
Wenn wir den zivilisatorischen Werdegang von Gesellschaften betrachten, lassen sich im Wesentlichen zwei Grundmuster erkennen: Auf der einen Seite steht die freie Gesellschaft – dezentral strukturiert, subsidiär organisiert und getragen von der Verantwortung des Einzelnen. Ihr gegenüber finden wir ihren Antagonisten: der auf Zentralgewalt gegründete Machtkörper, der auf Steuerung, Planung und Kontrolle setzt. EU-Europa hat sich, aller politischen Freiheitsprosa zum Trotz, unbestreitbar dem letzteren Prinzip verschrieben.
Zentralistisch-etatistische Machtkörper besitzen beschränkte Halbwertzeit. Aufstieg und Verfall tyrannischer Systeme lassen sich an Beispielen wie dem Sowjetimperium, dem Dritten Reich oder den zahlreichen sozialistischen Projekten des 20. Jahrhunderts am besten nachvollziehen. Ihrem inhärenten ökonomischen Verfall begegnen die Eliten dieser Verfallskörper aggressiv mit wachsender Kontrolle, mit zunehmendem Interventionismus und einem ausfransenden Medienapparat, dessen Aufgabe es ist, das fallende Regime narrativisch zu stabilisieren.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass der Brüsseler Zentralkörper der Europäischen Union medienpolitisch zielgenau an seinem Schwachpunkt ansetzt, an der Rohstoff- und Energieknappheit des Kontinents. Die ausklingende Phase des Nachkolonialismus zeigt, wo die Achillesferse der Europäer liegt. Ihre Fähigkeit zur kontrollierten Extraktion knapper Ressourcen schwindet mit der aufkeimenden Emanzipation des globalen Südens.
Der geopolitisch heikle Rauswurf Frankreichs aus seinen ehemaligen Uran-Kolonien ist sprechender Beleg für diese These. Nigeria war der machtpolitische Wendepunkt, der in Europa lieber verschwiegen wird. Daran ansetzend kann man sagen, dass die Klimaagenda der Europäer, die den historischen Referenznamen „European Green Deal“ trägt, dieses Problem adressieren soll. Sie steht für den Versuch, genau die Energieträger aus dem Motorraum der globalen Ökonomie herauszulösen, über die Europa nicht verfügt – Öl und Gas.
Die Klimapropaganda, die mit dem erfolgreichen Medien-Hype um Fridays for Future oder dem schrillen Auftritt von Greta Thunberg ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, soll die massiven Eingriffe in unsere individuellen Freiheitsrechte und Privatsphäre kaschieren und die Dringlichkeit der frugalen Revolution eines Schrumpfökonomie psychopolitisch verankern.
Eine interessant Wendung erfährt das Schauspiel in dem Moment, da Kontrollsysteme die Phase medialer und narrativer Stabilisierung verlassen und in den Modus praktischer Umsetzung ihrer zentralistischen Agenda übergehen. Was zuvor lediglich diskursive Vorarbeit war – eine scheinbar pluralistische Debatte – entpuppt sich nun als Steigbügelhalter für einen Machtkomplex, der nicht mehr um demokratische Zustimmung wirbt, sondern argumentativ apodiktisch und gesellschaftlich diktatorisch auftritt.
Der Zentralkörper ist zu Beginn der Umsetzungsphase gezwungen, seinen Gesellschaftsumbau mit Leuchtturmprojekten anzuschieben, um Akzente zu setzen, die dann auf Ökonomie und Gesellschaft abstrahlen sollen. Es kann, wie wir gleich sehen werden, äußerst skurril wirken, da sich zentral geplante Verformungen der Gesellschaft gegen den eigentlichen Charakter der zivilisatorischen Entwicklung stemmen und bei wachsender Abweichung vom natürlichen Pfad in einen wachsenden Spannungszusammenhang mit der Lebenswirklichkeit der Menschen geraten.
Beispiele hierfür gibt es zu Genüge. Denken Sie an Windräder in Wäldern oder an herbeisubventionierte Solarparks, wo einmal Landwirtschaft war. Im Falle der niederländischen Stadt Utrecht, genauer, im neu geplanten Stadtteil Merwede, soll ein visionäres Öko-Quartier für 12.000 Einwohner entstehen, das auf einem ehemaligen Industrieareal errichtet wird – selbstverständlich nahezu autofrei, verwaltet durch eine kommunale Mobilitätsgesellschaft. Private Pkw sind im Kerngebiet untersagt, Ausnahmen werden rationiert.
Getragen wird das Projekt von einem Konsortium aus sieben Eigentümern – allen voran die Stadt Utrecht, die nicht nur rund ein Drittel der Fläche besitzt, sondern zugleich Regulierer und Mitinvestor ist. Unter dem Namen „Merwede5“ bündeln private Entwickler (abgesichert durch Staatsfonds) ihre Interessen, während die Stadt durch Bodenverkäufe am eigenen Planungswerk verdient. Für das Mobilitätskonzept fließen rund sieben Millionen Euro – teils zur Subvention von Carsharing-Angeboten, teils zur Abfederung erwartbarer Verluste. Die Gesamtfinanzierung bleibt vage – wie so oft bei großen Visionen der Zentralplaner.
Das Merwede-Projekt reiht sich nahtlos ein in die identitätspolitisch aufgeladene Öko-Agenda einer Stadt, die sich seit Jahren den UN-Nachhaltigkeitszielen unterstellt hat. Gefördert wird ein städtisches Öko-Experiment, das sich thematisch eng an den EU-Green Deal anlehnt, ohne dass die Brüsseler Mitwirkung transparent ausgewiesen wäre. NGOs, Wissenseinrichtungen und lokale Partner runden das Netzwerk ab, das demokratische Kontrolle durch stakeholdergesteuerte Prozesse ersetzt.
Was medienwirksam als visionäres Quartier der Zukunft verkauft wird, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Versuchsanleitung zur Untertanenzucht. Das Merwede-Projekt in Utrecht schafft kein Stück urbane Freiheit, sondern ein kontrolliertes Experiment ökologischer Gesinnungspolitik. Wer individuelle Mobilität für sich beansprucht, ein natürliches Recht in einer freien Gesellschaft, trifft auf Restriktionen und kollektive Sharing-Konzepte. Das Private wird planwirtschaftlich eingehegt, die Lebensgestaltung zur öffentlich verwalteten Dienstleistung. „Nachhaltigkeit“ dient dabei als trojanisches Narrativ, hinter dem sich soziale Lenkung und Verhaltensvorgaben verstecken. Die grünen Korridore mögen blühen – die Freiheit des Einzelnen verwelkt dabei. Merwede ist nicht Modell, sondern Mahnmal: für eine urbane Zukunft, in der das Leben nicht mehr gelebt, sondern organisiert wird.
Es ist dieser schrille Kontrast zu den USA dieser Tage, wo Bürger mit Verve nach ihrer Freiheit greifen, Steuersenkungen durchgesetzt werden und der Staatsapparat beigeschnitten wird. Die projektierte Gesinnungsarbeit der Klimalobby wirkt wirklichkeitsfremd, ja sie schimmert grünlich-infantil. Sie tritt in maximale Distanz zur Lebensrealität der Mehrheit der produktiven Menschen, die auf individuelle Mobilität existenziell angewiesen sind. Merwede bleibt so ein feuchtgrüner Traum moralisch und monetär gut gebetteter Erben, grüner Hipster, die es sich im NGO-Wesen staatsnah gemütlich gemacht haben, und von moralisierenden Rentnern, die glauben, der Gesellschaft mit ihrem Handeln dienlich zu sein, ihr aber so die Luft abschnüren.