Wie sich die EU-Kommission im selbst angelegten NGO-Sumpf windet

vor 23 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die Debatte um die Finanzierung von sogenannten „NGOs“ mit öffentlichen Geldern dehnt sich über Deutschland aus und greift auf die EU über. Auch die EU-Kommission, das ist lange bekannt, verfügt über umfangreiche Programme zur Finanzierung von Gruppen und Organisationen der „Zivilgesellschaft“. Angeblich sollen diese Investitionen dazu beitragen, die „Governance in den Bereichen Umwelt, Klimawandel und Energiewende“ zu stärken – so schreibt die Kommission nun in einer Stellungnahme vom 1. April über eines der von ihr aufgelegten Programme.

„Governance“ könnte man als „Regierungsführung“ ins Deutsche bringen, es geht also um das bessere, das leichtere Durchregieren von oben herab, und zwar ganz offiziell laut Dokumenten der EU-Kommission. Und ausgerechnet dieses Vorhaben wird nun in die Unterstützung von sogenannten „Nicht-Regierungs-Organisationen“ gekleidet – die offenbar alles sind nur keine regierungsfernen Organisationen.

In jedem Fall soll und kann so das politische Meinungsklima im Sinne der geldgebenden EU-Kommission beeinflusst werden. Wer zahlt, schafft an – wes Brot ich ess’, des Lied ich sing’. Das sind die beiden Grundgesetze des öffentlichen Mäzenatentums, die man nie ganz aus dem Blick verlieren sollte. Dabei ist nicht einmal klar, auf welcher rechtlichen Grundlage die Kommission überhaupt Steuergelder an NGOs vergibt. Man kann durchaus der Meinung und rechtlichen Auffassung sein, dass dem Staatenbund so etwas als Eingriff in die Mitgliedsstaaten und die jeweils in ihnen gepflegten nationalen Gespräche gar nicht zukommt. Stichwort: Subsidiarität.

Anlass der offiziellen Stellungnahme waren wohl auch die 86 Anfragen, die der ungarische EU-Abgeordnete Csaba Dömötör (Fidesz) der Kommission bisher zu diesem Themenbereich gestellt hat. Dömötör erhielt keine zufriedenstellenden Antworten. In vielen Fällen waren es Nicht-Antworten erster Güte, aus denen nur hervorging, dass die Kommission keine transparente, einheitliche Datenbank darüber besitzt, welche NGOs mit welchen Summen unterstützt wurden. TE berichtete als erstes Medium in Deutschland darüber.

Hinzu kommt, dass zwei Drittel der eingetragenen NGOs in der EU die Auskunft über die Herkunft ihrer Mittel verweigern. Eine „NGO“ ist also zunächst und vor allem ein Instrument zur Verschleierung von Geldflüssen und politischer Einflussnahme. Dömötör meint dazu: „Das ist keine Zivilgesellschaft, das ist politische Korruption auf höchstem Niveau.“

Die Praxis existiert dabei schon seit Jahrzehnten. Inzwischen vergibt die Kommission Milliardenbeträge an Verbände und Organisationen der sogenannten „Zivilgesellschaft“, angeblich um den stärkeren Einfluss der privaten Industrie – aber diese Vorherrschaft scheint in einigen Politikfeldern schon beendet zu sein. Das LIFE-Programm (kurz für: L’Instrument Financier pour l’Environnement), das angeblich Umweltprojekte, daneben aber auch etwas so Opakes wie „grüne Innovation“ oder zirkuläre Wirtschaftsformen fördern soll, gibt es seit 1992. Sein aktuelles Budget liegt bei 5,45 Milliarden Euro für die Jahre 2021 bis 2027. Das angewachsene Budget steht natürlich auch für die Bedeutung, die diesem Bereich zugewiesen wird. Es gilt ja den „European Green Deal“ zu verteidigen und zu propagieren, den Ursula von der Leyen 2019 aus der Taufe hob. Ziel: Netto Null bei Treibhausgasen bis 2050.

Daneben haben EU-NGO-Programme die Propagierung von angeblich „europäischen Werten“ oder der EU schlechthin und ihres Ausbaus zum Bundesstaat zum Ziel. Doch in letzter Zeit wächst die Kritik an den Programmen – auch aus den Reihen der EVP, aber vor allem aus der Fraktion Patrioten für Europa (PfE), zu der Fidesz ebenso wie das französische Rassemblement national, die FPÖ oder die italienische Lega gehören.

Besonders scharf werden dabei Absprachen zwischen der Kommission und Umwelt-NGOs kritisiert, in denen festgelegt wurde, wie und gegen wen lobbyiert werden soll. Die Kritiker verstehen das als den parteipolitischen Missbrauch von Steuergeldern, offenbar eine Art Veruntreuung. Lange gehörten vor allem die ungarische Regierung und die ehemalige polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu den Zielscheiben und folglich Kritikern des NGO-Wesens. Die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören, hat sich hier nicht hervorgetan, auch wenn sie zuletzt zur Kritik an der Green-Deal-Politik überging und das Verbrennerverbot abmildern half.

Im letzten Herbst ruderte die EU-Kommission zunächst intern zurück, erteilte angeblich Weisung, wonach nicht erlaubt sei, mit EU-Subventionen Lobbyarbeit bei EU-Institutionen zu betreiben. Sie forderte also die Geldempfänger auf, mit dem aufzuhören, was man ihnen zuvor selbst – also die EU und einige ihrer Organe – in Absprachen abverlangt hatte.

In Vereinbarungen zwischen der Kommission und einzelnen Geldempfängern wurden etwa Kampagnen gegen Pestizide erwähnt. Auch von Klagen vor Gericht, um die Umsetzung des EU-Umweltrechts zu verbessern, ist die Rede.

Am 1. April folgte eine öffentliche Stellungnahme der Kommission, wonach es im Rahmen des LIFE-Programms „spezifische Interessenvertretungsmaßnahmen und unzulässige Lobbying-Aktivitäten“ gegeben habe. Die Kommission will bereits gehandelt haben, „um solche Fälle in Zukunft zu verhindern“, und will angeblich weitere Schritte gehen, um „die Transparenz zu stärken und angemessene Sicherheitsvorkehrungen einzubeziehen“. Das ist dieselbe Trockenblumen-Prosa wie immer.

In ihrer Stellungnahme beharrt die Kommission aber auch darauf: Die „Finanzierung von NGOs“ sei „ausdrücklich in der LIFE-Verordnung vorgesehen“, und natürlich setze die Kommission sich auch weiterhin „voll und ganz“ für eine „gesunde und lebendige Zivilgesellschaft“ ein. Es bleibt zudem dabei: „Die Zuschüsse sollen mit den LIFE-Zielen übereinstimmen“, allein eine Lobbyarbeit, die „auf bestimmte Politikbereiche oder Abgeordnete des Europäischen Parlaments ausgerichtet“ ist, soll unterbleiben. Damit nimmt man pflichtschuldig Bezug auf die Einwände auch von EVP-Politikern wie Monika Hohlmeier (CSU). Ansonsten bleibt alles beim Alten. Der Einflussnahme im Sinne der Kommission und ihrer offiziellen Politik bleiben auch weiterhin Tür und Tor geöffnet, wie die offizielle Stellungnahme ja selbst festhält.

Eine der NGOs, die sich vor allem beim EU-Verbrennerverbot einmischte und das weiter tut, ist die wie eine Gewerkschaft klingende „Transport & Environment“ (T&E). Aktuell fordert sie etwa, dass es keinen weiteren Aufschub für die EU-Klimaregeln für Autos geben dürfe. Ähnlich ist das Wirken der Organisation Client Earth zu bewerten. Dieser Verein mit Aktionsschwerpunkt in Deutschland hat, so wurde schon im Januar berichtet, selbst mehrere „Klima-Klagen“ angestrengt und daneben die Anti-Diesel-Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) finanziert. Von der Kommission bekamt Client Earth 2023 einen Zuschuss von 350.000 Euro, die sonstigen Einnahmen (insgesamt 40,5 Millionen Euro) stammen, gibt der Verein nicht preis. Das schrieb Table.Media im Januar. Der Verein erklärt dazu: „Client Earth ist Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit und seinen Spender*innen wichtig.“

Auf der Website von T&E wird die Finanzierung durch die Kommission im Bereich zwischen 500.000 und einer Million Euro angegeben, mit dem Zusatz: „Die geäußerten Ansichten und Meinungen … spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder von CINEA wider. Weder die Europäische Union noch CINEA können für sie verantwortlich gemacht werden.“ CINEA ist Exekutivagentur der Kommission für Klima, Infrastruktur und Umweltfragen. Sie verwaltet insbesondere die EU-Mittel zur Dekarbonisierung. Die Höchstfördersumme pro Projekt liegt übrigens bei 700.000 Euro, und so viel soll T&E auch bekommen haben.

Doch was nun auf gar keinen Fall so sein soll, das wurde bis vor kurzem noch als Rechtfertigung der NGO-Finanzierung angegeben: Die Finanzierung von Umwelt-NGOs solle ein „Gegengewicht zur Auto-Lobby“ schaffen, so sagten mehrere Parlamentarier während einer Debatte im EU-Parlament. Auch eine Organisation wie T&E versteht sich vor allem als „Gegengewicht zur machtvollen Automotive-, Fluglinien und Öllobby“. Aber tatsächlich haben die NGOs auch der chinesischen Autoindustrie mit ihrer Elektro-Strategie in die Hände gespielt.

In der Fördervereinbarung zwischen dem LIFE-Programm der Kommission und T&E ist von Einzelgesprächen mit Kandidaten und Medienvertretern die Rede. Daneben verspricht T&E darin: „Wir werden auch zur Strategischen Agenda des Europäischen Rates 2024 bis 2029 beitragen.“ Eine noch bessere Dienstleistung ist dieses Versprechen: „T&E schlägt mindestens zehn EU-Parlamentariern Fragen im Vorfeld der Kommissarsanhörungen vor.“ Das dürfte die Überraschung des Kommissars über die gestellten Fragen gemindert haben – und die Fragen waren ganz sicher in einem bestimmten, grün-ideologischen Sinn und Ton gehalten.

Neben der E-Mobilität war anscheinend die Landwirtschaft Ziel von NGO-Bemühungen im Auftrag der Kommission. Hier mischt sich der Name des ehemaligen Kommissars Frans Timmermans in diese Geschichte. Die Debatte um die Bauernproteste sollte so beeinflusst, im Grunde erstickt werden. Allein in diesen Bereich fließen 15,6 Millionen Euro in der aktuellen Haushaltsperiode (2021–2027). Und 15 Millionen Euro bekam auch die NGO des Ex-EU-Parlamentariers Guy Verhofstadt, der es vor allem um die Vertiefung der EU gehen soll.

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