Der vernünftige Osten der EU ist wieder da

vor 12 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Irgendwie hatten alle geglaubt, der Liberale Rafał Trzaskowski würde die polnische Präsidentschaftswahl gewinnen. Der kometenhaft aufgestiegene, aber dann doch bei der rumänischen Präsidentschaftswahl klar gescheiterte rechte Kandidat George Simion hatte bange gewarnt, wenn Nawrocki verliere, dann sei 2026 Viktor Orbán dran und würde mit vereinter Kraft der liberalen Eliten die ungarischen Wahlen verlieren. Er selbst litt sicherlich noch unter dem Trauma seiner verlorenen Wahl – er hatte sich schon als Sieger gesehen.

Und tatsächlich gab es Sorgen unter Konservativen, als glaubten sie nicht recht an ihre Kraft: Die AfD in Deutschland war in Schach beziehungsweise jenseits der Brandmauer gehalten, die FPÖ in Österreich war umsonst stärkste Partei, darf doch keine Regierung bilden. Marine Le Pen in Frankreich wurde daran gehindert, überhaupt bei den nächsten Wahlen zu kandidieren, Simion war in Rumänien gescheitert, und die frühere konservative PiS-Regierung war in Polen 2023 mit Hilfe der US-Democrats und der EU zu Fall gebracht worden. Würde die erhoffte konservative Trendwende nach dem Sieg von Donald Trump in den USA wirklich stattfinden, und von Dauer sein?

Welchen Unterschied ein einziger Wahlsieg macht. Plötzlich ist alles anders, dank weniger als 400.000 Stimmen und weniger als zwei Prozentpunkten Unterschied. Der Sieg Nawrockis bedeutet, dass die liberale Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk geschwächt ist. Er musste auch bisher mit einem konservativen Präsidenten auskommen, Andrzej Duda, der ein Vetorecht hatte bei jedem Gesetz, das aus dem Parlament kam. In seiner Not griff Tusk (beraten von der EU und den damals noch liberalen USA) zu „transitioneller Justiz”, auf Deutsch, zu einer Aussetzung rechtsstaatlicher Prinzipien, um Institutionen umzukrempeln und PiS-Politiker nach Möglichkeit vor Gericht zu bringen.

Bei all dem erwarteten die meisten politischen Beobachter, und hofften alle Liberalen, dass nach Duda der nächste Präsident Trzaskowski heißen würde. Dann hätte Tusk seinen Umbau der polnischen Machstrukturen vollenden können, ohne wie bisher formale rechtstaatliche Regeln brechen zu müssen. Die Dynamik, so die Erwartung, war auf der Seite der Liberalen.

Diese Stimmung in Sachen politische Dynamik hat Nawrockis Sieg ins Gegenteil verkehrt. Nun ist es Tusk, der spüren muss, dass sich die Windrichtung geändert hat, dass die Dynamik nun PiS zum Zukunftsträger macht.

Plötzlich sieht auch Simions Niederlage in Rumänien im Nachhinein wie ein Triumph aus: Die 41 Prozent, die er in der Vorrunde erreichte, spiegeln das Potential seiner Partei bei Parlamentswahlen. Die jüngsten Umfragen sehen AUR bei 39 Prozent. Das ist eine Größenordnung, die einen Systemwechsel in Rumänien bedeuten würde – nachhaltig Erfolg haben kann er aber nur, wenn er seine nationalistische Haltung gegenüber der ungarischen Minderheit in Rumänien gründlich revidiert. Auch die AfD in Deutschland, di ebei den Wahlen im Februar ihrem bislang bestes Ergebnis erzielte, ist seither noch weiter erstarkt. In England ist seit einiger Zeit ein künftiger Wahlsieg von Nigel Farage mit seiner „Reform UK” denkbar.

Nächste Station: Tschechien. Dort wird im Oktober gewählt, und ANO, die Partei des früheren Ministerpräsidenten und Orbán-Verbündeten Andrej Babis, führt in jeder Umfrage haushoch. Sein Sieg würde bedeuten, dass nach einigen Jahren der Zerrüttung der ursprüngliche Visegrád-Block wieder stehen würde, als Gegengewicht zu den chronischen Zentralisierungsbestrebungen in der EU.

Fico in der Slowakei, Nawrocki in Polen, Babis in Tschechien, und Orbán: Das wird es schwer machen, in der EU, wie von der deutschen Regierung unter Friedrich Merz gewünscht, das Veto-Recht abzuschaffen, oder gar das Artikel 7-Verfahren gegen Ungarn mit einer Verurteilung abzuschließen (Entzug der Stimmrechte).

Der vernünftige Osten der EU ist wieder da, um Europa seine Seele zurück zu geben – das, was unsere Zivilisation ausmacht. Bürgerliche Werte.

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