
Elon Musk kommentiert die deutsche Politik mit der streitbaren These „Nur die AfD kann Deutschland retten“ – und sofort werden lautesten Vorwürfe gegen den reichsten Mann der Welt laut, eine Gefahr für die Demokratie heraufbeschworen und drakonische Maßnahmen gefordert.
Doch: Warum regen sich alle so auf, wenn Elon Musk die deutsche Politik kommentiert?
Elon Musk hatte das Video einer AfD-nahen Influencerin geteilt, die darin auf Englisch ihre Sicht erklärte, warum mit CDU-Chef Friedrich Merz als Kanzler kein Politikwechsel in Deutschland möglich sei. Und weil Musk die besagte AfD-These dazupackte, kennt die Aufregung in Deutschland keine Grenzen.
„Elon Musk hat einen Plan. Den wird die liberale Demokratie nicht überleben. Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Haben das auch wirklich alle verstanden?“, warnt Julius Betschka, Journalist beim Stern. Der ehemalige Leiter und Chefredakteur des ARD-Hauptstadtstudios, Ulrich Deppendorf, sieht sogar eine mögliche Beauftragung durch den designierten US-Präsidenten Donald Trump und zeitgleich die Verschwörung, dass Musk der wahre Präsident sei: „Elon Musk ist der wahre US-Präsident, Trump seine Marionette. Musk ist ein gefährlicher „President“! Er ist auch ein offener Unterstützer der rechtsextremen AfD! Er mischt sich in den deutschen Wahlkampf ein. Im Auftrag von Trump?“
Musk ist spätestens seit seiner Unterstützung von Donald Trump im US-Wahlkampf zu einm Antiheld im politmedialen Mainstream geworden. Seine Sicht auf Liberalismus und die Meinungsfreiheit, seine unkonventionelle Art, Dinge infrage zu stellen und sein Plan, als Sonderbeauftragter möglichst viel Bürokratie in den USA abzuschaffen, widerspricht dem linken Zeitgeist, was ihn zu einer Gefahr macht – jedenfalls für Menschen, die ihre Positionen ungern hinterfragt wissen.
Der Grüne Europaabgeordnete Eric Marquardt appelliert deshalb an die EU-Kommission, nicht länger dabei zuzusehen, „wie Milliardäre Medien und Algorithmen für Wahlbeeinflussung missbrauchen und Rechtsextreme stärken und normalisieren“. Mit Meinungsfreiheit habe Musks Aussage nichts zu tun, so Marquardt. Vielmehr sei das „ein Angriff auf die Demokratie“.
Bemerkenswert ist dabei die Behauptung, Musk würde mit seiner Kommentierung – deren Inhalt man ebenso ablehnen, wie unterstützen kann – in den deutschen Bundestagswahlkampf eingreife. Dabei schwingt immer die Verschwörungstheorie mit, Musk würde seine Plattform X und den Algorithmus dahinter missbrauchen, um Stimmungen und Meinungen zu manipulieren. Dabei ist der Algorithmus von X (früher Twitter) öffentlich einsehbar – Beweise für eine Manipulation konnte dennoch niemand nachweisen.
Musk ist letzten Endes einfach ein US-Bürger, der eine Meinung öffentlich kundtut und jedes Recht dazu hat. Er hat mit 208 Millionen Followern zwar eine sehr große Reichweite, die Menschen, die ihm folgen, tun das jedoch freiwillig. Sie wollen seinen Inhalt konsumieren und es liegt in der Natur von Social-Media-Plattformen, dass Nutzern auch Inhalte vorgeschlagen werden, denen sie zwar nicht folgen, die viele andere Menschen jedoch als relevant erachten.
Tatsächlich ist jede einzelne Meinungsäußerung – ob ein Kommentar zum Arbeitskollegen, eine kleine Ansprache beim Stammtisch in der Kneipe, ein Post im Netz oder eben der Kommentar eines Milliardärs mit Millionen-Reichweite – eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung und somit (auch) eine Beeinflussung einer Wahl.
Umso auffälliger ist demnach, wie laut das Schweigen der heutigen Musk-Warner war, als in den vergangenen Monaten und Jahren an Dutzenden Stellen Einfluss auf Wahlen genommen worden ist.
Das wohl bemerkenswerteste Beispiel ist der Zeitungsartikel, den Bundeskanzler Olaf Scholz im April 2022 gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Spanien und Portugal, Pedro Sánchez und António Costa, in der französischen Tageszeitung Le Monde. Darin hatten die drei Regierungschefs kurz vor der Stichwahl in Frankreich dazu aufgerufen, Amtsinhaber Emmanuel Macron zu wählen und nicht die Rechtspopulistin Marine Le Pen.
In einem Gastartikel haben Scholz, Sánchez und Costa zur Wahl von Emmanuel Macron aufgerufen.
„Es ist die Wahl zwischen einem demokratischen Kandidaten, der weiß, dass Frankreichs Stärke in einer mächtigen und unabhängigen Europäischen Union zunimmt. Und einer Kandidatin der extremen Rechten, die sich offen mit denen solidarisiert, die unsere Freiheit und Demokratie angreifen“, schrieben die drei wörtlich, ohne die Macrons oder Le Pens zu nennen.
Der eindeutige Versuch dreier Regierungschefs, Einfluss auf eine Präsidentschaftswahl in einem anderen Land zu nehmen. Der Aufschrei blieb aus.
Auch als das Auswärtige Amt mit dem offiziellen Regierungskanal kurz der US-Wahl den späteren Sieger Donald Trump angriff und davon schwärmte, wie gut die sogenannte Energiewende in Deutschland doch funktioniere – kein Aufschrei.
In keinem Land der Welt wurde im Vorfeld der US-Wahl so schlecht über den späteren Sieger Donald Trump, so positiv über die demokratischen Kandidaten – zunächst Joe Biden, später Kamala Harris – gesprochen und berichtet wie hierzulande. Der Stern titelte über Harris „Die Erlöserin?“, Trump und seinem Unterstützer Musk wurde hingegen ein „Teufelspakt“ unterstellt. Die Berichterstattung in Deutschland war dermaßen verzerrt, dass noch zwei Wochen vor dem deutlichen Sieg Trumps knapp 70 Prozent der Deutschen an einen Harris-Sieg glaubten. Einflussnahme auf die US-Wahlen? Fehlanzeige, jedenfalls in der deutschen Debatte.
Eindeutige Positionierung, aber die der gern gesehenen Art.
Als die schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg, die sich inzwischen als Antisemitin geoutet hat, die „Fridays for Future“-Proteste in Deutschland anführte und im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 Einfluss auf die Klimapolitik in Deutschland nehmen wollte, wurde die junge Schwedin von Politikern hofiert – von ausländischer Einflussnahme war keine Rede.
Greta Thunberg wenige Tage vor der Bundestageswahl 2021 bei einer Demonstration in Berlin.
Im Gegenteil: Thunberg wurde auf die größten politischen Gipfel und Bühnen des Planeten eingeladen, traf den damaligen US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel und wurde weltweit gefeiert. In der Folge waren zwischenzeitlich Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland und auch in anderen Teilen der westlichen Welt Thema Nummer eins.
Über „inländische Einflussnahme“ auf die öffentliche Meinung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der gesetzlich zu Neutralität verpflichtet ist, sei an dieser Stelle nur am Rande hingewiesen, ebenso wie an das politisierte Vorgehen des Bundesamtes für Verfassungsschutz und seiner Landesämter, bei der Beobachtung der AfD und Bearbeitung des neuen Deliktfeldes „Delegitimierung des Staates“.
All die Beispiele zeigen: Dass Elon Musk die deutsche Politik kommentiert, dass er in diesem Fall die AfD als vermeintlichen Heilsbringer darstellt, sorgt nicht für diese Aufregung, weil es dabei um eine „politische Einflussnahme aus dem Ausland“ handelt. Der Aufschrei ist so groß, weil diese starke, weltweit hörbare Meinung von Musk dem politmedialen Mainstream in Deutschland widerspricht, weil diese Stimme nicht links ist, nicht grün ist, weniger Staat und mehr Eigenverantwortung will und zudem nicht darauf angewiesen scheint.
In den USA hat sich die Methode Trump und damit auch die Methode Musk bereits mit einem fulminanten Wahlsieg durchgesetzt. Die Furcht vor einem Verlust der Deutungshoheit ist jetzt offenbar noch größer.
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