„Es gibt fast keinen Spielraum mehr“: Nächster Kassenchef warnt vor Krankenkassen-Pleite

vor etwa 2 Monaten

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Bildquelle: Apollo News

Die Finanzierungslage der gesetzlichen Krankenversicherungen spitzt sich weiter zu. Nachdem bereits der Vorsitzende der DAK im Februar vor einer Pleitewelle gewarnt hatte, meldet sich jetzt der Alleinvorstand der Innovationskasse (IKK) mit 270.000 Versicherten zu Wort. Gegenüber der Berliner Zeitung warnt Ralf Hermes vor weiteren Beitragserhöhungen und fordert eine „Sofortbremsung“.

Darunter versteht Hermes das Einfrieren aller Kassen-Ausgaben seit dem Jahreswechsel für ein bis zwei Jahre. „Alle müssen ihren Beitrag leisten, nicht nur die Versicherten, die Patientinnen und Patienten, sondern auch die Leistungserbringer, die Krankenhäuser, Ärzte, Zahnärzte, Therapeuten und so weiter.“ Die Leistungserbringer würden diese Maßnahmen erheblich treffen, auch die Patienten müssten tiefer in die Tasche greifen.

„Da kommen wir in den Bereich der Zuzahlungen. Die sollten bei Arzneimitteln verdoppelt werden. Auf zehn Euro, maximal 20 Euro“, sagt Hermes und hält fest: „Normalverdiener werden maximal 20 Euro nicht finanziell ruinieren.“ Einen anderen Ausweg sieht der IKK-Alleinvorstand nicht. Des Weiteren bringt Hermes eine „Praxisgebühr“ als „Steuerungsinstrument“ ins Spiel. Sollten Patienten für ihren Arztbesuch zahlen müssen, könnten aktuell Milliarden eingenommen werden.

Das Defizit der gesetzlichen Versicherungen belief sich im vergangenen Jahr auf 6,2 Milliarden Euro. Laut Hermes könnten diese Sparpläne sechs Milliarden Euro einsparen. Und „zehn Euro pro Praxisbesuch halten einen erkrankten Menschen niemals davon ab, einen Arzt aufzusuchen. Die Praxisgebühr führt also nicht dazu, dass normal verdienende Menschen Krankheiten verschleppen“. Sozialschwache sollen über eine Klausel entlastet werden, die Praxisgebühr außerdem auf maximal 30 Euro pro Quartal begrenzt werden.

Des Weiteren macht sich Hermes für drei unbezahlte Karenztage pro Jahr stark. Aber auch weitere Beitragserhöhungen werden nicht zu vermeiden sein, warnt der Kassenchef. Derzeit liegen die allgemeinen Beitragssätze bei 14,6 Prozent, hinzu kommen die Zusatzbeiträge in Höhe von durchschnittlich 2,5 Prozent.

Hermes geht davon aus, dass die derzeitige Entwicklung insgesamt stark „auf die Marke von 20 Prozent“ zusteuert. Das würde eine Verdoppelung der Zusatzbeiträge bedeuten. „Außerdem laufen wir Gefahr, dass etliche Krankenkassen Insolvenz anmelden müssen“, warnt der IKK-Alleinvorstand außerdem. Ähnliches hatten bereits der TK-Chef Jens Baas und der DAK-Vorsitzende Andreas Storm verlauten lassen (Apollo News berichtete): „Es gibt fast keinen Spielraum mehr. Wenn sich die Lage weiter verschlechtert, ist ein Teil der Kassenlandschaft am Rande der Insolvenz“, warnte Storm im Februar gegenüber der Ärzte Zeitung.

Zwar könnten einzelne Kassen fusionieren, die steigenden Kosten würde das jedoch nicht lösen, betont Hermes. „Wir haben es mit einer Systemkrise zu tun, für die niemand eine Lösung hat. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach schon mal gar nicht“, gibt er zu bedenken. Dabei sei die Lage der Kassen „dramatisch. Die Kassen haben ein Negativvermögen, schreiben rote Zahlen. Sie leben von der Hand in den Mund.“

Sie seien teilweise „nicht mehr in der Lage, tagesgenau ihren Verpflichtungen nachzukommen. Das gilt für Krankenhausrechnungen, für die Zahlung von Krankengeld und für vieles mehr“, moniert Hermes. „Im Februar war es bei meiner Kasse so, dass 14 Tage gar kein Geld kam. Mir berichten aber auch die Leistungserbringer, zum Beispiel aus dem Kliniksektor, dass bei ihnen das Geld vorne und hinten nicht reicht.“

Auch eine Reform würde die Lage nur mittelfristig verbessern können. „Allerdings sehe ich bei keiner der politischen Parteien den Willen zu Maßnahmen, die ich als eine Reform bezeichnen würde“, erklärt der IKK-Alleinvorstand weiter. „Ich gebe zu, ich bin da sehr pessimistisch. CDU und SPD, die derzeit sondieren, unterscheiden sich so stark in diesem Bereich, dass das eigentlich nicht funktionieren kann. Denn eine der beiden Parteien müsste von ihrer ureigenen Position abrücken. Das halte ich für unrealistisch.“

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