Er gilt als schizophren und bedrohte Mann mit Messer: Jetzt gibt es sogar Psychiatrie auf Bewährung

vor 3 Monaten

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Er lief im April 2024 mit einem Messer herum und bedrohte wahllos Menschen, dennoch muss er nicht ins Gefängnis: Das Konstanzer Landgericht verurteilt einen Syrer zur Unterbringung in der Psychiatrie, setzt die Strafe aber zur Bewährung aus.

Als der heute 28-jährige Syrer, 2015 als Asylbewerber nach Deutschland gekommen, im April vergangenen Jahres in Uhldingen-Mühlhofen Menschen mit einem Messer bedrohte, waren seine psychischen Erkrankungen bereits bekannt: mehrere Suizidversuche und Aufenthalte in der geschlossenen Psychiatrie. Das Messer hatte er an jenem Tag dabei, „um mich zu schützen, weil ich solche Ängste hatte“. Dann aber bedrohte er selbst ein Zufallsopfer, einen Familienvater, ließ dann aber von ihm ab. Auch zwei Mitarbeiter einer Security-Firma, die eine Flüchtlingsunterkunft bewachten, schüchterte er mit dem Messer ein.Nur die Schüsse aus der Dienstpistole eines Polizeibeamten setzten ihn außer Gefecht. Als er blutend am Boden lag, streckte er noch das Messer in die Höhe und rief „Allahu akbar“. Richter Arno Hornstein: „Wenn Polizeibeamte Sie dann eine Dreiviertelstunde lang beruhigen, ist ‚Allahu akbar‘ nicht der beste Spruch.“ Und weiter: „Wir behandeln Ihren Fall unabhängig, neutral und nicht politisch.“ Aber der Angeklagte müsse wissen, was solch eine Tat auslöse. „Wir sind in einer politischen Situation, wo sowas äußerst kritisch beurteilt wird“, so Hornstein.

Arno Hornstein, Richter am Konstanzer Langericht, schätzt die gesellschaftliche und politische Brisanz des Falles richtig ein, lässt aber dennoch Milde walten.

„Wir urteilen hier ja im Namen des Volkes und die Meinung des Volkes hat eine ganz klare Tendenz, sobald ein Messer ins Spiel kommt“, schätzte der Richter die Lage realistisch ein.

Am zweiten Prozesstag ging es im Wesentlichen um die Frage, ob man eine mögliche Unterbringung in einer geschlossenen Psychiatrie zur Bewährung aussetzen kann. Und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Der Sachverständige, ein Psychiater, sagte: „Für die psychische Kompetenz des Beschuldigten spricht, dass es ihm gelungen ist, berufstätig zu werden und dass er schnell und gut die deutsche Sprache gelernt hat.“ Er weise zudem eine familiäre Bindung auf, nehme Medikamente gegen seine Drogensucht – der Angeklagte konsumiert immer wieder Amphetamin, Haschisch und gelegentlich Kokain – die auch anschlagen, und sehe ein, dass er krank ist.

Allerdings treten die psychotischen Störungen des Syrers auch ohne die Rauschmittel auf, er verletzte sich schon selbst mit Messern. Der Sachverständige diagnostiziert eine paranoide Schizophrenie. Zwischenzeitlich nahm er Psychopharmaka, habe zuletzt jedoch bei Arbeitssuche, Arbeit zu finden, Drogenentzug und Therapie „eine gewisse Wurschtigkeit“ erkennen lassen. Daher hat der Gutachter trotz der Gründe, die für eine gute Sozialprognose sprechen, weiter Zweifel: „Ich würde mich viel zu weit aus dem Fenster lehnen, wenn ich sagen würde, ich bin sicher, dass es mit ihm auf Bewährung gut klappt.“

Der Psychiater kann also für nichts garantieren. Dennoch zeigt Richter Hornstein Milde: Zum Glück sei damals niemand verletzt worden und seit der Tat habe sich der Angeklagte nicht zuschulden kommen lassen. Das Urteil lautet daher: drei Jahre Bewährung unter Führungsaufsicht und Bewährungshilfe.

Der Tatort in Uhldingen-Mühlhofen.

Die Auflagen: Der Syrer muss sich schnellstmöglich um eine stationäre Drogentherapie kümmern, sich danach wöchentlich im Zentrum für Psychiatrie weiter therapieren lassen und Psychopharmaka zur Behandlung der Psychosen einnehmen. Von Alkohol und Drogen soll er die Finger lassen, was mit wöchentlicher unangekündigter Urinprobe überprüft wird.

Dass auch die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung auf Bewährung ausgesetzt werden kann, mag überraschen, ist aber im März 2022 vom Bundesgerichtshof bestätigt worden: „Gemäß § 67b Abs. 1 Satz 1 StGB kann die Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch dadurch erreicht werden kann.“ Und weiter: „Besondere Umstände in diesem Sinne sind Umstände in der Tat, in der Person des Täters oder in seiner gegenwärtigen oder künftigen Lage, die erwarten lassen, dass die von ihm ausgehende Gefahr weiterer Taten abgewendet oder doch so abgeschwächt werden kann, dass trotz fortbestehender Gefährlichkeit zunächst ein Verzicht auf den Vollzug der Maßregel gewagt werden kann.“

Trotz Zweifel bleibt der psychisch gestörte Syrer also weiter auf freiem Fuß, erst wenn er sich nicht an die Auflagen hält, muss er in die Geschlossene. Ob er die nächsten drei Jahre am Ball bleibt oder ob sich seine paranoide Schizophrenie in einem weiteren Gewaltakt Bahn bricht und ein Unglücksrabe zur falschen Zeit am falschen Ort sein könnte? Niemand weiß es, auch der Sachverständige hat ja Zweifel.

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