
Die Schweizer sind des Übermutes unverdächtig und nüchtern in ihren (Volks-)Entscheidungen. Durch die zentrale Lage kommen auf die Eidgenossen besondere Herausforderungen zu. Grund sind vor allem die deutsche Abschaltpolitik im Kraftwerksbereich und die dadurch erzwungenen Änderungen der europaweiten Strombilanzen. Das Angebot auf dem europäischen Strommarkt geht zurück, das sorgt für steigende Preise in allen Ländern.
Eine jährliche Veranstaltungsreihe der „Power Building & Data Center Convention“ in mehreren Städten in Deutschland, der Schweiz und Österreich zielt auf die Interessen am Gedankenaustausch von Bauherren, Planern, Betreibern kritischer Infrastrukturen, Energiemanagern, Elektroplanern und -herstellern, Wärme- und Kälteversorgern sowie Systemintegratoren ab. Maßgeblich Interessierte sind heute auch alle, die mit der Planung, Errichtung und dem Betrieb von Rechenzentren (RZ) befasst sind. Mittlerweile stoßen mehr und mehr Baukonzerne und Immobilieninvestoren zu diesem dynamischen Ecosystem.
Stromversorgungs- und Netzersatzsysteme sowie die Abwärmenutzung stehen derzeit im Vordergrund. Letztere ist in Deutschland über das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) inzwischen verpflichtend. Die Teilnehmer haben folglich einen MINT-Hintergrund und sind an Zahlen, Daten, Fakten interessiert. Natürlich wird Nachhaltigkeit mitgedacht wie auch möglichst geringe Emissionen, das alles aber mit Realitätsbezug und ohne Visionen – und ohne ungedeckte Schecks auf die Zukunft. In den Fachvorträgen werden viele Lösungsmöglichkeiten für die einzelnen Themen vorgestellt und diskutiert. Es ist erstaunlich, wie viele Ideen und kluge Ansätze es für die verschiedenen Herausforderungen gibt.
Der Strombedarf für die RZ wird mit der weiteren Anwendung von Künstlicher Intelligenz drastisch in den Gigawattbereich steigen, das ist schlecht für Länder, die ihren Verbrauch aus Klimagründen senken wollen. Zudem erfordern die RZ konstanten, sicheren Strom, sie können also mit einer von deutschen Grünen propagierten „angebotsorientierten Versorgung“ nichts anfangen. Microsoft kontrahierte das seit fünf Jahren abgeschaltete Kernkraftwerk Three-Mile-Island-1 und garantiert nun für 20 Jahre die Stromabnahme.
In Deutschland gibt es in den beiden Datacenter-Hotspots Frankfurt/Main und Berlin nicht mehr ausreichend Strom für neue Datacenter. Das liegt zwar an den dort überlasteten Netzen, aber unsere Eigenstromerzeugung reicht schon jetzt nicht mehr durchgängig aus. Der von den Übertragungsnetzbetreibern erstellte „Netzentwicklungsplan Strom 2035“ kalkuliert feste Importstrommengen ein, ohne eine Risikoabschätzung für den Fall einer wie auch immer begründeten Nichtlieferung.
Die Schweizer wollen über einen sogenannten Mantelerlass Wind- und Solarenergie ebenfalls stark ausbauen. Das ist ein Vorhaben, das in der Umsetzung durch die Eidgenossen sicher entsprechend evaluiert werden wird. Die neue deutsche Regierung will bezüglich der mehr als 20 Jahre laufenden „Energiewende“ nun ein Monitoring machen, ein Eingeständnis fehlender Übersicht und der Orientierungslosigkeit, die auch ein Erbe der Ampelregierung ist.
Ich hatte die Freude und Ehre, auf einer der Fachkonferenzen in Zürich zu den künftigen Anforderungen an das Schweizer Netz zum Thema „Die Schweiz – Drehscheibe im europäischen Stromverbund“ einleitend vorzutragen, ebenso ein deutscher Netzplaner und der kaufmännische Leiter des Kernkraftwerks Leibstadt, der zudem Vorstand vom Nuklearforum Schweiz ist. Die folgende Diskussionsrunde begann mit einer Frage zum Thema Atommüll von einem – natürlich – deutschen Teilnehmer.
In den direkten Gesprächen gab es Verwunderung über den Kurs Deutschlands, auch Unverständnis darüber, dass die deutschsprachigen Länder Europas, die gemeinsam ein großes Gewicht haben, nicht enger zusammenarbeiten. Die Schweizer wissen durchaus, was im „Großen Kanton“ so läuft, sie werden bezüglich ihres Stromnetzbetriebs außerordentlichen Herausforderungen ausgesetzt sein und werden sich darauf einstellen müssen. Über Volksentscheide wird aber der Realitätsbezug sichergestellt, was ein markanter Unterschied zu repräsentativen Demokratien darstellt, deren Gefahr im Abrutschen in Parteiendemokraturen und ihren Verkrustungen besteht.
Mit dem Koalitionsvertrag der neuen deutschen Regierungsparteien wird deutlich, dass sich der Kurs der Energiewende nicht ändern wird. Alternativlosigkeit führt zum Scheitern. Durch eine hohle Gasse werden wir gehen und damit ein hohes Risiko gehen. Landvogt Gessler wurde in einer hohlen Gasse erschossen, weil kein anderer Weg nach Küssnacht führte. Nationalheld Wilhelm Tell war der Täter. Wo sind heute unsere Nationalhelden? Sie müssten nicht schießen, nur einen anderen gangbaren Weg finden, tatkräftig umsteuern und die gefährliche Sackgasse vermeiden.
Hier die Verschriftlichung meines Beitrags auf der Veranstaltung in Zürich, die vom gesprochenen Wort abweichen kann.
Für Interessenten: Die nächste Fachtagung findet am 17./18. Juni in Essen statt.