„Schattentreffen“ in Brüssel: EU-Kreise mit neuem Versuch zur Chatkontrolle

vor 17 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Und schon wieder versuchen weitgehend unbekannte EU-Akteure in Hinterzimmern Fakten zu schaffen. Das ist leider schon mehr als einmal vorgekommen. Insofern liegt es nicht fern, einen Zusammenhang zwischen der EU und Hinterzimmerdeals an sich zu postulieren. Die Brüsseler Abgeschiedenheit vom Volk begünstigt das sicher, das Zuständigkeiten-Wirrwarr verbessert nichts an der Lage. Und am Ende geht es wieder einmal gegen die Bürger, weil es so für die Regierenden – auch in den Mitgliedsstaaten – praktischer ist.

Für diesen Mittwoch hat der Berichterstatter des EU-Parlaments zum Thema Chatkontrolle, der Spanier Javier Zarzajelos (EVP), ein weitgehend geheimes Treffen mehrerer Akteure angesetzt, dessen Inhalte zudem weitgehend im Dunkeln bleiben. Wenn das Stelldichein wirklich als „Schattentreffen“ benannt ist, wie Netzpolitik.org schreibt, dann haben die Urheber damit etwas Treffendes gefunden.

Denn niemand weiß zuallererst, warum das Treffen überhaupt jetzt stattfindet. Verhandlungen zwischen Rat und Kommission zu dem Thema stehen eigentlich nicht an. Aber offenbar hat die dänische Ratspräsidentschaft an dieser Stelle etwas vor.

An dem „Schattentreffen“ von Zarzajelos sollen vor allem Interessenvertreter aus dem Bereich des Kinderschutzes teilnehmen, daneben Europol, die dänische Polizei und das Justizministerium des skandinavischen Landes. Das von Tusk mitte-rechts-regierte Polen lehnte die Chatkontrolle angeblich ab, doch das sozialdemokratisch geführte Dänemark will sie. Daneben sollen sich auch Geheimdienste für die Maßnahme erwärmen. Die Koalitionen sind manchmal, nun ja, breit. In letzter Minute lud man, aufgescheucht durch eine Presseanfrage, noch einen einzigen Vertreter der kritischen Öffentlichkeit ein. Aber das ist den Kritikern zu wenig.

Auch das EU-Parlament hatte 2023 Vorbehalte gegen den Fall der Verschlüsselung auf Handy-Anwendungen wie Whatsapp geäußert und die entsprechenden Kommissionsvorschläge blockiert. Die Kommission wollte schon damals auf der „Client-Side“ nach gefahrvollen Inhalten suchen, die etwa mit Kinderpornographie oder organisierter Kriminalität zu tun hätten. Warum dafür alle Nutzer der alltäglich gebrauchten Messenger-Apps an ihrer Vertraulichkeit bluten müssen, konnte man eigentlich nie irgendjemandem erklären. Mit der geplanten Chatkontrolle fiele ein Grundpfeiler des Brief- und Fernmeldegeheimnisses in der EU.

Viele Berufsstände wären ganz unmittelbar davon betroffen, wenn anlasslos alle Chats auf diversen Apps auf Schlüsselwörter durchsucht werden können. Das geht nicht nur Journalisten an, deren Rohstoff ja Informationen sind, die irgendwoher kommen müssen, sondern auch Anwälte, Ärzte, Lehrer, Priester. Alle jene Bereiche, die heute noch einen besonderen Schutz haben, wo Verschwiegenheit gilt und vom Staat nicht aufgebrochen werden kann – auch nicht provisorisch, für den „besseren Zweck“! –, hätten diesen Schutz dann nicht mehr. Jedenfalls nicht prinzipiell. Und darauf kommt es gelegentlich durchaus an. Denn jene Wesenheiten, die einmal aus einer Büchse oder Flasche entwichen sind, bekommt man nur schwer wieder dort hinein.

Im EU-Rat der Regierungen gab es bisher keine Mehrheit für das Vorhaben. Sogar Nancy Faeser gab sich 2024 als Gegnerin aus – dabei war ja klar, dass sie daneben nach immer weiterer Kontrolle der Bürger, vor allem auch online, strebte. Vielleicht hatte schlicht die FDP die deutsche Stimme im Rat ungültig gemacht. Und so greift man nun zur Methode Wiedervorlage: Man lässt schlicht so lange abstimmen, bis das Ergebnis stimmt. Auch das ist so eine typische „Demokratie-Falte“ in der Toga der EU.

Der Deutsche Anwaltsverein protestiert gegen die neuen Pläne der Dänen und anderer Teile der EU-Führung, denn die seien „rechtsstaatlich hochproblematisch“. Der Vorschlag der Dänen lautet so: Chats sollen nicht mehr in Gänze gescannt werden, aber die App-Anbieter sollen von der Kommission dazu verpflichtet werden, die Inhalte ihrer Nutzer nach einer staatlichen „Aufdeckungsanordnung“ zu durchsuchen und die Behörden über die Ergebnisse zu informieren. Also wiederum so ein Vorschlag, der die Grenze zwischen staatlichen Behörden und privaten Anbietern mit dem groben Pinsel verwischt – die Privaten zu den Helfern der Staaten macht.

„Die Einführung dieses Instruments würde die systematische und flächendeckende Überwachung privater Kommunikation bedeuten“, sagte der DAV-Präsident, RA Stefan von Raumer, laut Netzpolitik Das sei wie eine Privat-Post, die jeden Brief öffne und durchlesen lässt. Mit Datenschutz, Achtung des Privatlebens und Vertraulichkeit der Kommunikation wäre es dann vorbei. Für von Raumer liegt der neue Vorschlag wieder nah beim ursprünglichen Komissionsvorschlag, der aber bislang keine Mehrheit in Ministerrat, geschweige denn im Parlament fand, das ihn sogar blockieren wollte.

Dabei wird eine wichtige Tatsache geschickt überspielt und zugleich ausgenutzt. Die pädophilen Straftaten, gegen die man angeblich zu Felde ziehen will, sind im Fall des Einsatzes von Chatkontrolle im Grunde schon Vergangenheit (vgl. Abschnitt 1: „Kontext des Vorschlags, Gründe und Ziele des Vorschlags“). Zu fassen bekommt man so nur die Weiterverbreiter des entsprechenden, auch selbst hochproblematischen Materials. Dagegen ließen auch deutsche Behörden in der Vergangenheit Hinweise ungenutzt, die ihnen bei der Ergreifung der Ursprungstäter helfen hätten können.

Das Pferd wird vom Schwanze aufgezäumt, der Kampf gegen üble Kinderpornos dient als Bresche in den Bereich der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Ist die Chatkontrolle wegen dieser anerkannt schwersten Verbrechen erst möglich, dann werden bald Kontrollen aus anderem Anlass folgen. Es wäre ein Dammbruch. Danach könnten alle mögliche Handlungen inkriminiert werden, natürlich auch die angeblichen „Hass und Hetze“, also provokante und kontroverse Internet-Postings, die deutsche Sicherheitsbehörden schon jetzt für konzertierte Aktionen instrumentalisieren.

Übrigens schrieb einer der großen Vortänzer des Kampfs für die Chatkontrolle, der US-Schauspieler Ashton Kutcher, dessen Big-Tech-„Nonprofit“-Unternehmen Thorn eng mit der Ex-EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zusammenarbeitete, persönlich einen Brief zugunsten eines verurteilten Vergewaltigers (und Kollegen). Mit seinem Unternehmen Thorn erwirtschaftete er damals noch Millionen von Dollar. Auch Wohltätigkeit ist oft eben mehr Schein als Sein. Kutchers Start-up soll mit der Big-Tech-Szene verbandelt sein. Inzwischen verließ er die Spitze des Unternehmens.

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