
Von der Leyen hat sich völlig über den Tisch ziehen lassen – das ist wohl die einhellige Meinung quer durch die europäische Presselandschaft, egal ob links oder rechts. Und ja: Wie dieser Deal – 15 Prozent Zölle für EU-Firmen, null Prozent für amerikanische – im europäischen Interesse sein soll, wird Brüssel kaum erklären können.
Vor allem aber ist es eine vertane Chance. Eine vertane Chance, echte Handelsfreiheit quer über den Atlantik umzusetzen. Jetzt mögen die USA unter Trump, dessen Fähigkeiten als „Dealmaker“ man hierzulande nur zu gerne belächelte, die niedrigere Zoll-Last abbekommen – jahrelang war es aber andersherum.
Auch wenn EU-Zölle auf US-Güter quer durch alle Sektoren meist irgendwo zwischen drei und fünf Prozent lagen, waren sie in manchen Branchen deutlich höher – was bereits in seiner ersten Amtszeit immer wieder den Zorn von US-Präsident Trump auf sich zog. So gab es etwa EU-Zölle von um die 10 Prozent für PKW, während die USA nur ca. 2,5 Prozent erhoben. Oder bei Agrarprodukten, wo EU-Zölle nicht selten bei um die 20 Prozent lagen, während die amerikanischen meist bei um die 10 Prozent rangierten.
Vor allem aber schlagen in der US-EU-Handelsbeziehung all die Einschränkungen ein, die eben nicht offiziell als Zölle gelten: „Non-Tariff Trade Barriers“, also Handelsbarrieren, die nicht als Zölle, sondern oft in Form von Regulierung geschehen – und trotzdem ein kostspieliges Hindernis darstellen. Und davon hat die EU schließlich mehr als genug.
Dafür muss man im Hinterkopf behalten: Die wohl wertvollste Branche in den USA sind High-Tech-Firmen, oft primär digital unterwegs. Sie verkaufen Dienstleistungen an die ganze Welt und werden daher ganz anders als physische Güter behandelt. In der EU speziell gibt es unzählige Gesetze, die IT-Konzerne ins Visier nehmen. Mehr noch: Oft greifen die schärfsten Vorschriften nur für die größten Konzerne – die fast ausschließlich amerikanisch sind.
Immer wieder verhängt die EU-Kommission in Brüssel dann Milliarden-Rekordstrafen gegen Google, Facebook und Co. Dem Vorsprung der USA in diesem Feld begegnet man in der EU zunehmend nicht mit eigener Konkurrenz, sondern vor allem dem Prinzip Regulieren, Einschränken und mit neuen Digitalsteuern geradezu melken. Mit US-Milliardären wie Elon Musk („rechts“), Jeff Bezos („ausbeutender Kapitalist“) oder Mark Zuckerberg (erlaubt „rechte Desinformation“) hat man dafür bereits perfekte Feindbilder parat. Und daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern.
Denn die EU-Antwort auf den Erfolg amerikanischer Plattformen wie Musks X ist inzwischen nur noch mehr staatliche Einschränkungen (oder Träume eines „öffentlich-rechtlichen, europäischen Twitters“, die sich nie materialisieren). Damit muss man fairerweise auch sagen: Ganze null Prozent werden europäische Handelsbarrieren gegenüber den USA nicht sein, eben wegen solcher Regulierungen. Sie werden eher irgendwo zwischen null und den 15 Prozent liegen, die Trumps Regierung von EU-Unternehmen verlangen wird.
Der neue US-EU-Deal ist damit eben vor allem eine vertane Chance, mit diesen gegenseitigen Handelseinschränkungen aufzuräumen und wirklichen Freihandel zwischen beiden Wirtschaftsräumen zu ermöglichen. Trumps kurzfristige „Pistole auf die Brust“-Taktik hat dabei sicher nicht geholfen, aber ein wirklich groß angelegter Handelsvertrag scheiterte auch daran, dass die EU sich dann mit den USA auf gewisse allgemeine Standards für alle hätte einigen müssen – Standards, die in vielen Bereichen eben deutlich weniger staatliche Eingriffe und Regeln bedeuten würden. Aber das ist nicht in Sicht.