Europa in Bedrängnis: Trumps Plan für Waffenstillstand in der Ukraine wackelt

vor 7 Tagen

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Nach intensiven Ukraine-Gesprächen in Paris am Freitag gab der US-Außenminister Marco Rubio bekannt, dass USA bald ihre Bemühungen um Frieden zwischen Russland und der Ukraine einstellen könnten, sollte es nicht klare Anzeichen für eine Einigung geben. Präsident Donald Trump sei zwar weiterhin an einem Abkommen interessiert, habe aber viele andere Prioritäten weltweit. Sei eine Einigung nicht möglich, werde Trump womöglich sagen: „Wir sind fertig.“ Dies war ein Signal der USA, sich ganz aus dem europäischen Konflikt zurückzuziehen, sollten beide Seiten nicht zu Kompromissen bereit sein. Am Donnerstag hatte es in Paris auf Einladung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron erstmals Gespräche gegeben, an denen sowohl die US-Amerikaner, die Ukrainer und die Europäer teilnahmen. Danach hieß es aus dem Élysée-Palast allerdings lediglich, es seien „konstruktive Gespräche“ gewesen und es solle ein Nachfolgetreffen in London geben. Die Gespräche in Paris hatte Emmanuel Macron auf Wunsch von Trump kurzfristig organisiert. Es sollte vor allem darum gehen, die bisherigen Ergebnisse der Friedensverhandlungen zu bilanzieren. Macron führte vor allem in Paris intensive Gespräche mit Trumps Sondergesandten für den Nahen Osten Steve Witkoff. Dieser war zuvor mit dem Präsidenten Putin in Sankt Petersburg zusammengetroffen.

Vor seinem Amtsantritt hatte Trump versprochen, den Krieg in der Ukraine innerhalb eines Tages zu beenden. Er hoffte später in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit – also bis Ende dieses Monats – einen Waffenstillstand zwischen Kiew und Moskau zu erzielen. Die Verhandlungen haben aber vorerst keine Aussicht auf Erfolg. Trump bezeichnet den Konflikt inzwischen als „Bidens Krieg“. Er hat auch vor Kurzem seine Ungeduld gegenüber der Kremlführung zum Ausdruck gebracht. Russland hat US-Forderung nach einem bedingungslosen 30-tägigen Waffenstillstand ignoriert. Stattdessen hat es auf Zeit gespielt und seine Angriffe intensiviert. Moskau beharrt auf die Maximalforderungen in den Verhandlungen. Putins öffentliche Position ist es, einen Waffenstillstand abzulehnen bzw. an weitreichende Bedingungen zu knüpfen. Russland will „Grundursachen des Ukraine-Konfliktes“ für eine dauerhafte Lösung beseitigen. Darunter lässt sich mindestens ein Ausschluss einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine verstehen, aber auch weitere Zugeständnisse mit Blick auf einen Rückzug der NATO-Allianz aus weiten Teilen Osteuropas. Ohnehin will Moskau eine Festschreibung seiner bisherigen Annexionen, um die es bei den jüngsten Gesprächen mit Witkoff offenbar ging. Mit anderen Worten plädiert Kreml für eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa.

Im Gegensatz zu Putin hat Trump keine geostrategische Sichtweise. Trump will in erster Linie das US-Engagement in Europa reduzieren, weil es massiv US-Ressourcen bindet. Trump will die Beziehungen der USA zu Russland und Kiew über die Köpfe der Europäer hinweg neu regulieren. Putin vertraut dabei auf seinen Immobilienfreund Steve Witkoff, der Sondergesandter für den Nahen Osten ist, die Dinge mit Kremlführung zu regeln. Vor diesem Hintergrund versucht Putin seit Wochen, die US-Amerikaner auch mit der Aussicht auf Wirtschaftsprojekte für sich einzunehmen. Er ernannte dazu den Leiter des Staatsinvestitionsfonds RDIF, Kirill Dmitrijew, zum Sondergesandten für Wirtschaftszusammenarbeit und schickte ihn vor Kurzem nach Washington.

Allerdings braucht Trump derzeit einen außenpolitischen Erfolg und insofern ist er bereit gewissermaßen Druck auf Kremlführung aufzubauen. Trump erneuerte schon die Sanktionen seines Vorgängers gegen Russland und brachte seine Ungeduld mit dem Kreml zum Ausdruck, als er in einem Interview sagte, er sei „stinksauer“ auf Russland. Trump äußerte auch die Idee, „Sekundärzölle“ gegen Moskau zu verhängen, und zwar gegen Länder, die russisches Öl kaufen. Er hat aber seiner Drohung, Moskau mit neuen Sanktionen zu belegen, bisher keine Taten folgen lassen. Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge soll eine Gruppe um Außenminister Marco Rubio und den Sondergesandten für die Ukraine, Keith Kellogg, Trump sogar empfohlen haben, Putin mit mehr Vorsicht zu begegnen und härter gegenüber Forderungen des Kremls an Kiew nach territorialen Zugeständnissen zu bleiben.

Zugleich verschlechtert sich die Beziehungen zwischen Trump und Selenskyj: Nachdem der ukrainische Präsident Trump in die Ukraine eingeladen hatte, um ihm die „Folgen des russischen Angriffskrieges“ zu zeigen, bezichtigte Trump abermals Selenskyj, den Krieg angezettelt zu haben. Zuvor hatte er Selenskyjs Wunsch, weitere Patriot-Flugabwehrsysteme von den USA zu erhalten, abgelehnt, – obwohl Kiew sie von USA kaufen will.

Dass die ukrainische Luftverteidigung Lücken hat, zeigten die jüngsten Angriffe auf die ukrainischen Großstatd Sumy in den vergangenen Tagen, bei denen nach den ukrainischen Angaben mehr als 50 Menschen getötet und Hunderte verletzt wurden. Trump bezeichnete den Angriff auf Sumy, als „schrecklich“, sagte aber zugleich, dass dieser „versehentlich“ geschehen sei. Trump will nämlich verhindern, dass ein mutmaßliches „Kriegsverbrechen“ seinen Friedensplan in der Ukraine gefährdet.

Während Trump die Bedeutung der jüngsten russischen Angriffe auf Sumy herunterspielte, versuchten die Europäer daraus einen Skandal also „Butscha 2.0“ machen. Nach dem tödlichen Angriff auf Sumy signalisierte Friedrich Merz Breitschaft Deutschlands Taurus an Ukraine liefern, um die Krim-Brücke zu zerstören. Dieses Angebot fand schon in Luxemburg ein wohlwollendes Echo. „Wir müssen mehr tun, damit die Ukraine sich verteidigen kann und Zivilisten nicht sterben müssen“, antwortete die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas auf eine Frage zum Taurus.

Die Frage, ob Deutschland Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefert, ist nicht kriegsentscheidend. Mit einer solchen Lieferung würde Europa nur die Eskalation mit Russland weiter vorantreiben und den ohnehin wackeligen Friedensplan der USA zum Scheitern bringen. Derzeit verfolgt EU vor allem zwei strategische Ziele. Das erste ist der Versuch Großbritanniens und Frankreichs, eine europäische „Rückversicherungstruppe“ aufzustellen. Das zweite Ziel ist die Sicherung der amerikanischen Präsenz in Europa. Die Aufgabe der sogenannten „Rückversicherungstruppe“ soll es sein, Russland vor Verstößen gegen eine mögliche Waffenstillstandsvereinbarung abzuschrecken. Die Truppe würde also nicht an der Frontlinie zwischen russischen und ukrainischen Truppen stationiert, sondern weit entfernt von der Frontlinie in der Westukraine. Die EU-Politiker wollen Trump damit unter anderem zeigen, dass sie die Last der europäischen Sicherheit schultern können, um im Gegenzug zumindest ein gewisses amerikanisches Engagement, wenn schon nicht in der Ukraine, so doch in den NATO-Staaten, aufrechtzuerhalten. Nach dieser sich abzeichnenden Vision würde die künftige „Abschreckung“ Russlands in drei Zonen erfolgen: verstärkte ukrainische Truppen, die die Frontlinie gegen Russland im Osten halten, europäische Streitkräfte im Westukraine und eine verbleibende amerikanische Präsenz in den NATO-Ländern in Europa.

Die Stationierung einer europäischen Truppe in der Ukraine hängt von einem immer schwer zu erreichenden Waffenstillstand zwischen Ukraine und Russland unter US-Vermittlung ab. Steve Witkoff, Trumps Gesandter in Russland, soll den Europäern in Paris gesagt haben, dass der schnellste Weg zu einem Waffenstillstand darin bestehe, vier ukrainische Provinzen, die Kreml für sich beansprucht, an Russland abzutreten, einschließlich der Gebiete in diesen Provinzen, die russische Armee bisher nicht erobern könnte. Das wäre aber für die Ukraine und ihre europäischen Partner inakzeptabel.

Die EU-Staaten wollen weitere Milliarden für die Lieferung von Waffen und anderen Rüstungsgütern an die Ukraine bereitstellen, um den Vormarsch Russlands zu stoppen. Eine weitere Eskalation in Richtung Russland könnte sich aber Europa ohne die Unterstützung der USA aber nicht leisten. Der neue EU-Sicherheitsplan setzt vor allem einen Waffenstillstand in der Ukraine voraus. In erster Linie braucht Europa ein neues Sicherheitskonzept, das den atomaren Schutzschirm der USA (das minimalistische US-Engagements in Europa) und die Aufnahme der direkten diplomatischen Verhandlungen zwischen EU und Russland beinhalten soll. Man muss immer damit rechnen, dass Washington irgendwann seine Truppen in großem Stil aus Europa abziehen wird. Ein aktuelles Zeichen dafür ist, dass die USA bereits dabei sind, ihre Truppen und Ausrüstung aus Rzeszow, einem wichtigen polnischen Umschlagplatz für Waffenlieferungen in die Ukraine, abzuziehen. Ihre Aufgaben werden künftig europäische Truppen übernehmen. Fazit: Mit reiner Eskalation ohne ein neues Konzept, das den begrenzten europäischen Fähigkeiten in Sicherheitsfragen Rechnung trägt, würde Europa am Ende gegen die Wand fahren.

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