
Nachdem ein Iraker ein 16-jähriges Mädchen am 11. August vor einen Güterzug gestoßen haben soll und dadurch tötete, kommen immer mehr Details zum Hintergrund des Verdächtigen und zum Tathergang an die Öffentlichkeit. Eigentlich hätte der 31-jährige, abgelehnte Asylbewerber Muhammad A. abgeschoben werden können – doch die Behörden scheiterten an Formalien. So wurde er im Juli nicht in Abschiebehaft genommen.
„Ein schlimmer Mann, völlig irre!“, berichtete jetzt ein Anwohner aus dem niedersächsischen Friedland, wo die Tat stattfand, gegenüber der Bild. Der Iraker soll hier bereits randalierend aufgefallen sein, bevor er die 16-Jährige angriff. Der Zeitung zufolge befand sich Liana K. am 11. August kurz vor 16 Uhr auf dem Heimweg aus einer Zahnarztpraxis, in der sie kürzlich einen Ausbildungsplatz angetreten hatte.
Nur wenige hundert Meter trennten sie vom Bahnhof, sie wurde möglicherweise bereits von dem 31-Jährigen verfolgt. Liana K. begann ein Telefonat mit ihrem Großvater in der Ukraine – ihre Eltern und Geschwister waren 2022 aus Mariupol geflohen. Gegenüber der Jungen Freiheit erzählte die Mutter in einem am Sonntag erschienenen Interview, der Großvater habe berichtet, „dass ihre Stimme besorgt klang“, während Liana K. zum Bahnhof ging.
„Ihr Opa musste alles mitanhören“, sagte außerdem Markus Janitzki gegenüber der Bild. „Er hörte Schreie, dann nur noch Zugrauschen.“ Janitzki ist der Bürgermeister im thüringischen Geisleden, unweit der niedersächsischen Grenze. Hierhin waren die Eltern von Liana K. samt ihrer Kinder gereist, nachdem ihr Haus im ukrainischen Mariupol 2022 zerstört worden war.
Der Politiker kennt die Eltern gut, begleitete die Familie, als die Eltern einen Arbeitsplatz, die zwei Söhne einen Schulplatz erhielten und Liana K. nach ihrem Abschluss schließlich einen Ausbildungsplatz antrat. „Sie war liebevoll, ehrgeizig, fleißig und hat schnell Deutsch gelernt. Für ihre Brüder war sie ein Vorbild“, weiß Janitzki.
Er ist es auch, der von den trauernden Eltern zum Tatort gerufen wurde. Nachdem der Großvater von Liana K. den Eltern mitgeteilt hatte, dass er sich Sorgen machte, hatten sie sich umgehend auf den Weg nach Friedland gemacht. Als sie dort eintrafen, war der Bahnhof bereits abgesperrt, der leblose Körper ihrer Tochter wurde von einem Tuch bedeckt.
Neben Janitzki standen dann auch die Christdemokraten und die AfD der Familie bei. „Mir war es egal, welche Partei meine Sorgen anhört – wichtig war, dass ich nicht im Regen stehen gelassen wurde. Die AfD öffnete mir die Tür, hörte mir zu, nahm meine Sorgen ernst und steht uns bis heute zur Seite“, erklärte die Mutter gegenüber der Jungen Freiheit. Die CDU und Janitzki haben überdies einen Spendenaufruf in Geisleden gestartet, um eine würdige Beerdigung von Liana K. zu ermöglichen.
Währenddessen wurde der tatverdächtige Iraker in eine psychiatrische Klinik überstellt – bei ihm wurde eine Schizophrenie festgestellt, seine Schuldfähigkeit wird daher derzeit überprüft, so Bild. Ein unbeschriebenes Blatt ist Muhammad A. aber nicht. Nachdem sein Asylantrag im Dezember 2022 abgelehnt worden war, hätte er gemäß den EU-Asylregeln nach Litauen überstellt werden sollen, dem Staat, in dem er offenbar erstmals EU-Territorium betreten hatte. Deswegen ist das baltische Land für das Verfahren zuständig.
Doch der 31-Jährige klagte gegen die Rückführung – erst im Februar dieses Jahres wurde die Klage vom Verwaltungsgericht Göttingen abgewiesen. Der Iraker war also zum Tatzeitpunkt ausreisepflichtig. Ein dahingehender Antrag auf Abschiebehaft von der zuständigen Ausländerbehörde scheiterte jedoch im Juli vor dem Amtsgericht Hannover – aus formellen Gründen (mehr dazu hier).
„Der Antrag war derart mangelhaft, dass eine inhaltliche Prüfung rechtlich nicht zulässig war“, heißt es in einer Antwort des Gerichts an Nius. Hinzu kommt, dass das Amtsgericht die Behörde vor der Entscheidung ausdrücklich auf die Mängel hinwies und die Möglichkeit einer Nachbesserung einräumte. Diese wurde jedoch nicht genutzt. „Die Mängel wurden nicht behoben.“ Die Konsequenz: Der betroffene Iraker durfte nicht in Abschiebehaft genommen werden und blieb zunächst auf freiem Fuß – nur wenige Wochen später soll er Liana K. dann vor den vorbeifahrenden Güterzug gestoßen haben.