
Vor Jahren stand einmal die ungarische Regierung wegen ihres Verhältnisses zu NGOs am Pranger. Ein Budapester NGO-Gesetz erregte den besonderen Zorn dieser Klientel, wurde auf EU-Druck hin wieder aufgehoben und aber ein neues verabschiedet. Doch nun führt Ungarn einen Gegenangriff aus, ganz so, wie ihn Viktor Orbán im letzten EU-Wahlkampf angekündigt hat. Orbán will das von feindlichen, „globalen“ Mächten besetzte Brüssel einnehmen, wozu er es zunächst sturmreif schießen muss. Inzwischen spürt er dabei Rückenwind aus den USA.
Und in diesen Rahmen gehört auch diese Nachricht offenbar: Die Fraktion Patrioten für Europa, zu der die ungarische Fidesz gehört, hat der EU-Kommission 86 Anfragen gestellt, was unwillkürlich an die „Kleine Anfrage“ der Unionsfraktion erinnert. Tatsächlich gibt es inhaltliche Überschneidungen. Denn auch bei den Fragen an die Kommission geht es um die sogenannten „Nichtregierungsorganisationen“ (NRO oder NGO), deren fragwürdige Finanzierung und oft kritikwürdigen Aktivitäten.
Und auch in diesem Fall gab es, wenn überhaupt, nur eine äußerst nichtssagende Antwort. Laut dem Abgeordneten Csaba Dömötör (Fidesz) lehnte die Kommission das Informationsersuchen der PfE-Fraktion damit ab. In ihrer Nicht-Antwort gab die Kommission zwar zu, dass „politische Aktivistengruppen mit europäischen Steuergeldern finanziert wurden“, und das ist ja auch seit langem bekannt. Es gebe „aber keine transparente, einheitliche Datenbank darüber, wie sie finanziert wurden“.
Die Kommission bekennt sich dazu: Keine Transparenz im EU-Superstaat und seinen Beziehungen zu NGOs. Man kennt solche Auskünfte im Dutzend von der (scheidenden) Bundesregierung. In bestimmten Fällen scheint es wahnsinnig schwierig zu sein, den Überblick über die eigenen Ausgaben zu behalten. Tatsächlich besteht aber wohl schlicht kein Interesse daran, und das ergibt Sinn. Denn man könnte das NGO-Konzept auch so erklären, dass dadurch Personen an den Schalthebeln der Macht ermöglicht werden soll, etwas zu tun, ohne dass sie es tun. Intransparenz, dein Name ist NGO… Laut einem Bericht des Europäischen Rechnungshofes von 2018 liegen die Finanzquellen bei einem Drittel der in der EU bekannterweise agierenden NGOs im Dunkeln.
Csaba Dömötör nennt Beispiele und erklärt, dass es sich nicht um NGOs im herkömmlichen Sinne handele. Und man fragt sich in der Tat, ob es diese überhaupt gibt. Aber das nur am Rande. Vielmehr gehe es zum Beispiel um eine „NGO“ des früheren Chefs der liberalen Renew-Fraktion, Guy Verhofstadt. Sie nennt sich „European Movement International“ und bekam über mehrere Jahre 15 Millionen Euro von EU-Institutionen, erklärt Dömötör: „Sie nennen es Zivilgesellschaft. Wir nennen es eine politische Aktivistengruppe ohne jede demokratische Legitimation, die mit Steuergeldern gemästet wird.“
Der Zusammenhang von EU-Politik und NGO-Fördergeldern kann sogar sehr eng werden. So soll die Generaldirektion Umwelt, damals geleitet vom niederländischen EU-Kommissar Frans Timmermans, Subventionen aus dem EU-Programm zur Unterstützung von Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (LIFE) an einschlägige Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) vergeben haben. Das berichtete der angesehene Telegraaf unter Berufung auf vertrauliche Dokumente und in Deutschland etwa die Bauernzeitung. https://bauernzeitung.at/ngo-affaere-lobbying-mit-geldern-der-eu-kommission/ Und es ging noch enger verstrickt, denn die Fördergelder wurden angeblich nur unter Bedingungen vergeben. In geheimen Verträgen wurden „detaillierte Lobbying-Pläne und -Ziele“ festgelegt, die im besonderen Interesse der Generaldirektion Umwelt lagen. Konkret ging es darum, im Umfeld der gesamteuropäischen Bauernproteste „Stimmung“ für den Green Deal zu machen. Dabei wurden sogar Gegenproteste von den bezahlten Lobbyisten der Kommission organisiert. Schon 2023 sollen so 700.000 Euro an verschiedene Organisationen geflossen sein.
Darüber hinaus berichtet das Portal Visegrad24, dass die Kommission etwa das 4000-fache dieses Betrags, nämlich 2,6 Milliarden Euro für „Studien“ zum „Green Deal“ ausgab. In vielen dieser Studien gab es aber weniger wissenschaftliche Strenge als vielmehr lobbyistische Inbrunst in Unterstützung des Green Deals.
Auch in die Migrationspolitik mischen sich die EU-finanzierten „NGOs“ laut Dömötör ein. Eine dieser NGOs habe mit illegalen Migranten zusammengearbeitet und mindestens einen Mitgliedsstaat – Ungarn – wegen des von diesem geleisteten Grenzschutzes verklagt. Außerdem habe Brüssel Organisationen finanziert, die dann Material für Rechtsstaatlichkeitsberichte erstellt hätten, was dann wiederum als Schwert gegen Ungarn gerichtet wurde, um dem Land EU-Mittel vorzuenthalten. Für Dömötör hat das nichts mit „Zivilgesellschaft“ zu tun, wohl aber mit politischem Druck und Machtspielen.
Erinnern darf man daran, dass 1999 die gesamte Santer-Kommission zurücktrat, weil es einen Hinweis auf Vetternwirtschaft und Betrug gab. Noch ist auch der Skandal um katarische Geschenke an die EU-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili und einen Kranz von Parlamentariern und Ex-Parlamentariern nicht ausgestanden.
Csaba Dömötör sagt, nun sei der Moment gekommen, in dem die EU-Kommission ihre „demokratischen Werte“ beweisen können, eben jene Werte, die sie gerne von ihren Mitgliedsstaaten einfordert. Dömötör hebt hervor, dass solche Informationsanfragen in Ungarn gängige Praxis sind und dass ungarische Ministerien verpflichtet seien, „regelmäßig zu veröffentlichen, welche Verträge sie abschließen, mit wem und für wie viel“. Eine demokratische Selbstverständlichkeit könnte man sagen, gesetzlich festgelegte Informationsfreiheit. Doch für die EU-Kommission scheint sie nicht zu gelten.
Auf einer ihrer (daneben weitgehend nichtssagenden) Webseiten informiert die Kommission sogar wörtlich über „Finanzierungsmöglichkeiten für NRO“ und weist darauf hin, dass diese „zu etwa 80 % von den EU-Ländern selbst verwaltet“ werde – wohl auch im Rahmen des 1,44 Milliarden Euro schweren CERV-Programms https://www.kontaktstelle-cerv.de („Citizens, Equality, Rights and Values“). Dieses ruft Antragsteller auf, Projekte beispielsweise zur „Förderung des Bewusstseins der Organisationen der Zivilgesellschaft … und die Umsetzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union“ einzureichen. Gut ist demnach alles, was für NGOs und EU gut ist, und das fördert man dann.
Berechnungen des Budapester Mathias-Corvinus-Collegiums (MCC) haben ergeben, dass womöglich fünf Prozent des EU-Budgets für die Finanzierung angeblich regierungsunabhängiger NGOs verwendet wird, wie der EU-Abgeordnete António Tânger Corrêa (Chega) ausführt.