Erfundene Missbrauchs-Vorwürfe bringen Habeck in Bedrängnis: Das grüne Watergate

vor 3 Monaten

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Die Grüne Partei hat sich über Jahre einen Markenkern aufgebaut: die Moral. Wer grün wählte, konnte sich zu den Guten zählen, die das Klima schützen, die Rechte noch so kleiner Minderheiten bestärken, ungefragt die Welt über ihre Vorstellung von Gesellschaft und Zusammenleben belehren, schon dem Anschein von Missbrauch einen Riegel vorschieben – oder jedenfalls all dies vorgeben zu tun.

Doch diese Moral-Erzählung, diese Behauptung von Moral als Richtschnur der Partei fällt mit dem mindestens in Teilen erfundenen Missbrauchsskandal gegen Stefan Gelbhaar und den zahlreichen offenen Fragen zur Rolle von Robert Habecks Wahlkampf-Manager Andreas Audretsch, dem Haupt-Nutznießer der Intrige, in sich zusammen.

Andreas Audretsch ist enger Vertrauter von Robert Habeck, leitet und plant seinen Wahlkampf.

Bei der Grünen Partei gibt es Missbrauch, aber den Missbrauch besagter Moral, die selbst anonyme Vorwürfe über das rechtsstaatliche Grundprinzip der Unschuldsvermutung stellt, die schon den unbelegten Vorwurf eines falschen Verhaltens zur inquisitorischen Waffe macht und politische wie private Leben in Sekundenschnelle zunichtemacht. Der Schein des Guten wird zum Missbrauch, um skrupellose Machtpolitik zu betreiben.

Stefan Gelbhaar, der von Anfang an jeden Vorwurf bestritten hat, der dezidiert jeden Vorwurf öffentlich zu entkräften versuchte, ist diesem Moral-Missbrauch zum Opfer gefallen. Er wurde als möglicher Missbrauchstäter von seiner Partei geschasst, zum Rückzug von der Kandidatur um den begehrten Listenplatz 2 in Berlin gedrängt und  – für ein progressives Milieu bei Missbrauchsvorwürfen logisch – zur Persona non grata erklärt. Mindestens einer der Vorwürfe ist, wie der rbb einräumen musste, offenbar frei erfunden.

Stefan Gelbhaar musste seine Kandidatur zurückziehen.

Die einst gute Absicht, Opfern von Missbrauch besser zuzuhören, Opfer von Missbrauch zu ermutigen, über Vorfälle zu sprechen, ist in ihr perverses Gegenteil verkehrt worden. Aus der guten Absicht hat sich eine zerstörerische Ideologie gebildet, die innerhalb der Grünen Partei inzwischen offenbar als Waffe verstanden wird, um politische Kontrahenten aus dem Weg zu räumen – völlig egal, ob damit auch ein persönlicher und privater Ruf vollkommen Unschuldiger irreversibel geschädigt wird.

Vorwurf über Beleg, Ankläger über Beklagtem, vermeintliche Moral über echter Moral. Es ist wie eine grüne Watergate-Affäre – nur, dass nicht der Missbrauch, sondern das Vortäuschen von Missbrauch zur Vertrauenskrise führt.

Wie groß die Furcht der Grünen vor den Folgen des Moral-Missbrauchs innerhalb der Partei ist, zeigt der klägliche Versuch einer Mauertaktik. Kanzlerkandidat und Galionsfigur Robert Habeck war zunächst gänzlich abgetaucht, gab den Kollegen von RTL am Montagvormittag ein Interview, jedoch unter der eindeutigen Bedingung, dass Fragen zum Gelbhaar-Skandal nicht erwünscht sind.

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RTL hielt sich an die Ansage. Den Versuch eines NIUS-Reporters bei der Grünen-Pressekonferenz am Montag genau diese Fragen, die Robert Habeck nicht gestellt bekommen möchte, doch zu stellen, machten die Grünen zunichte, indem sie den NIUS-Reporter nicht zu ihrer Pressekonferenz zuließen und der Parteizentrale verwiesen.

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Außenministerin Annalena Baerbock, die zum Spitzen-Duo der Grünen für die Bundestagswahl gehört, wich auf Nachfrage bei „Berlin Direkt“ ebenfalls aus: „Also als Außenministerin kann ich dazu nichts sagen. Es gibt gerade andere Herausforderungen weltweit. Da kümmern sich die Parteizentrale und die Ombudsstelle drum.“

Erst vier Tage nachdem bekannt geworden war, dass die Missbrauchsvorwürfe gegen Gelbhaar offenbar erfunden waren und sich eine skrupellose Intrige innerhalb der Grünen Partei zugetragen haben muss, beugte sich Habeck dem gigantischen öffentlichen Druck und äußerte sich – jedoch sehr allgemein:

„Die Vorgänge im Berliner Landesverband sind gravierend und auch schockierend. Es muss unbedingt schnell und rücksichtslos aufgeklärt werden, was da eigentlich passiert ist, und auch die Konsequenzen gezogen werden.“ Der Bundesverband der Partei sei da „komplett dran“, versicherte Habeck. Nachfragen zu dem Thema ließ er nicht zu.

Robert Habeck ließ vier Tage vergehen, ehe er sich zum Skandal in seiner Partei äußerte.

Die beiden neuen Parteivorsitzenden der Grünen, Franziska Brantner und Felix Banaszak, sprachen von einem Handeln, das „von krimineller Energie und Niedertracht geprägt“ gewesen sei. „Stefan Gelbhaar ist durch die mutmaßlichen Falschaussagen zu seinen Lasten und die Berichterstattung darüber Schaden zugefügt worden. Wir bedauern das ausdrücklich“, sagte Banaszak. Das Ombudsverfahren, das den Fall Gelbhaar hätte aufklären sollen, wird nicht mehr fortgeführt und durch eine Kommission ersetzt. Wie Brantner und Banaszak weiter berichten, würden sieben angebliche Missbrauchs-Opfer ihre Vorwürfe gegen Gelbhaar aufrechterhalten. Details gaben die Parteivorsitzenden nicht bekannt und verwiesen auf ihre Verschwiegenheit.

Ein Name ist in allen Statements jedoch nicht gefallen: Andreas Audretsch.

Er war der Nutznießer von Gelbhaars Rückzug, er war derjenige, der nach Gelbhaars Rückzug den Listenplatz 2 der Berliner Grünen bekam, der quasi den sicheren Einzug in den Bundestag bedeutet. Ob er eine Rolle und wenn ja, welche Rolle er in der Intrige gespielt haben könnte, bleibt also weiterhin offen. Es gibt kein Dementi, keine Einordnung, keine Erklärung, wer was mit den erfundenen Vorwürfen bezwecken wollte.

Diese offenen Fragen bleiben. Und der Riss im Markenkern der Grünen, der Moral, auch.

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