Energiewende: Schweizer Unternehmen verklagt Deutschland auf Millionen-Entschädigung

vor 24 Tagen

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Bildquelle: Apollo News

Der Stromversorger Azienda Elettrica Ticinese (AET) aus dem Kanton Tessin hat eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland beim internationalen Schiedsgericht der Weltbank in Washington eingereicht. Hintergrund ist der geplante Kohleausstieg im Rahmen der deutschen Klimapolitik.

Konkret fordert das Unternehmen eine Entschädigung für das Kohlekraftwerk Trianel im nordrhein-westfälischen Lünen, an dem AET mit 16 Prozent beteiligt ist. Der Abschaltplan der Bundesregierung sieht vor, dass das Kraftwerk bis 2031 vom Netz gehen soll.

Die Tessiner hatten 2008 in das Projekt investiert, mit dem Ziel, die Energieversorgung des Kantons langfristig zu sichern. Nun verlangen sie laut Gerichtsunterlagen eine Zahlung von 85 Millionen Euro, zuzüglich vier Prozent Zinsen.

Die Klage stützt sich auf den Energiecharta-Vertrag (ECT), ein internationales Investitionsschutzabkommen aus den 1990er-Jahren. Der ECT ermöglicht es Energieinvestoren, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen, wenn politische Maßnahmen wie etwa Klimaschutzgesetze ihre Gewinnerwartungen schmälern. Kein anderer Investitionsschutzvertrag weltweit hat bislang mehr Klagen vor Schiedsgerichten ausgelöst als der ECT.

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland ist längst beschlossene Sache. Bereits im Jahr 2020 verabschiedete die damalige CDU-geführte Bundesregierung unter Angela Merkel das entsprechende Gesetzespaket. Spätestens bis 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk in der Bundesrepublik vom Netz gehen. Derzeit sind bundesweit noch 43 Anlagen aktiv.

Fachleute kritisieren zunehmend den eingeschlagenen Kurs der Bundesregierung. Dr. Björn Peters äußerte massive Zweifel, ob das geplante Gesetz zum Kohleausstieg überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Seiner Einschätzung nach sei das Gesetz nicht aus einer ausgewogenen Güterabwägung hervorgegangen, wie sie das Verfassungsrecht eigentlich voraussetzt.

Peters betont, dass es zwar „viele gute umweltpolitische Gründe für den Kohleausstieg“ gebe, der ökologische Nutzen des Gesetzes jedoch in keinem angemessenen Verhältnis zum Eingriff in andere verfassungsrechtlich geschützte Güter stehe. Der Schaden, der dadurch etwa für Versorgungssicherheit oder wirtschaftliche Stabilität entsteht, wiege schwerer als bisher öffentlich diskutiert.

Auch der Atomausstieg wurde unter der Merkel-Regierung vorangetrieben. Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 verkündete die damalige Kanzlerin einen beschleunigten Rückzug aus der Kernenergie. Bereits im Juni desselben Jahres wurde ein umfassender Ausstiegsplan verabschiedet, der zunächst die sofortige Stilllegung von acht Reaktoren vorsah und den kompletten Atomausstieg auf lange Sicht festschrieb.

Merkel rechtfertigte diesen Schritt mit den „nicht beherrschbaren Risiken“ der Kernenergie, die das Reaktorunglück in Japan eindrücklich verdeutlicht habe. Welche fatalen Folgen der Ausstieg aus Kohle und Atomkraft für die deutsche Wirtschaft und Privathaushalte haben würde, schien sie dabei kaum zu interessieren.

Die letzten drei Atomkraftwerke Deutschlands wurden schließlich im Jahr 2023 unter der Ampelkoalition endgültig abgeschaltet. Damit endete in Deutschland eine Ära grundlastfähiger Energieversorgung.

Mit ihrer energiepolitischen Kehrtwende hat Angela Merkel früh den Grundstein für die schleichende Deindustrialisierung Deutschlands bereitet. Durch den gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle und Kernkraft wurde der Strommix zunehmend von volatilen erneuerbaren Energien abhängig gemacht. Doch Wind- und Solarkraft sind wetterbedingt unzuverlässig – sie können keine konstante Versorgungssicherheit garantieren. Die Folge: explodierende Strompreise für Industrie und private Haushalte. Es entsteht ein wachsender Wettbewerbsnachteil für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Auch vermeintlich alternative Lösungen wie Wasserkraft und Wasserstofftechnologie stehen vor erheblichen Hürden. Beim Wasserstoff fehlt es an einer funktionierenden Infrastruktur – es mangelt sowohl an einem flächendeckenden Transportnetz als auch an verlässlichen internationalen Lieferpartnern, um eine sichere Versorgung zu gewährleisten.

Die Wasserkraft wiederum wird vor allem durch bürokratische Hemmnisse und überregulierte Genehmigungsverfahren ausgebremst. Der Ausbau neuer Anlagen oder die Modernisierung bestehender Werke scheitert häufig an strengen Umweltauflagen, da solche Eingriffe laut Berliner Behörden den ökologischen Zustand der Flüsse gefährden könnten.

Eines wird zunehmend klar: Erneuerbare Energien allein sind keine tragfähige Grundlage für den Industriestandort Deutschland. Ein möglicher Erfolg der Klage des Tessiner Stromversorgers AET vor dem Schiedsgericht der Weltbank könnte erhebliche Konsequenzen für die deutsche Energiepolitik haben. Die derzeitige Architektur des Kohleausstiegs würde damit nicht nur ins Wanken geraten – sie könnte auch eine Klagewelle von ausländischen Anteilseignern nach sich ziehen. Sollten sich solche Verfahren häufen, droht ein Dominoeffekt: Zentrale Maßnahmen der deutschen Klimapolitik könnten durch Investorenklagen ausgehebelt werden. Ein Rückbau des Kohleausstiegs wäre dann durchaus denkbar.

Faktisch steht ohnehin zur Debatte, wie lange der Kohleausstieg in seiner jetzigen Form noch Bestand haben kann. Früher oder später wird Berlin entweder den Kohleausstieg aufweichen, oder eine Rückkehr zur Kernenergie ins Auge fassen müssen. Denn schon heute zeigt sich, dass ein Industrieland wie Deutschland nicht allein auf wetterabhängige Energiequellen bauen kann.

Im letzten Jahr stammten über 60 Prozent des deutschen Strommixes aus erneuerbaren Quellen. Doch bei schlechtem Wetter sinkt dieser Anteil teils auf nahezu null. In solchen Phasen müssen konventionelle Gas- und Kohlekraftwerke kurzfristig hochgefahren werden, um die Stromversorgung zu sichern. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, bis 2045 vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen – doch wie das ohne verlässliche Grundlastträger wie Kohle oder Kernkraft gelingen soll, ist bislang undenkbar.

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