
Lars Klingbeil hat für seinen Entwurf zum neuen Haushalt ein großes Lob erhalten. Der Entwurf sei ein “Meilenstein, um im Rekordtempo für mehr Wachstum und Gerechtigkeit in unserem Land zu sorgen”. Es ist niemand anderes als der deutsche Vizekanzler, Finanzminister und SPD-Vorsitzende, der dieses Lob über Lars Klingbeil ausspricht – also er selbst. Was die Bedeutung dieser Worte dann doch auf Null reduziert.
Wobei Null als Zahl gar nicht so schlecht ist, wie ihr Ruf. Würde die deutsche Wirtschaft Null-Wachstum verzeichnen, dann wäre das besser als die Ergebnisse der letzten drei Jahre. Hätte der Bund nach der Abrechnung Null Geld, dann wäre er um… Nun. Der Bund wäre deutlich reicher. Faktisch macht er Schulden. Wie viele das genau sind, da verliert man dieser Tage gerne mal den Überblick. Aber wenn es um Schulden geht, dann sorgt Klingbeil tatsächlich “im Rekordtempo für mehr Wachstum”.
Den Haushalt für das laufende Jahr hat Klingbeil noch vor der Sommerpause eingebracht. Den Entwurf für das nächste Jahr hat er an diesem Mittwoch dem Kabinett vorgestellt. Über beide muss das Parlament noch beraten und dann final abstimmen. Beide sorgen für enorm viel Streitpotenzial zwischen den Partnern CDU, CSU und SPD – ebenso für viele offene Fragen. Echtes Sparen gibt es bisher nicht. Das fordert Klingbeil erst ab dem Jahr 2027 ein. Echte Reformen fehlen ebenso. Die sollen „Kommissionen” erarbeiten, die der Bund nach dem Sommer eröffnen will. Wobei sich – am Rande – die Frage stellt, warum der Bürger über 600 Abgeordnete wählt und bezahlt, wenn nachher Arbeitskreise deren Job erledigen.
Als CDU, CSU und SPD noch in der Regierungsbildung waren, haben sie die “Schuldenbremse” aufgeweicht. Damit war zu erwarten, dass die Schuldenspirale sich in Deutschland immer schneller drehen wird. Wie schnell die Spirale aber an Tempo aufnimmt, lässt die übelsten Befürchtungen wie Schönfärberei aussehen: Im Haushalt für das laufende Jahr nimmt Klingbeil 143,1 Milliarden Euro an neuen Schulden auf – 81,8 Milliarden Euro über den regulären Haushalt, 61,3 Milliarden Euro über die “Sondervermögen”.
Für das nächste Jahr plant Klingbeil schon mit 173,7 Milliarden Euro an neuen Schulden. 89,3 Milliarden Euro über den regulären Haushalt und 84,4 Milliarden Euro über die “Sondervermögen”. Eine Zunahme der Neuverschuldung von 21,4 Prozent innerhalb nur eines Jahres. Die Spirale gewinnt rasant an Tempo. Die schwarz-rote Regierung hofft auf wirtschaftliches Wachstum, um diese Schuldenlast schultern zu können – während faktisch das Bruttoinlandprodukt weiter zurückgeht. Negative Effekte wie der Zoll-Deal der EU mit den USA sind in Klingbeils Entwurf noch nicht berücksichtigt.
Die Schuldenspirale nimmt rasant an Tempo zu. In der Folge bedeutet das auch, dass die Zinslast schneller zum Faktor wird. Die liegt aktuell bei 33 Milliarden Euro im Jahr – durch die Politik von CDU, CSU und SPD werden die Zinszahlungen noch in dieser Wahlperiode auf über 60 Milliarden Euro im Jahr anwachsen. Zur Einordnung: Der Haushalt für das laufende Jahr umfasst Einnahmen von knapp über 500 Milliarden Euro, der Entwurf für das kommende Jahr Einnahmen von rund 520 Milliarden Euro. Der Bund wird also schon bald von jedem Euro mehr als zehn Cent abgeben müssen – allein an den Zinsdienst. Im regulären Haushalt. Weil der Zinsdienst dem Bund immer stärker die Kehle zudrückt, wird er sich noch mehr Geld über Schulden besorgen müssen. Die Spirale nimmt an Tempo auf.
Ein Beispiel aus der Planung zeigt, wie sehr CDU, CSU und SPD die Illusion aufgegeben haben, neue Schulden noch bezahlen zu können: Die Krankenkassen arbeiten mit einem laufenden Defizit von rund zehn Milliarden Euro. Damit drohen zum Jahreswechsel erneut deutlich höhere Beiträge. Das macht Arbeit in Deutschland für Betriebe noch teurer und für Beschäftigte noch weniger attraktiv. Rund zehn Milliarden Euro beträgt auch die Summe, die der Bund den Kassen jährlich zu wenig für die gesundheitliche Versorgung von Empfängern staatlicher Transfers zahlt – also vor allem für Empfänger von Bürgergeld.
Der Bund hätte den Kassen einfach die zehn Milliarden Euro ausgleichen können und somit wenigstens noch eine Erhöhung der Beiträge verhindern können. Doch stattdessen gewährt Klingbeil den Kassen für 2025 und 2026 jeweils nur einen Kredit von 2,3 Milliarden Euro. Zwar existiert bereits ein Pfad, wann die Kassen das Geld zurückzahlen sollen. Doch bereits Karl Lauterbach (SPD) hat als Minister ihnen eine Milliarde Euro geliehen. Deren Rückzahlung hat der Bund jetzt erstmal verschoben. Die Konsolidierung der Kassen ist nicht in Sicht, ihr Schuldendienst erstmal verschoben und die Beiträge steigen trotzdem weiter. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie CDU, CSU und SPD mit ihrem Haushalt in allen Zielen scheitern.
Eine Säule seiner Politik sei die Konsolidierung des Haushalts, sagt Klingbeil über sich selbst. Doch auch hier geht seine Eigenwahrnehmung massiv an der Fremdwahrnehmung vorbei. Fast alle Einzelhaushalte wachsen. Einsparungen wie in der Entwicklungshilfe sind die Ausnahme und die Beträge angesichts der Gesamtzahlen kümmerlich. Oder nicht gedeckt. Wie etwa beim Bürgergeld. Da will der Bund 1,3 Milliarden Euro weniger ausgeben – ohne einen Vorschlag vorzulegen, woher diese Einsparung kommen soll.
Der eigentlich schwere Haushalt komme 2027 auf ihn zu, sagt Klingbeil. Dann müsse es ein “Gesamtpaket” geben: “Es wird dazu führen müssen, dass alle sich bewegen müssen.” Um 21,4 Prozent steigt die Neuverschuldung innerhalb nur eines Jahres – und trotzdem komme der schwere Haushalt erst noch. Die Schuldenspirale nimmt an Tempo auf. Das gibt sogar der Schönredner Lars “Meilenstein” Klingbeil zu. Allerdings nur indirekt.