
Kontaktschuld und Ansichten, die Linken unangenehm sind – darauf gründen sich die Vorwürfe gegen den Ludwigshafener AfD-Bürgermeisterkandidaten Joachim Paul. Lesen Sie hier im Detail, was dem AfD-Politiker vorgeworfen wird.
Der Wahlausschuss der Stadt Ludwigshafen hat am Dienstag den AfD-Politiker Joachim Paul von der Bürgermeisterwahl in Ludwigshafen ausgeschlossen. Dass Paul nicht kandidieren darf, wird mit „Zweifeln an seiner Verfassungstreue“ begründet. Diese speisen sich aus einem bizarren Verfassungsschutz-Gutachten, das NIUS in Gänze vorliegt.
Adressiert ist es an Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (bis 2023 in der SPD aktiv), die dem Wahlausschuss vorsitzt. Der Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes trägt in dem elf Seiten umfassenden Dokument, in dem die gegen Paul vorgebrachten Vorwürfe auf knapp fünf Seiten zusammenschnurren, „die aus Sicht des Verfassungsschutzes relevanten offenen und gerichtsverwertbaren Erkenntnisse“ vor.
Woraus sich diese gründen, wird aus einem Satz am Ende des Schreibens deutlich: „Vorsorglich weise ich darauf hin, dass insbesondere die den hiesigen Internet-Recherchen zugrundeliegenden Ergebnisse keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können.“ Im Klartext: Ein Beamter hat offenbar (fast) ausschließlich frei verfügbare Quellen genutzt, also mutmaßlich ins Google-Suchfenster „Joachim Paul AfD“ eingegeben. Die Ergebnisse fallen entsprechend dürftig aus.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Einige der Ansichten Pauls muss man nicht teilen, sie sind gleichwohl von der Meinungsfreiheit gedeckt. Zweifel an seiner Verfassungstreue werden – jedenfalls in den aufgeführten Fällen – nicht im Ansatz belegt. Und hauptsächlich versucht man Paul dadurch zu diskreditieren, dass er Kontakte zur „Neuen Rechten“ pflegt.
Ludwigshafens Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck
So hat Paul 2022 im österreichischen Freilich-Magazin einen Artikel mit Bezug zur Amazon-Serie „Die Ringe der Macht“ veröffentlicht, in dem es unter anderem hieß: „Tatsächlich spiegelt das gesamte Werk Tolkiens eine konservative Geisteshaltung wider, die gerade weil sie ohne Weiteres in die Breite wirkt, von besonderem Wert für den zeitgenössischen Konservatismus ist. Die Protagonisten im ‚Herrn der Ringe‘ kämpfen für eine Sache, die größer ist als sie selbst, die Heimat, den Fortbestand ihrer Kultur, eine gerechte Ordnung, die Abwehr einer Weltgefahr.“
Der ehemalige Geschichtslehrer Paul hat auch ein Faible für die Nibelungen-Sage, was ihm der Verfassungsschutz zur Last legt: Er habe im Freilich-Magazin einen Artikel, der sich mit der Nibelungensage befasst: „In dem Beitrag unter dem Titel ‚Deutscher Mythos kehrt zurück: ‚Hagen – im Tal der Nibelungen‘ als Schritt in die richtige Richtung‘“.
Die Neuverfilmung der Nibelungen-Sage habe für Paul „eine große Bedeutung in Bezug auf nationalen Stolz. Es handelte sich dabei um einen von drei Artikeln, die Joachim Paul im Jahr 2024 zur Nibelungensage verfasst hat.“ Außerdem habe Paul „seit dem 28. April 2023 habe Paul ein Video-Seminar über das Nibelungenlied angeboten“. Was daran verfassungswidrig sein könnte, bleibt völlig im Dunkeln.
Auf die migrationskritischen Ansichten Joachim Pauls haben die Verfassungsschützer ein besonders wachsames Auge geworfen. In einem unter dem Titel „Eine Warnung“ im Freilich-Magazin erschienenen Artikel habe Paul geschrieben: „Die Wahrheit ist: die Gewalt in Berlin und anderswo hat ein Gesicht. Sie ist jung, sie ist männlich, sie ist orientalisch.“
Eine weitere Wahrheit ist: Am 21. Juni 2024, also anderthalb Jahre später, hat sich in einem n-tv-Interview die Polizeipräsidentin von Berlin, Barbara Slowik, fast wörtlich gleich geäußert: „Zugespitzt formuliert: Nach unseren Zahlen ist die Gewalt in Berlin jung, männlich und hat einen nicht-deutschen Hintergrund. Das gilt auch für Messergewalt.“
„Joachim Paul machte in dem Artikel zudem deutlich, dass hauptsächlich kulturelle Unterschiede, wie beispielsweise fehlende Bildung bei Migranten, zu mehr Gewalt führen würden“, schreibt der Verfassungsschutz. Das würde wohl jeder Migrationsforscher unterschreiben, gleich welcher politischen Überzeugung.
Barbara Slowik Meisel, Berliner Polizeipräsidentin
Und weiter geht‘s: Im Artikel „Warum tun wir uns das alles an?“ am 29. Juni 2023 berichtete Joachim Paul von seinen Eindrücken über den Stadtteil Ludwigshafen-Hemshof: „Dabei argumentierte er, dass die miserablen Zustände im Stadtteil vor allem an dem hohen Anteil an Anwohnern mit Migrationshintergrund liegen“, schreibt der Geheimdienstler.„Deutsche sollen kaum noch in dem Stadtteil leben, nachdem dort erst Italiener und Griechen sesshaft wurden, die schließlich von Türken, Arabern und ‚Bulgaren‘ verdrängt worden wären. Indem er ‚Bulgaren‘ in seinem Text in Anführungszeichen schreibt, wertet er die bulgarische Bevölkerung ab bzw. spricht ihnen in Form von einer Anspielung auf deren mögliche ethnische Zugehörigkeit (Sinti und Roma) ihre Nationalität ab.“
Paul schrieb Bulgaren in Anführungszeichen, um nicht „Sinti und Roma“ oder gar das „Z-Wort“ zu bemühen – aber das Offensichtliche selbst noch vorsichtig auszusprechen, wird dem AfD-Politiker nicht verziehen. Macht ihn eine Ansicht, die sicher auch viele Migranten in Ludwigshafen-Hemshof teilen, zum Verfassungsfeind?
Der VS wirft Paul auch vor, was er in einem Vortrag („Schicksalsfrage Einwanderung – Warum Remigration nötig und machbar ist“) am 18. November 2023 sagte: „Joachim Paul stellte unter anderem die Probleme von Massenmigration dar und diskutierte im Anschluss mit dem Teilnehmerkreis über mögliche Handlungsperspektiven, um dieser entgegenzuwirken.“ Probleme von Massenmigration zu diskutieren, möglicherweise mit einer anderen Stoßrichtung als im ÖRR-Talk – das soll ernsthaft ein Grund sein, den Kandidaten von der OB-Wahl auszuschließen?
Im März 2023 schrieb Paul unter der Überschrift „Aktivisten benennen die Ellerstraße in Düsseldorf nach Karl Martell“ (ein fränkischer Hausmeier, der 732 die muslimischen Invasoren in der Schlacht von Tours und Poitiers schlug und Europa rettete): „Diese Provokation ist aber nötig, denn es gilt mehr denn je aufzuzeigen, dass der nach Deutschland eingewanderte politische Islam, der Moscheen nach Eroberern benennt und eine expansive Agenda vertritt, in langen, historisch und symbolisch grundierten Zeiträumen denkt.“ Wiederum eine gut begründbare Einschätzung, die Kritiker des expansiven Islamismus immer wieder vorgebracht haben.
Der Rest ist der verzweifelte Versuch, Paul „Kontaktschuld“ zu unterstellen: Martin Sellner sei im Rahmen der „Remigrations-Tour“ im „Quartier Kirschstein“ aufgetreten („in dem sich auch das Wahlkreisbüro von Joachim Paul befindet“), und an einer Veranstaltung zum „Stolzmonat“ hätten 90 Personen teilgenommen, darunter Mitglieder der aufgelösten identitären „Revolte Rheinland“ und der Jungen Alternative. Was dort gesagt wurde, spielt keine Rolle, nur wer zugehört hat.
Und das war es auch schon, was der Verfassungsschutz gegen den gecancelten AfD-Kandidaten Joachim Paul vorzubringen vermag. Auch wer – durchaus zu Recht – das COMPACT Magazin ablehnt oder findet, dass „GegenUni“ als rechter Gegenentwurf zum linken Hochschulbetrieb keine Berechtigung hat, warum auch immer, muss sich schon wundern, wenn Paul angekreidet wird, dass zu seinem Netzwerk auch „Lukreta“ gehört. Die Gruppe besteht ausschließlich aus Frauen, tritt für Frauenrechte und Jugendschutz ein, hat aber (deswegen) ein Problem mit Migrantengewalt und queeren Umtrieben.
Wenn das reicht, um ins Visier des Verfassungsschutzes zu geraten, ist es höchste Zeit für Bürger mit auch nur leicht vom linken Mainstream abweichenden Ansichten, sich Sorgen zu machen.
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