor den laufenden Kameras der Weltöffentlichkeit. Kein Wunder, dass Präsident Trump und Vizepräsident JD Vance Selenskyj erst rau angefasst und danach aus dem Weißen Haus geworfen haben, woraufhin das festliche Dinner vom Büropersonal verzehrt wurde. Seit dieser „Shitshow“ ist es mit dem Mineralien-Vertrag erst einmal vorbei – vielleicht für immer. Denn Trump ist bekanntlich ein Mensch, der sich Beleidigungen lange merkt.
Unrühmlicher Abgang: Selenskyj verlässt hastig das Weiße Haus.
Wer sich (wie ich) das Video dieser Horrorstunde im Weißen Haus immer wieder angesehen hat, dem fallen mehrere Punkte auf. Zuerst der: Selenskyj hatte von Anfang an ganz offenbar nicht die Absicht, den von den Amerikanern gewünschten Vertrag zu unterzeichnen – obwohl er explizit zu diesem Zweck ins Weiße Haus eingeladen worden war. Die von Selenskyj dafür pausenlos vorgebrachte Begründung lautet: Ein solcher Mineralien-Vertrag enthielte keine Sicherheitsgarantien der USA für die Ukraine. Mit Sicherheitsgarantien ist gemeint: Im Gegenzug zu den Rechten an Mineralien beliefern die Amerikaner die Ukraine weiterhin mit Waffen und üppigen Geldspenden und versprechen außerdem, nach einem etwaigen Waffenstillstand die Ukraine vor zukünftigen Aggressionen der Russen zu schützen.
Selenskyj hat hier etwas nicht verstanden (oder will es nicht verstehen): Der Mineralien-Vertrag war die Sicherheitsgarantie. In dem Moment, in dem amerikanische Firmen anfangen, in der Ukraine Mineralien (Uran, Lithium, Kobalt, Titan und Seltene Erden) zu fördern und Umsätze und Gewinne mit der Ukraine zu teilen, verfügen die USA über ein erhebliches Engagement in der Ukraine – ein Engagement, das sie diplomatisch, aber auch militärisch zukünftig vor Russland schützen würden. Ein Mineralien-Vertrag wäre ein erster Schritt in Richtung Waffenstillstand und Friedensvertrag gewesen.
Wenn also Selenskyj einen solchen Vertrag stante pede nicht unterzeichnen wollte, dann kann das nur heißen: Er ist weder an einem Waffenstillstand jetzt noch an einem Friedensvertrag später interessiert. Wer das für absurd hält, der muss nur Selenskyj selbst zuhören. Der hält nämlich mit seiner Meinung keineswegs hinter dem Berg, auch wenn das von den Mainstream-Medien geflissentlich ignoriert wird. So sagte Selenskyj nur zwei Tage nach dem Fiasko im Weißen Haus auf einer Pressekonferenz in London: „Ein Abkommen zur Beendigung des Krieges zwischen der Ukraine und Russland ist noch sehr, sehr weit entfernt.“
Wolodymyr Selensky mit dem britischen Premier Keir Starmer und weiteren Nato-Staatschefs in London.
So empörend diese Aussage auch klingt, der Grund dafür ist vollkommen klar: Selenskyj hätte bei einem Friedensschluss selbst am meisten zu verlieren. Selenskyj ist ein Kriegspräsident, dessen Mandat ohne Kriegsrecht längst abgelaufen wäre. Kommt es aber erst zu einem Waffenstillstand und dann zum Frieden, dann müsste Selenskyj rasch Wahlen abhalten – Wahlen, die er vermutlich verlieren würde.
Besonders EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen pflegt ein herzliches Verhältnis zu Selenskyj.
Jetzt sehen die Amerikaner und auch wir Europäer zum ersten Mal klar, auf wen wir uns da alle eingelassen haben: auf einen Ex-Comedian, der mit seiner Rolle heillos überfordert ist. Der seine persönlichen Interessen mit denen der Ukraine verwechselt. Einen Heldendarsteller im Tarnanzug, der seit Jahren von den einflussreichsten Politikern der westlichen Welt verhätschelt, verwöhnt und verzogen wird und deshalb glaubt, er könne tun, was er wolle, solange es nur irgendwie mit dem heroischen Widerstandskampf gegen Putin in Zusammenhang steht. Diesem Menschen also haben Amerikaner und Europäer Riesensummen (USA 114 Mrd. Euro., EU 132 Mrd. Euro) anvertraut und für ihn ihre Waffenlager geplündert. Und was haben wir alle dafür bekommen? Einen Präsidenten, der – wie er nun schon sehr oft gesagt hat – keinen Waffenstillstand will und der davon ausgeht, dass noch sehr lange weitergekämpft wird.
Was haben jetzt die europäischen Spitzenpolitiker nach Selenskyjs Fiasko im Weißen Haus getan? Haben sie Selenskyj streng ermahnt, sich bei Trump zu entschuldigen? Haben sie ihn dazu aufgefordert, alles zu unternehmen, um das zerbrochene Porzellan wieder zu kitten, was sehr einfach gewesen wäre, schließlich war nur eine Entschuldigung verlangt? Keineswegs. Sie sind wie immer voll auf Selenskyjs Version der Geschichte eingestiegen und haben ihm unverzüglich versichert, wie recht er doch habe.
Bei einem hastig einberufenen NATO-Gipfel in London haben die europäischen NATO-Länder plus Kanada Selenskyj zugesichert, dass Europa nun, da die USA dabei seien, die Ukraine nicht im Stich lassen würde. Vier Forderungen haben die NATO-Staaten, angeführt von Großbritannien und Frankreich (den beiden „Weltmächten“ mit eigenen Atomwaffen), aufgestellt:
Alles an diesem schnell zusammengezimmerten Communiqué ist unrealistisch. Die USA produzieren und liefern fast die gesamte Artilleriemunition der Ukraine (hauptsächlich 155-mm-Granaten, darunter M795 und M982 Excalibur), die wichtigsten Komponenten der Luftabwehr (Patriot PAC-3 und NASAMS 2), die meisten Panzerfahrzeuge (M1 Abrams, M2 Bradley, Stryker) und halten die F-16 der Ukraine durch Trainingsmaßnahmen und Ersatzteile am Fliegen. Das meiste davon ist entweder in den Arsenalen der europäischen NATO-Staaten gar nicht oder nicht in ausreichenden Mengen vorhanden.
Aber die Amerikaner liefern nicht nur Hardware, sie unterstützen die Ukraine mit hochauflösender Satellitenaufklärung, Echtzeitüberwachung russischer Truppenbewegungen, Abhörinformationen (SIGINT), dynamischer Zielerfassung, Cyberabwehr und geheimdienstlicher Beratung, was entscheidend zur ukrainischen Verteidigungsfähigkeit beiträgt.
Und dann wäre da noch das liebe Geld: Die Hälfte des ukrainischen Staatshaushaltes besteht aus Überweisungen der USA und der EU-Staaten. Ohne die Amerikaner wäre der Löwenanteil davon plötzlich weg – die Ukraine stünde vor dem Staatsbankrott.
Das muss irgendwie auch EU-Präsidentin Ursula von der Leyen aufgefallen sein, die deshalb sofort mit einem irrsinnigen Vorschlag an die Weltöffentlichkeit ging, der vorsieht, die Ukraine nach einem Ausfall der Amerikaner mit 500 Milliarden EU-Geldern zu finanzieren.
Wie das bezahlt werden soll? Ganz einfach: mit Schulden, wie in den Corona-Jahren. Die Erfahrung ist ja da. Ursula von der Leyen hat einen Plan vorgestellt, um bis zu 800 Milliarden Euro für die europäische Verteidigung zu mobilisieren, teils durch Schulden (darunter ein Fonds mit Verteidigungskrediten über 150 Milliarden Euro), teils durch Umschichtung bestehender Mittel. Allerdings ist unklar, ob die EU überhaupt Schulden für militärische Zwecke aufnehmen darf, da dies traditionell Sache der Mitgliedstaaten ist und rechtlich hochstrittig bleibt.
Jetzt ziehen wir eine Zwischenbilanz: Weil der ukrainische Präsident Selenskyj sich im Weißen Haus zehn Minuten lang nicht beherrschen konnte, geht in seinem Land ein verheerender Krieg weiter, für den wir Europäer, die wir selbst von einer Krise in die nächste rutschen, ab sofort mit enormen Schulden bezahlen sollen.
Sollten Selenskyj und die EU-Staats- und Regierungschefs bis Mitte der Woche noch gedacht haben, dass Trump es mit seinen Ausfällen gegen Selenskyj nicht ernst meinte, dann wurden sie umgehend eines Besseren belehrt: Am Dienstag stellten die USA die Waffenlieferungen an die Ukraine mit sofortiger Wirkung ein. Die Entscheidung betrifft Waffen und Munition im Wert von mehr als einer Milliarde US-Dollar, die sich bereits in der Lieferung befanden oder bestellt worden waren. Nach den besten Schätzungen kann das Land mit dem bestehenden Arsenal noch ein paar Monate, allenfalls bis zum Sommer durchhalten – dann ist Schluss.
Und erst in diesem Moment muss es dem ukrainischen Präsidenten und seinem Team gedämmert sein, dass sie so nicht weitermachen können. Weshalb Selenskyj in einem Brief an Präsident Trump endlich (und zum ersten Mal in halbwegs korrektem Englisch) um Entschuldigung bat:
„Mr. Trump, ich bedaure zutiefst meine jüngsten Äußerungen und jegliche Missverständnisse, die sie verursacht haben könnten. Die Ukraine ist dankbar für die Unterstützung der Vereinigten Staaten und ihrer Führer, und ich entschuldige mich aufrichtig für jegliche Verärgerung. Wir bleiben einer starken und respektvollen Beziehung verpflichtet."“ Diesen Brief erwähnte Trump in seiner Rede im Kongress – ohne Selenskyj weiter zu kritisieren.
Selenskyj ruderte nach seiner Entgleisung gegenüber Trump kleinlaut zurück.
Und da stehen wir heute. Wenn wir jetzt ein Fazit aus dieser unseligen Geschichte ziehen, dann lautet es: Präsident Selenskyj musste offenbar mit aller Macht zurück an den Verhandlungstisch geprügelt werden – es gibt kein anderes Wort. Seine Widerspenstigkeit, sein unvernünftiger Ton und sein undiplomatisches Gehabe jedoch haben der Ukraine schweren Schaden zugefügt.
Es ist aus heutiger Sicht mehr als fraglich, ob Selenskyj und Vertreter der Ukraine jemals an Friedensverhandlungen zusammen mit Russen und Amerikanern am Tisch sitzen werden – weil Selenskyj nicht zu trauen ist. Das Abkommen über die gemeinsame Ausbeutung von Mineralien ist nach wie vor nicht unterzeichnet und wird für die Ukraine zukünftig ungünstiger ausfallen als der Entwurf, der Selenskyj vergangenen Freitag vorgelegen hat. Und der Mineralien-Deal wird jetzt erst recht keine Sicherheitsgarantien enthalten. Der Krieg in der Ukraine geht unvermindert weiter, die Verhandlungsposition der Russen hat sich durch den unberechenbaren Kurs Selenskyjs verbessert, und ob die Amerikaner ihre Waffenlieferungen rasch wieder aufnehmen werden, ist im Moment noch vollkommen unklar.
Selenskyj hat mit seinem erratischen Auftreten einen schönen Beweis für eine Einsicht des Historikers Thukydides geliefert, der den Angriff der Athener auf Sizilien im Jahr (415–413 v. Chr.), welcher den Untergang Athens im Peloponnesischen Krieg einleitete, so charakterisierte: „Ein einziger Fehltritt, geboren aus Eile oder Übermut, kann die Arbeit von Generationen zunichtemachen.“
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