
Die Bundespolizei weist seit gut einer Woche an den Grenzen zurück – im Wahlkampf hatte Bundeskanzler Friedrich Merz genau das angekündigt. Doch wie konsequent wird dieses Vorhaben umgesetzt? Der neue Innenminister Alexander Dobrindt hat zunächst eine mündliche Weisung aus dem Jahr 2015 zurückgenommen, die unter Bundeskanzlerin Angela Merkel erlassen wurde. Die Altkanzlerin hatte damals beschlossen, illegale Migranten sollten bei einem Asylgesuch nicht zurückgewiesen werden.
Zunächst scheint es damit so, dass Bundeskanzler Friedrich Merz eines seiner zentralen Wahlversprechen in die Tat umsetzt: Die Union hatte versprochen, am ersten Tag der neuen Regierung Zurückweisungen an allen deutschen Grenzen durchzusetzen. Mehrere Polizeimeldungen zeigen jetzt, dass die Grenzkontrollen zu funktionieren scheinen – zumindest größtenteils.
Die Bundespolizei in Trier meldete kürzlich einen ersten Fall von Zurückweisungen infolge der neuen Kontrollpraxis. Vier afghanische Staatsangehörige – zwei Frauen und zwei Männer – wurden am Trierer Hauptbahnhof in einem Reisebus aufgegriffen. Sie hatten Deutschland über Luxemburg betreten und nach Angaben der Behörden bereits in Griechenland Asyl beantragt. Da sie nicht zu den als schutzbedürftig eingestuften Personengruppen gehörten – etwa Schwangere oder Kinder – wurden sie „in Absprache mit der Polizei in Luxemburg zurückgewiesen“.
Auch in Bayern vermeldet die Bundespolizeiinspektion Waidhaus, dass man vom 9. bis zum 11. Mai „elf Personen nach Tschechien zurückgewiesen“ habe. Die Betroffenen hätten „die erforderlichen Einreisevoraussetzungen“ nicht erfüllt. „Ein Schutzersuchen an die Bundespolizei lag nicht vor“, berichtet die Polizei weiter. Selbige Polizeiinspektion verhaftete im Zuge der Grenzkontrollen außerdem drei Straftäter und übergab sie den Justizbehörden.
Beamte der Bundespolizei kontrollierten am 11. Mai am Grenzübergang in Iffezheim ein mit vier Personen besetztes Fahrzeug. Die Insassen, albanische Staatsangehörige, konnten sich zwar mit gültigen Reisepässen ausweisen, jedoch ergab die Überprüfung, dass sie die zulässige Aufenthaltsdauer im Schengengebiet bereits überschritten hatten. Ob es zu einer Zurückweisung kam, ist unklar.
Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es Grenzkontrollen. So verhinderte die Bundespolizei in Tantow die Einschleusung von fünf afghanischen Staatsangehörigen. Die Einsatzkräfte nahmen den mutmaßlichen Schleuser, einen 29-jährigen georgischen Staatsangehörigen, vorläufig fest.
Die Bundespolizei leitete gegen den Fahrer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Einschleusens von Ausländern sowie der unerlaubten Einreise ein. Auch gegen die afghanischen Männer im Alter von 19 bis 38 Jahren wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der unerlaubten Einreise eingeleitet. In diesem Fall ist ebenfalls nicht klar, ob es zu Zurückweisungen kam.
Um die Kontrolle zu intensivieren, hat die Bundespolizei zwei feste Kontrollstationen in Rheinland-Pfalz eingerichtet: eine an der A64 für Einreisen aus Luxemburg und eine weitere an der Grenze zu Belgien. Daneben erfolgen nach Behördenangaben weiterhin mobile Kontrollen entlang der insgesamt 36 Grenzübergänge in der Region.
Doch wie konsequent lässt sich dieser neue Kurs umsetzen? Eine Recherche von Focus Online bringt ein strukturelles Problem ans Licht – an einem anderen Teil der deutschen Grenze, genauer gesagt an der A3 nahe Passau. Hier befindet sich die Kontrollstelle nicht direkt am Grenzübergang, sondern erst rund 7,5 Kilometer dahinter.
Dadurch entsteht eine rechtliche Grauzone: Migranten können die Kontrollstelle über Abfahrten oder Nebenstraßen umgehen. Wer so die Kontrolle hinter sich lässt und später von der Polizei aufgegriffen wird, gilt rechtlich bereits als eingereist. Eine Zurückweisung ist dann nicht mehr ohne Weiteres möglich. Stattdessen müsste ein aufwendigeres Rückschiebungsverfahren eingeleitet werden.
Nach dem deutschen Aufenthaltsgesetz gilt eine Einreise nur dann als erfolgt, wenn eine zugelassene Grenzübergangsstelle passiert wurde. Ob ein Kontrollpunkt, der sich erst mehrere Kilometer hinter der tatsächlichen Grenze befindet, rechtlich noch als solcher zählt, ist zweifelhaft.
Apollo News fragte beim Bundesinnenministerium (BMI) nach aktuellen Zahlen von Versuchen illegaler Einreisen und Zurückweisungen. Das BMI erklärte, dass die Bundespolizei „zu gegebener Zeit Feststellungszahlen zu den vorläufig wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen veröffentlichen“ werde. Doch „derzeit“ sei es dafür „noch zu früh“.
In der vergangenen Woche gab es Verwirrung im Migrationskurs der Bundesregierung. Am Donnerstagnachmittag meldete Welt-Vizechefredakteur Robin Alexander, Kanzler Friedrich Merz habe die „nationale Notlage“ in der Migrationspolitik ausgerufen. Diplomaten der Nachbarländer würden informiert. Ein erwartbarer Schritt – schließlich hatte Merz dies im Wahlkampf angekündigt.
Doch dann wurde es seltsam: Unionspolitiker wie Alexander Hoffmann jubeln auf X über die „Migrationswende“ – samt Hashtag „Notlage“. Wenig später wurden die Beiträge gelöscht oder angepasst. Auch Staatssekretärin Daniela Ludwig zog ihren Beitrag zurück. Aus Unionskreisen hieß es: „Da stimmt etwas nicht.“
Tatsächlich dementierte Regierungssprecher Stephan Kornelius dann gegenüber Bild: Es gebe „keine Bestrebungen“, eine Notlage zu verhängen. Doch Innenminister Alexander Dobrindt sprach bei Maybrit Illner weiter Klartext: Die Maßnahmen basierten auf „Paragraph 18 […] in Verbindung mit Artikel 72“. Es ist also der gleiche rechtliche Weg, nur scheut man sich, ihn als „Notlage“ zu bezeichnen.