
Neue Hinweise legen nahe, dass die Gefährlichkeit von Taleb Al Abdulmohsen vor der Amokfahrt in Magdeburg von den Behörden verharmlost wurde. In den vergangenen Wochen wurde jedoch bekannt, dass der Täter in mehrere Vorgänge mit deutschen Behörden verwickelt war. Vor allem 2024 haben sich die Hinweise auf die Gefährlichkeit von Abdulmohsen verdichtet, berichtet jetzt die Welt.
Aus internen Dokumenten des Maßregelvollzugs in Bernburg, in dem Abdulmohsen tätig war, geht demnach hervor, dass er alleine im vergangenen Jahr 64 Fehltage aufzuweisen hatte, der Großteil stammte aus der zweiten Jahreshälfte. Zudem hatte der spätere Täter über „Erdbeben im Kopf“ berichtet.
Entgegen dieser Erkenntnisse schätzte die sachsen-anhaltische Sozialministerin Petra Grimm-Benne den Täter in einer Ältestenratssitzung des Landtags kurz nach der Amoktat noch als „freundlich und eher zurückhaltend“ sowie „niemals aggressiv oder laut oder aufbrausend“ ein. Sie berief sich damals auf ebenjenen Bericht des Maßregelvollzugs.
Gegenüber der Welt wies Grimm-Benne darauf hin, sie habe den Ältestenrat über eine Vielzahl der Krankheitstage informiert. Zu Abdulmohsens Aussage, er habe „Erdbeben im Kopf“, bezog die SPD-Politikerin keine Stellung. Zudem ist in den Dokumenten von einem „psychotischen Motiv“ die Rede – diese Feststellung des ärztlichen Direktors des Vollzugs habe sich laut Grimm-Benne aber nicht auf das Angestelltenverhältnis bezogen.
Auch der Direktor steht in der Kritik: Er soll das Ministerium nicht über einen Vorfall im August informiert haben, bei dem Abdulmohsen einem Psychologen des Maßregelvollzugs anvertraut haben soll, sich in einem „Krieg“ zu befinden, „aber nicht im metaphorischen Sinn, sondern in einem wirklichen Krieg, dessen Ausgang entweder sterben oder umbringen sein wird“ (Apollo News berichtete). Der Direktor gab laut Welt intern an, einen Anhang übersehen und deshalb die Äußerung nicht an das übergeordnete Sozialministerium weitergeleitet zu haben.
Neben dem Direktor und der Landesverwaltung muss sich auch die Stadt Magdeburg immer wieder Versäumnisse vorwerfen lassen. Aus der Beantwortung einer Anfrage der Welt geht jetzt hervor, dass die Verwaltung als auch die stadteigene Gesellschaft zur Durchführung des Weihnachtsmarktes mbH die Polizei für die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Weihnachtsmarkt verantwortlich machen.
Der Veranstalter verwies außerdem auf das vielerorts geltende Messerverbot, weshalb es „in diesem Zusammenhang keine Hinweise und/oder Forderungen seitens der Polizei zu erhöhten technischen Maßnahmen gegen eventuelle Terror- oder Amoklagen“ an die GmbH gegeben habe.
Die Polizei Magdeburg wiederum weist die Verantwortung ebenfalls von sich. „Die Kontrolle der Umsetzung des Sicherheitskonzeptes des Veranstalters obliegt der Stadt Magdeburg als Genehmigungsbehörde“, erklärte Stefan Brodtrück, der Leiter des Direktionsbüros der Polizeiinspektion, gegenüber der Welt.
Gegen die Stadt als auch die Polizei ging bei der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg kurz nach der Tat eine Anzeige ein. Konkret geht es um Beihilfe zum Mord in fünf Fällen und 200-fache Beihilfe zur Körperverletzung, weil die betreffenden Stellen „keine technischen Absperrungen veranlassten, organisierten beziehungsweise vornahmen“, wie das Kriminalistische Institut Jena (KIJ) in der Anzeige schrieb (Apollo News berichtete). Auch bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg gingen Anzeigen wegen Fehlverhaltens gegen die Polizei sowie den Veranstalter ein.
Die Sicherheitsbehörden in Sachsen-Anhalt, aber auch im Bund, müssen sich außerdem die Kritik gefallen lassen, frühere Meldungen über Abdulmohsen nicht ernst genommen zu haben. Laut einem Bericht des Bundeskriminalamts ist der Täter in 105 Vorgänge in sechs Bundesländern involviert. Der 2006 nach Deutschland gekommene Saudi soll bereits 2013 auffällig geworden sein, auch ausländische Geheimdienste warnten die deutschen Behörden (Apollo News berichtete).