
Es ist ein Lehrstück über die Abgründe europäischer Politik: Seit Jahren verteilt die EU-Kommission Milliarden an Nichtregierungsorganisationen, die dann pünktlich zur Stelle sind, wenn in Brüssel Druck auf nationale Parlamente, auf Energieunternehmen oder auf missliebige Abkommen gemacht werden soll. Doch erst jetzt, nachdem der Skandal öffentlich geworden ist und für ein regelrechtes Fegefeuer an Empörung gesorgt hat, soll plötzlich „aufgearbeitet“ werden. Mit einer internen Arbeitsgruppe, diskret angebunden an den Haushaltskontrollausschuss des Parlaments. Kontrolle light, Aufmerksamkeit gering, politische Risiken minimal.
Die öffentliche Empörung und Wut ist inzwischen kaum mehr zu überhören. Dass ausgerechnet EVP-Fraktionschef Manfred Weber jetzt Alarm schlägt, überrascht dennoch. „Dass die Exekutive der Europäischen Union Lobbyisten bezahlt, um auf die Legislative der Europäischen Union Einfluss zu nehmen, ist inakzeptabel und muss aufhören“, erklärte er am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Deutlicher kann man es kaum sagen. Doch gleich darauf folgt die politische Relativierung: „Wir wollen es mit einem Sonderausschuss nicht übertreiben.“ Ach so, na dann.
Man will also die Missstände benennen, aber bitte ohne sie wirklich zu verfolgen. Kein Untersuchungsausschuss, keine echten Kontrollrechte, keine Öffentlichkeit. Stattdessen eine kleine Arbeitsgruppe: der Brüsseler Weg, Kritik in Verfahren zu ersticken.
Dabei ist das Ausmaß des Skandals längst bekannt: Wie mehrere Medien enthüllten, hat die Kommission NGOs gezielt mit Millionenbeträgen ausgestattet, nicht zur Projektförderung, sondern zur politischen Einflussnahme. ClientEarth etwa erhielt 350.000 Euro mit dem klaren Auftrag, gegen Kohlekraftwerke in Deutschland juristisch vorzugehen. In anderen Fällen sollten NGOs Proteste mit Klima-Camps unterstützen oder Stimmung gegen Handelsabkommen machen. Die EU-Kommission als Geldgeber, die NGOs als ausführende Einheiten. Staatsferne sieht anders aus.
Pikant: Die sogenannten „Arbeitsprogramme“, in denen die konkreten politischen Zielsetzungen dieser Förderung festgelegt sind, wurden unter Verschluss gehalten. Selbst EU-Abgeordnete mussten Vertraulichkeitserklärungen unterzeichnen, durften keine Notizen machen und erhielten nur unter Aufsicht Zugang zu den Dokumenten. Was die Kommission dann „Transparenz“ nennt, wirkt wie aus dem Drehbuch autoritärer Systeme.
Und es geht nicht um Peanuts. Zwischen 2021 und 2023 flossen über 7,4 Milliarden Euro an NGOs – ohne systematische Prüfung, ohne Klarheit über politische Ausgewogenheit, ohne demokratische Legitimation. Die Brüsseler „Zivilgesellschaft“, von der so oft die Rede ist, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als bestens organisierter Apparat zur Durchsetzung grün-progressiver Interessen – fernab gewählter Parlamente, aber finanziert durch deren Haushalte.
Dass nun plötzlich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen wird, ist kein Zeichen von Reue, sondern das klassische Beruhigungssignal eines Systems, das sich selbst in der Defensive sieht. Und es ist bezeichnend, dass die gleichen Akteure, die jede Regierung in Ungarn oder Polen sofort wegen angeblicher Demokratiedefizite rügen, bei den eigenen Intransparenzen eine überaus auffällige Milde an den Tag legen.
Der Skandal ist nicht nur ein Brüsseler Verwaltungsproblem. Er ist ein Angriff auf die politische Integrität Europas. Eine Exekutive, die mit Steuergeld Proteste organisiert, Klagen gegen eigene Mitgliedstaaten fördert und gezielt Meinungspolitik betreibt, verlässt den Boden demokratischer Gewaltenteilung.
Wer glaubt, mit einer diskreten Arbeitsgruppe könne man dieses System „überprüfen“, der glaubt auch, dass der Fuchs den Hühnerstall inspizieren sollte. Es geht hier nicht um einzelne Fehltritte, sondern um eine strukturell angelegte Schieflage. Eine politische Parallelwelt, in der nicht der Wähler entscheidet, sondern die NGO – bezahlt aus dem Haushalt, aber nicht verantwortlich gegenüber dem Bürger.
Manfred Webers Satz war richtig: Es ist inakzeptabel. Aber wenn daraus keine Konsequenzen folgen, dann war er nur eines – wohlfeile Kosmetik.