Zynisch, abgehoben und unersättlich: Von einer entgrenzten Staatsaristokratie

vor 7 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Zwei epochale Bonmots, deren historischer Wahrheitsgehalt sicherlich bezweifelt werden kann, beschreiben den Ausklang der französischen Monarchie in ihrem Schlusskapitel am prägnantesten.

Da wäre zum einen der fatalistische Ausspruch der Madame de Pompadour, nachdem sie während eines Abendempfangs die Nachricht von der Niederlage der französischen Armee gegen Preußen 1757 bei Roßbach erhalten hatte. Um die Betroffenheit unter den Gästen ob dieser Katastrophe zu überspielen, soll die Maitresse des Königs gesagt haben: „Après moi le déluge!“, oder „nach mir die Sintflut“ – mit den Problemen werden sich andere herumschlagen müssen.

Zum anderen wurden der verhassten Königin Marie-Antoinette, Gemahlin von König Ludwig XVI., inspiriert vom Zeitgeist die zynischen Worte in den Mund gelegt: „Wenn Sie kein Brot haben, sollen Sie eben Brioche essen.“ Eine ihr fälschlich zugeschriebene, aber bis auf den heutigen Tag gern zitierte Sentenz, um die Abgehobenheit des Politikerstandes zu paraphrasieren.

Doch ist es gar nicht nötig, in den Geschichtsbüchern so weit zurückzublättern, um auf der Spurensuche nach staatsaristokratischem Übermut fündig zu werden.

Bundeskanzler Friedrich Merz fiel in den vergangenen Monaten regelmäßig mit Appellen an die Bürger auf, ihr wirtschaftliches Leistungsniveau zu überdenken. Noch im Mai, beim Wirtschaftsrat der CDU, sagte Merz, die „Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance allein werden den Wohlstand nicht sichern“. Er sprach sich für Reformen bei gesetzlichen Arbeitszeitregelungen und eine stärkere Führungsrolle Deutschlands in der EU aus, um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu sichern.

Diese Worte aus dem Munde des für die größte Schuldenorgie der Geschichte der Bundesrepublik verantwortlichen Bundeskanzlers, eines Mannes, der repräsentativ für eine politische Elite steht, die unfähig ist oder nicht willens, die strukturellen Probleme Deutschlands durch ein passendes Rahmenwerk zu adressieren, sind empörender Ausdruck der Abgehobenheit. Weder im Bereich der Überregulierung noch der Massenmigration leistet die politische Repräsentanz das Minimum dessen, was man angesichts der fürstlichen Ausstattung des Staats mit Steuergeld erwarten muss.

Zu den unbescheidenen Mahnern zählt auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der sich vom deutschen Volk eine bescheidenere Lebensführung wünscht und dazu rät, den Gürtel doch deutlich enger zu schnallen. Und dass ausgerechnet von dem Mann, der dem Steuerzahler während des Umbaus seines Amtssitzes von Schloss Bellevue eine Rechnung von 205 Millionen Euro für ein Ersatzgebäude präsentiert, ohne auch nur in Erwägung gezogen zu haben, bereits bestehende Büroflächen während der Renovierungsarbeiten anzumieten. Das wäre eines echten Staatsoberhauptes offensichtlich nicht würdig. Dieses Verhalten verleiht Steinmeier eine Sonderstellung innerhalb der Berliner Elite.

Geld spielt in diesen Kreisen offensichtlich eine untergeordnete Rolle. Während viele Bürger sich durch Inflation und Steuerlast hangeln, fragen sich manche Volksvertreter scheinheilig: „Was fehlt denn dem Volk?“ Die Antwort liefert ein Blick auf die eigenen Bezüge: Seit 2013 stiegen die Bundestagsdiäten um satte 43 Prozent – ganz automatisch, jedes Jahr zum 1. Juli. Heute kassiert ein Abgeordneter mit über 11.800 € Monatsgehalt mehr als das Doppelte des durchschnittlichen Bruttolohns. Nach 20 Jahren winkt dann eine Altersversorgung von über 70 Prozent, selbstverständlich zusätzlich zur Rente, sofern ein Rentenanspruch erworben wurde.

In der Politik und den korrespondierenden Behörden hingegen werden vom Steuerzahler erpresste Budgets zu Finanzierungsquellen von Karrieristen, die sich auf diesem Wege dem Leistungsprinzip des freien Marktes erfolgreich entziehen.

Genau das ist es, was die Staatsaristokratie unserer Zeit am besten beschreibt: Es ist ihre Fähigkeit, sich in einer ökonomisch abgesicherten Parallelwelt zu bewegen und für den Notfall Auffangbecken und Pseudotätigkeiten wie Behörden und NGOs geschaffen zu haben, die das „Berufsleben“ auf ein risikoloses Vollkasko-Prinzip reduzieren.

Neben der Macht über die Ausgestaltung eigener Budgets und Bezüge, der nahezu unbegrenzten steuerpolitischen Gewalt, zählt die Oberhoheit über den Mediensektor zu den Kernkriterien der Staatsaristokratie.

In Brüssel findet dieses Bestreben seinen Ausdruck in der zunehmend aggressiv-invasiven Bekämpfung der freien Rede auf dezentralen Medienplattformen wie X oder Telegram, die mit Gesetzen wie dem Digital Services Act (DSA) in die Knie gezwungen werden sollen. Die Emphase, mit der sich Brüssel gegen diese Medien stellt, zeigt, dass möglicherweise hier die entscheidenden Schlachten über die Zukunft bürgerlicher Freiheiten geschlagen werden.

Zur Funktionärselite zählt auch eine korrespondierende Hyperbürokratie. Etwa 5,4 Millionen Menschen arbeiten im öffentlichen Dienst – davon sind rund zwei Millionen verbeamtet. Vor zehn Jahren lag ihre Zahl noch bei etwa 4,7 Millionen. Ein Stellenaufwuchs von etwa 15 Prozent in gerade mal einer Dekade. Der arbeitssparende technologische Fortschritt konnte die politisch geförderte Wucherung des Regulierungswesens personalpolitisch nicht kompensieren.

Die omnipräsente Verwaltungstätigkeit der öffentlichen Hand bildet nicht nur einen politischen Machtfaktor des Staates und seiner Repräsentanten. Sie ist das Signum einer neuen Zeit, eines invasiven Sozialismus, der sich eine Kompetenz anmaßt, wie wir es seit der Wendezeit nicht mehr erlebt haben.

Kreditfinanzierte Staatsausgaben sind Power Food für Behörden, Kontrollorgane und Regulierer, die ihre Existenzberechtigung aus einer expansiven Regulierungsarbeit herleiten. Auch Bürokratien sind soziale Körper, die, ganz so wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen, um eine Ausweitung ihrer Budgets kämpfen und schleichend zu einem Staat im Staate mutieren.

Den Mitgliedern der Staatsaristokratie eröffnen sie weitere Karrierealternativen. Denken Sie an die ehemalige SPD-Vorsitzende und Arbeitsministerin Andrea Nahles, die heute der vollkommen ineffizienten Arbeitsagentur vorsteht und mit einem Team von 100.000 Mann mehr schlecht als recht den Mangel am Arbeitsmarkt bewirtschaftet.

Dabei handelt es sich nur um eines von unzähligen Beispielen aus der Welt der deutschen Hyperbürokratie. Eine groteske Steigerung erlebt sie in der artifiziellen Klimawirtschaft. In dem verzweifelten Versuch, eine Kunstwirtschaft mit einem gigantischen Subventionsapparat am Leben zu halten, arbeiten in der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten zehntausende Verwaltungsbeamte und Angestellte im öffentlichen Dienst an der Projektierung und Mittelverteilung an die Subventionsunternehmen des grünen Sektors. Er ist neben der Rüstungsindustrie die zweite tragende Säule der Wirtschaft der Staatsaristokratie.

Der neue Haushalt der Europäischen Kommission soll vom Zeitraum 2028 bis 2034 etwa 750 Milliarden Euro an Transferleistungen zur Verfügung stellen, um diesen Komplex liquide zu halten. Dies impliziert ungezählte neue Verwaltungsposten, Aufsichtsratsstellen, Partizipationschancen für Vertreter der Politik und öffnet der Korruption Tür und Tor.

Es ist der Webfehler populistischer Demokratien, dass ihre politischen Eliten ausschließlich in einem parteiinternen Selektionslauf ausgewählt werden und sich zuvor keinerlei Meriten in der freien Wirtschaft erwerben mussten. Eine Begrenzung der Mandatsträgerschaft auf zwei oder drei Wahlperioden, die Streichung der Pensionsbezüge und eine Begrenzung der finanziellen Zuwendungen auf das Nettogehalt der zurückliegenden drei Jahre des jeweiligen Bewerbers auf ein öffentliches Amt würden dieser maliziösen Entwicklung einen Riegel vorschieben.

Selbstverständlich wird dies nicht geschehen, da die Staatsaristokratie weitgehend im immunisierten Raum operiert. Und so werden wir in Zukunft während der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise regelmäßig von Steinmeier, Merz und Co. die Leviten gelesen bekommen. Denn in Berlin wissen sie eines ganz genau: Auch ihr letztendlich fragiles Machtgebilde speist sich am Ende aus dem ökonomischen Reservoir der Leistungsträger, über die sie so abfällig reden.

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