Entlassungen bei Volkswagen: Die Regierung versprach ein Wirtschaftswunder ­– und sorgt für das Gegenteil 

vor 6 Monaten

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Die Rache des Journalisten an der Politik, heißt es, sei das Archiv. In der Tat gelingt es den wenigsten Politikern, Versprechen einzuhalten und Pläne genau umzusetzen. Werden sie auf die Kluft angesprochen, verweisen sie auf die Schwierigkeit der Lage. So ist es auch bei der gegenwärtigen Bundesregierung.

Erschwerend aber kommt hinzu: Die Realität selbst rächt sich an der Ampel. Während diese von wirtschaftlichen Paradiesen fabuliert, wächst die Ödnis auf dem Arbeitsmarkt. Statt Aufschwung gibt es Abschwung, statt Zuversicht Verdruss, statt neuen Arbeitsplätzen Werksschließungen und Abwanderung. Die Ampel ruiniert den Standort. Die drohenden Massenentlassungen bei Volkswagen sind ein weiterer, trauriger Beleg.

Im März vergangenen Jahres verkündete der um kein kesses Wort verlegene Bundeskanzler: Deutschland könne dank seiner Politik „für einige Zeit Wachstumsraten erzielen, wie zuletzt in den 1950er- und 1960er-Jahren geschehen“. In der Zeit des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg lagen die Wachstumsraten bei rund acht Prozent.

Bundeskanzler Olaf Scholz lag mit seiner Wachstumsprognose gründlich daneben.

Höher hätte Olaf Scholz die Latte nicht legen können. Nun, im 21. Jahrhundert, prognostiziert der Sozialdemokrat einen solchen Boom dank der Investitionen in den „Klimaschutz“. Damit fiel er ein in die Fanfare, die zuvor die Grünen im Wahlkampf angestimmt hatten. Auf Plakaten stand zu lesen: „Erlebe dein grünes Wirtschaftswunder“.

Die deutsche Wirtschaft erlebt gerade eher ihr blaues Wunder.

Die Wirklichkeit spricht solchen Parolen Hohn. Täglich mehr erscheint die Ampel wie die Parodie einer Regierung. Das grüne Wirtschaftswunder fiel aus. Wer sich heute die Daten anschaut, erlebt sein blaues Wunder. Der Kanzler steht ebenso blamiert da wie sein Wirtschaftsminister. Es wird einsam um Olaf Scholz und Robert Habeck, einsam auch in voraussichtlich mindestens drei VW-Werken. Dort nämlich, teilt der Betriebsrat mit, werde die Arbeit eingestellt. Der Verlust von mehreren zehntausend Arbeitsplätzen droht.

Laut der Betriebsratsvorsitzenden sei der Konzern entschlossen, sämtliche Standorte in Deutschland zu verkleinern und einige ganz zu schließen. Der „Ausverkauf“ habe begonnen. Wer an Bord bleiben darf, muss mit Gehaltseinbußen von bis zu 18 Prozent rechnen. Volkswagen wäre dann ein einziger großer Sanierungsfall geworden und insofern ein Sinnbild für den deutschen Absturz.

Daniela Cavallo, Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Volkswagen AG, spricht bei einer Informationsveranstaltung des Gesamtbetriebsrates der Volkswagen AG im VW-Stammwerk Wolfsburg.

Gewiss hat auch das Management Fehler gemacht, etwa auf dem Gebiet der E-Mobilität. Der Konkurrent Mercedes meldete jüngst einen Gewinnrückgang um 64 Prozent, BMW leidet ebenfalls unter schwachen Absatzzahlen. Entscheidend ist aber das groteske Missverhältnis zwischen dem Anspruch der Regierung, das Land zum „klimaneutralen Industriestandort“ fortzuentwickeln, und dem Scheitern an diesen Ambitionen. Der Beitrag Deutschlands zum globalen „Klimaschutz“ besteht offenbar in der Bereitschaft zur Deindustrialisierung.

BMW, Mercedes und Volkswagen – einst der Stolz einer Nation der Ingenieure und Autofahrer – sind in ihrem Niedergang symptomatisch. Ein Staat, der seine nationale Identität nicht zu definieren weiß, droht seinen ökonomischen Markenkern zu verlieren. Zurück bleibt ein klapperndes Gerippe, die Attrappe eines Landes, das von vergangenem Ruhm zehrt, durch die Gegenwart irrt und nicht heraus findet in die Zukunft.

Etwa 300.000 Industrie-Arbeitsplätze sind in den zurückliegenden drei Jahren verloren gegangen. Meint Olaf Scholz wirklich, den Trend stoppen zu können, wenn er an diesem Dienstag „Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft und Gewerkschaften“ ins Kanzleramt lädt? Die von Scholz erhoffte „Verständigung für weitere Maßnahmen, um gemeinsam den Industriestandort Deutschland zu stärken und zu modernisieren“, ist eine Bankrotterklärung in eigener Sache. Der Chef einer Bundesregierung sollte über genügend reguläre Instrumente verfügen, die Wirtschaft seines Landes zu stützen. Wenn es dazu spezieller Kaffeeplaudereien am Amtssitz bedarf, hat der Kanzler in seinem Kerngeschäft versagt.

Deutschland wurde unter der Ampel ­– vorbereitet von Angela Merkel ­– zum Klotz am Bein der europäischen Wirtschaft. Der IWF rechnet in diesem Jahr mit einem Nullwachstum, einer Stagnation also, und 2025 mit bescheidenen 0,8 Prozent Anstieg. Das sind die Zahlen eines Abstiegskandidaten, eines trudelnden Riesen. Statt der „Arbeiterlosigkeit“, die Scholz in jedem zweiten Interview hervorkehrt, steht Deutschland eine neue Arbeitslosigkeit bevor.

Gegeneinander statt miteinander – das scheint das Motto der Ampel-Regierung zu sein.

Die Regierung erklärt sich für nicht zuständig oder verlegt sich auf das Bitten und Betteln. Soeben nannte Scholz die Wirtschaftskrise eine „Situation, die uns da passiert ist.“ Damit schob er alle Verantwortung von sich. Wer so redet, hat innerlich abgedankt. Der Coach des FC Deutschland steht apathisch am Spielfeldrand und nimmt die Flut an Gegentoren ungerührt zur Kenntnis. An Volkswagen wandte er sich über den Regierungssprecher geradezu flehentlich: Arbeitsplätze seien „zu erhalten und zu sichern“.

Zur Platitude in ihrer billigsten Form nimmt die Regierung Zuflucht, weil ihr die Realität entglitten ist. Die Ampel residiert in Wolkenkuckucksheim. Davon konnte sich jeder Anfang Oktober überzeugen, als Olaf Scholz zu Gast war beim Bundesverband Groß- und Außenhandel. Im Gepäck hatte er eine falsche Problemanalyse, gefolgt von einem irrigen Konzept und also eine Anleitung für den weiteren Niedergang.

Schuld nämlich an Deutschlands Wachstumsschwäche, so der Kanzler, seien: „Die Auswirkungen von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Lage in Nahost, aber auch eine grundsätzliche Abschwächung der Weltkonjunktur (…) und natürlich die Fragmentierung des Welthandels durch Zollrestriktionen.“ Mit all diesen Herausforderungen sind aber sämtliche Nationen konfrontiert, ohne dass es dort zu einer wirtschaftlichen Stagnation käme. Deutschlands Probleme sind hausgemacht. Der IWF beklagt eine „permanente Schwäche der Industrie“ in Deutschland. Die Bundesrepublik ist das Schlusslicht unter den führenden G-7-Staaten.

Russlands Präsident Putin und sein Angriff auf die Ukraine werden von Scholz als ein Grund für die deutsche Wirtschaftsmisere genannt.

Natürlich, gestand Scholz generös, gebe es spezifisch deutsche „Wachstumshindernisse“. Bei diesen aber wäscht der Kanzler seine Hände in Unschuld – behauptet er. Nur die Vorgängerregierungen, denen die SPD indes meistens angehörte, hätten geschludert: „Zu viel ist zu lange liegen geblieben. Gemächlichkeit im Stil der 90er Jahre können wir uns in einer sich rapide ändernden Welt aber nicht mehr leisten. Und deswegen haben wir nach einem Jahrzehnt des Stillstands ein Jahrzehnt der bitter nötigen Modernisierung begonnen.“

Was Scholz Modernisierung nennt, entwickelt sich zur Abwrackprämie für den Standort. Hohe Steuern, hohe Abgaben, hohe Energiekosten, ergänzt um einen Rückgang der inneren Sicherheit und ein migrationspolitisches Laissez-faire, sind die Zutaten für einen giftigen Cocktail.

Zu befürchten jedoch ist: Auch das Debakel um das versprochene „Wirtschaftswunder“ wird die Koalitionäre nicht davon abhalten, auf den letzten Metern zu tun, was sie am besten können – großspurig reden und kleingeistig handeln.

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